Dann ein Gemeinbild vom Leuchten, das aus andern vorhergegangenen Empfindungen abgesondert ist, und mit jenem sich ausnehmenden Zuge in der ge- genwärtigen Jmpression zusammenfällt. Zuweilen wird jenes mit diesem merklicher verglichen, überhaupt aber wird es reproducirt und damit vereiniget.
Hiezu kommt der Gemeinbegrif von einem äußern Objekt, der sich gleichfalls associirt, und das, was sonsten nur eine Beziehung der gegenwärtigen Eindrücke seyn würde, zu einem Urtheil über einen äußern Gegen- stand machet. *)
Die Verbindung solcher Gemeinbilder mit den ge- genwärtigen Eindrücken macht die puren Empfin- dungen erst zu Erfahrungen und Beobachtun- gen, als Erkenntnißarten äußerer Objekte. Dadurch hören die Beobachtungen noch nicht auf, reine Erfah- rungen, oder reine Empfindungsurtheile zu seyn; aber wie weit kann es mit jener Association gehen, wenn sie es nicht mehr seyn sollen?
Sind die gegenwärtigen Gefühle eben solche Jmpressionen, wie diejenigen, woraus der mit ihnen verbundene Gemeinbegrif abstrahiret worden ist, so müs- sen sie auch nothwendig unter diesem Bilde vorgestellet werden; so sind sie solche Dinge und solche Beschaffen- heiten, und werden als solche empfunden, wirklich ge- fühlet, wie sie alsdenn erscheinen, wenn die anders- woher genommene Abstraktion mit dem gegenwärtigen Eindruck zusammenfällt. Der Zug in dem Eindruck von dem Feuer, den ich das Leuchten nenne, ist so ein Zug, wie er es in allen übrigen Empfindungen gewesen ist, aus denen ich das Leuchten kenne, und also empfin- de ich gegenwärtig das Leuchten. Dieß ist eine reine Erfahrung; denn es ist dasselbige in der gegenwärtigen
Empfin-
*) Versuch 4. VI. Versuch 5. V.
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der ſinnlich. Kenntn. u. d. vernuͤnftigen.
Dann ein Gemeinbild vom Leuchten, das aus andern vorhergegangenen Empfindungen abgeſondert iſt, und mit jenem ſich ausnehmenden Zuge in der ge- genwaͤrtigen Jmpreſſion zuſammenfaͤllt. Zuweilen wird jenes mit dieſem merklicher verglichen, uͤberhaupt aber wird es reproducirt und damit vereiniget.
Hiezu kommt der Gemeinbegrif von einem aͤußern Objekt, der ſich gleichfalls aſſociirt, und das, was ſonſten nur eine Beziehung der gegenwaͤrtigen Eindruͤcke ſeyn wuͤrde, zu einem Urtheil uͤber einen aͤußern Gegen- ſtand machet. *)
Die Verbindung ſolcher Gemeinbilder mit den ge- genwaͤrtigen Eindruͤcken macht die puren Empfin- dungen erſt zu Erfahrungen und Beobachtun- gen, als Erkenntnißarten aͤußerer Objekte. Dadurch hoͤren die Beobachtungen noch nicht auf, reine Erfah- rungen, oder reine Empfindungsurtheile zu ſeyn; aber wie weit kann es mit jener Aſſociation gehen, wenn ſie es nicht mehr ſeyn ſollen?
Sind die gegenwaͤrtigen Gefuͤhle eben ſolche Jmpreſſionen, wie diejenigen, woraus der mit ihnen verbundene Gemeinbegrif abſtrahiret worden iſt, ſo muͤſ- ſen ſie auch nothwendig unter dieſem Bilde vorgeſtellet werden; ſo ſind ſie ſolche Dinge und ſolche Beſchaffen- heiten, und werden als ſolche empfunden, wirklich ge- fuͤhlet, wie ſie alsdenn erſcheinen, wenn die anders- woher genommene Abſtraktion mit dem gegenwaͤrtigen Eindruck zuſammenfaͤllt. Der Zug in dem Eindruck von dem Feuer, den ich das Leuchten nenne, iſt ſo ein Zug, wie er es in allen uͤbrigen Empfindungen geweſen iſt, aus denen ich das Leuchten kenne, und alſo empfin- de ich gegenwaͤrtig das Leuchten. Dieß iſt eine reine Erfahrung; denn es iſt daſſelbige in der gegenwaͤrtigen
Empfin-
*) Verſuch 4. VI. Verſuch 5. V.
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der ſinnlich. Kenntn. u. d. vernuͤnftigen.
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andern vorhergegangenen Empfindungen abgeſondert
iſt, und mit jenem ſich ausnehmenden Zuge in der ge-
genwaͤrtigen Jmpreſſion zuſammenfaͤllt. Zuweilen
wird jenes mit dieſem merklicher verglichen, uͤberhaupt
aber wird es reproducirt und damit vereiniget.
Hiezu kommt der Gemeinbegrif von einem aͤußern
Objekt, der ſich gleichfalls aſſociirt, und das, was
ſonſten nur eine Beziehung der gegenwaͤrtigen Eindruͤcke
ſeyn wuͤrde, zu einem Urtheil uͤber einen aͤußern Gegen-
ſtand machet. *)
Die Verbindung ſolcher Gemeinbilder mit den ge-
genwaͤrtigen Eindruͤcken macht die puren Empfin-
dungen erſt zu Erfahrungen und Beobachtun-
gen, als Erkenntnißarten aͤußerer Objekte. Dadurch
hoͤren die Beobachtungen noch nicht auf, reine Erfah-
rungen, oder reine Empfindungsurtheile zu ſeyn; aber
wie weit kann es mit jener Aſſociation gehen, wenn ſie
es nicht mehr ſeyn ſollen?
Sind die gegenwaͤrtigen Gefuͤhle eben ſolche
Jmpreſſionen, wie diejenigen, woraus der mit ihnen
verbundene Gemeinbegrif abſtrahiret worden iſt, ſo muͤſ-
ſen ſie auch nothwendig unter dieſem Bilde vorgeſtellet
werden; ſo ſind ſie ſolche Dinge und ſolche Beſchaffen-
heiten, und werden als ſolche empfunden, wirklich ge-
fuͤhlet, wie ſie alsdenn erſcheinen, wenn die anders-
woher genommene Abſtraktion mit dem gegenwaͤrtigen
Eindruck zuſammenfaͤllt. Der Zug in dem Eindruck
von dem Feuer, den ich das Leuchten nenne, iſt ſo ein
Zug, wie er es in allen uͤbrigen Empfindungen geweſen
iſt, aus denen ich das Leuchten kenne, und alſo empfin-
de ich gegenwaͤrtig das Leuchten. Dieß iſt eine reine
Erfahrung; denn es iſt daſſelbige in der gegenwaͤrtigen
Empfin-
*) Verſuch 4. VI. Verſuch 5. V.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/495>, abgerufen am 23.11.2024.
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