daß die Thätigkeit abgebrochen wird, und ihre Wirkung zurück bleibet.
Jch setze noch diese Anmerkung hinzu. Wenn das Vergleichen der Jdeen Schwierigkeiten findet; wenn es merklich lange dauert, bis das Urtheil zu Stande kommt; so findet sich, daß es den verglichenen Jdeen an der nö- thigen Klarheit oder Deutlichkeit gefehlet habe, oder auch an der nöthigen Lebhaftigkeit und Stärke, die sie haben müssen, um einander so nahe gebracht zu wer- den, und um so lange gegenwärtig zu seyn, bis ihre Verhältniß gewahrgenommen werden kann. Jch rede nur noch von einfachen Urtheilen, nicht von Schlüssen. Um dem letztern Mangel abzuhelfen, wird eine wieder- holte und stärkere Anstrengung der Vorstellungskraft er- fordert; der erste aber wird durch vorlaufende Reflexio- nen gehoben, wodurch die in den Jdeen noch fehlende Klarheit und Deutlichkeit bewirket wird. Jn einem sol- chen Fall, wo man vorher vieles an den Vorstellungen oder Jdeen arbeiten muß, bis man sie zum Gewahrwer- den ihres Verhältnisses einrichtet, da ist der längere Ak- tus des Vergleichens in der That nichts anders, als ei- ne größere Menge einzelner gleichartiger Thätigkeiten der vorstellenden und denkenden Kraft, die sich auf die Jdeen des Urtheils, einzeln genommen, verwendet. Wenn es nun aber so weit ist, daß zwo Jdeen ihre völ- lige Klarheit, Deutlichkeit und Stärke erhalten haben, so wird nichts mehr, als, so zu sagen, ein einziger Blick darauf, oder ein einziges Bestreben der Denkkraft er- fordert; und der Verhältnißgedanke bey den Jdeen ist hervorgebracht und das Urtheil gefället. Betrachten wir also eine einfache Reflexion, wozu die vorstellende Kraft und das Gefühl alles erforderliche vorbereitet hat, so ist der Ansatz der Denkkraft zum Denken, die Aktion selbst, und ihre Wirkung, das Urtheil, sogleich un- mittelbar mit einander da, und alles, besonders der
Aktus
VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
daß die Thaͤtigkeit abgebrochen wird, und ihre Wirkung zuruͤck bleibet.
Jch ſetze noch dieſe Anmerkung hinzu. Wenn das Vergleichen der Jdeen Schwierigkeiten findet; wenn es merklich lange dauert, bis das Urtheil zu Stande kommt; ſo findet ſich, daß es den verglichenen Jdeen an der noͤ- thigen Klarheit oder Deutlichkeit gefehlet habe, oder auch an der noͤthigen Lebhaftigkeit und Staͤrke, die ſie haben muͤſſen, um einander ſo nahe gebracht zu wer- den, und um ſo lange gegenwaͤrtig zu ſeyn, bis ihre Verhaͤltniß gewahrgenommen werden kann. Jch rede nur noch von einfachen Urtheilen, nicht von Schluͤſſen. Um dem letztern Mangel abzuhelfen, wird eine wieder- holte und ſtaͤrkere Anſtrengung der Vorſtellungskraft er- fordert; der erſte aber wird durch vorlaufende Reflexio- nen gehoben, wodurch die in den Jdeen noch fehlende Klarheit und Deutlichkeit bewirket wird. Jn einem ſol- chen Fall, wo man vorher vieles an den Vorſtellungen oder Jdeen arbeiten muß, bis man ſie zum Gewahrwer- den ihres Verhaͤltniſſes einrichtet, da iſt der laͤngere Ak- tus des Vergleichens in der That nichts anders, als ei- ne groͤßere Menge einzelner gleichartiger Thaͤtigkeiten der vorſtellenden und denkenden Kraft, die ſich auf die Jdeen des Urtheils, einzeln genommen, verwendet. Wenn es nun aber ſo weit iſt, daß zwo Jdeen ihre voͤl- lige Klarheit, Deutlichkeit und Staͤrke erhalten haben, ſo wird nichts mehr, als, ſo zu ſagen, ein einziger Blick darauf, oder ein einziges Beſtreben der Denkkraft er- fordert; und der Verhaͤltnißgedanke bey den Jdeen iſt hervorgebracht und das Urtheil gefaͤllet. Betrachten wir alſo eine einfache Reflexion, wozu die vorſtellende Kraft und das Gefuͤhl alles erforderliche vorbereitet hat, ſo iſt der Anſatz der Denkkraft zum Denken, die Aktion ſelbſt, und ihre Wirkung, das Urtheil, ſogleich un- mittelbar mit einander da, und alles, beſonders der
Aktus
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VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
daß die Thaͤtigkeit abgebrochen wird, und ihre Wirkung
zuruͤck bleibet.
Jch ſetze noch dieſe Anmerkung hinzu. Wenn das
Vergleichen der Jdeen Schwierigkeiten findet; wenn es
merklich lange dauert, bis das Urtheil zu Stande kommt;
ſo findet ſich, daß es den verglichenen Jdeen an der noͤ-
thigen Klarheit oder Deutlichkeit gefehlet habe, oder
auch an der noͤthigen Lebhaftigkeit und Staͤrke, die
ſie haben muͤſſen, um einander ſo nahe gebracht zu wer-
den, und um ſo lange gegenwaͤrtig zu ſeyn, bis ihre
Verhaͤltniß gewahrgenommen werden kann. Jch rede
nur noch von einfachen Urtheilen, nicht von Schluͤſſen.
Um dem letztern Mangel abzuhelfen, wird eine wieder-
holte und ſtaͤrkere Anſtrengung der Vorſtellungskraft er-
fordert; der erſte aber wird durch vorlaufende Reflexio-
nen gehoben, wodurch die in den Jdeen noch fehlende
Klarheit und Deutlichkeit bewirket wird. Jn einem ſol-
chen Fall, wo man vorher vieles an den Vorſtellungen
oder Jdeen arbeiten muß, bis man ſie zum Gewahrwer-
den ihres Verhaͤltniſſes einrichtet, da iſt der laͤngere Ak-
tus des Vergleichens in der That nichts anders, als ei-
ne groͤßere Menge einzelner gleichartiger Thaͤtigkeiten
der vorſtellenden und denkenden Kraft, die ſich auf die
Jdeen des Urtheils, einzeln genommen, verwendet.
Wenn es nun aber ſo weit iſt, daß zwo Jdeen ihre voͤl-
lige Klarheit, Deutlichkeit und Staͤrke erhalten haben,
ſo wird nichts mehr, als, ſo zu ſagen, ein einziger Blick
darauf, oder ein einziges Beſtreben der Denkkraft er-
fordert; und der Verhaͤltnißgedanke bey den Jdeen iſt
hervorgebracht und das Urtheil gefaͤllet. Betrachten
wir alſo eine einfache Reflexion, wozu die vorſtellende
Kraft und das Gefuͤhl alles erforderliche vorbereitet hat,
ſo iſt der Anſatz der Denkkraft zum Denken, die Aktion
ſelbſt, und ihre Wirkung, das Urtheil, ſogleich un-
mittelbar mit einander da, und alles, beſonders der
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/540>, abgerufen am 23.12.2024.
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