unaufgehellet gelassen, wie es vorher war. Jch kann nicht alles nachholen, aber einige Stellen, die am mei- sten hervorragen, und von welchen ab die Aussicht auf die wichtigsten Gegenden hin offen seyn wird, will ich etwas mehr bemerklich zu machen suchen.
5.
Die Urtheile über die wirklichen unmittelba- ren Gegenstände des Bewußtseyns, die die Er- kenntniß des unmittelbaren Bewußtseyns aus- machen, sind in Hinsicht ihrer Form schlechthin sub- jektivisch nothwendige Aeußerungen der Denkkraft. Jch höre, ich sehe, ich fühle Schmerz, ich denke, ich stelle mir etwas vor, ich erinnere mich; und alle derglei- chen Grundurtheile über unsere Empfindungen sind eben so nothwendig, als nothwendig es ist, das geometrische Axiom für wahr zu halten, daß zwo Summen einander gleich sind, die aus gleichen zu gleichen addirt, entste- hen. Es mögen meine Empfindungen wahr oder falsch seyn, so gar ein leerer Schein, wie der Skeptiker es ha- ben will; so ist es dennoch unmöglich, anstatt des Ge- dankens, ich fühle, ich habe eine Jdee, und ich denke, den Gedanken hervor zu bringen: ich fühle nicht, ich habe keine Jdee, ich denke nicht. Jn tiefem Schlaf denke ich weder das Eine noch das andere. Die Denkkraft kann vielleicht eine Weile stille stehen. Aber wenn und sobald sie wirket, so sind dieß ihre Wir- kungen, und sie kann die entgegengesetzten durchaus nicht hervorbringen. Das Feuer kann nicht löschen da, wo es zündet, und die Denkkraft kann eben so wenig denken; es scheine etwas nicht zu seyn, wo es ihr doch wirklich zu seyn scheint, als sie einen viereckten Zirkel sich vorstellen kann.
Da haben wir also die zwote Art schlechthin nothwendiger Reflexionsäußerungen. Die Er-
ste
der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c.
unaufgehellet gelaſſen, wie es vorher war. Jch kann nicht alles nachholen, aber einige Stellen, die am mei- ſten hervorragen, und von welchen ab die Ausſicht auf die wichtigſten Gegenden hin offen ſeyn wird, will ich etwas mehr bemerklich zu machen ſuchen.
5.
Die Urtheile uͤber die wirklichen unmittelba- ren Gegenſtaͤnde des Bewußtſeyns, die die Er- kenntniß des unmittelbaren Bewußtſeyns aus- machen, ſind in Hinſicht ihrer Form ſchlechthin ſub- jektiviſch nothwendige Aeußerungen der Denkkraft. Jch hoͤre, ich ſehe, ich fuͤhle Schmerz, ich denke, ich ſtelle mir etwas vor, ich erinnere mich; und alle derglei- chen Grundurtheile uͤber unſere Empfindungen ſind eben ſo nothwendig, als nothwendig es iſt, das geometriſche Axiom fuͤr wahr zu halten, daß zwo Summen einander gleich ſind, die aus gleichen zu gleichen addirt, entſte- hen. Es moͤgen meine Empfindungen wahr oder falſch ſeyn, ſo gar ein leerer Schein, wie der Skeptiker es ha- ben will; ſo iſt es dennoch unmoͤglich, anſtatt des Ge- dankens, ich fuͤhle, ich habe eine Jdee, und ich denke, den Gedanken hervor zu bringen: ich fuͤhle nicht, ich habe keine Jdee, ich denke nicht. Jn tiefem Schlaf denke ich weder das Eine noch das andere. Die Denkkraft kann vielleicht eine Weile ſtille ſtehen. Aber wenn und ſobald ſie wirket, ſo ſind dieß ihre Wir- kungen, und ſie kann die entgegengeſetzten durchaus nicht hervorbringen. Das Feuer kann nicht loͤſchen da, wo es zuͤndet, und die Denkkraft kann eben ſo wenig denken; es ſcheine etwas nicht zu ſeyn, wo es ihr doch wirklich zu ſeyn ſcheint, als ſie einen viereckten Zirkel ſich vorſtellen kann.
Da haben wir alſo die zwote Art ſchlechthin nothwendiger Reflexionsaͤußerungen. Die Er-
ſte
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der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c.
unaufgehellet gelaſſen, wie es vorher war. Jch kann
nicht alles nachholen, aber einige Stellen, die am mei-
ſten hervorragen, und von welchen ab die Ausſicht auf
die wichtigſten Gegenden hin offen ſeyn wird, will ich
etwas mehr bemerklich zu machen ſuchen.
5.
Die Urtheile uͤber die wirklichen unmittelba-
ren Gegenſtaͤnde des Bewußtſeyns, die die Er-
kenntniß des unmittelbaren Bewußtſeyns aus-
machen, ſind in Hinſicht ihrer Form ſchlechthin ſub-
jektiviſch nothwendige Aeußerungen der Denkkraft.
Jch hoͤre, ich ſehe, ich fuͤhle Schmerz, ich denke, ich
ſtelle mir etwas vor, ich erinnere mich; und alle derglei-
chen Grundurtheile uͤber unſere Empfindungen ſind eben
ſo nothwendig, als nothwendig es iſt, das geometriſche
Axiom fuͤr wahr zu halten, daß zwo Summen einander
gleich ſind, die aus gleichen zu gleichen addirt, entſte-
hen. Es moͤgen meine Empfindungen wahr oder falſch
ſeyn, ſo gar ein leerer Schein, wie der Skeptiker es ha-
ben will; ſo iſt es dennoch unmoͤglich, anſtatt des Ge-
dankens, ich fuͤhle, ich habe eine Jdee, und ich
denke, den Gedanken hervor zu bringen: ich fuͤhle
nicht, ich habe keine Jdee, ich denke nicht. Jn
tiefem Schlaf denke ich weder das Eine noch das andere.
Die Denkkraft kann vielleicht eine Weile ſtille ſtehen.
Aber wenn und ſobald ſie wirket, ſo ſind dieß ihre Wir-
kungen, und ſie kann die entgegengeſetzten durchaus
nicht hervorbringen. Das Feuer kann nicht loͤſchen da,
wo es zuͤndet, und die Denkkraft kann eben ſo wenig
denken; es ſcheine etwas nicht zu ſeyn, wo es ihr doch
wirklich zu ſeyn ſcheint, als ſie einen viereckten Zirkel ſich
vorſtellen kann.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/551>, abgerufen am 24.11.2024.
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