in der Seele veranlasset, und dessen Gefühl die Empfin- dung ausmacht. Ausflüsse der Körper, Salze, die auf- gelöset werden, und zitternde Bewegungen sind es, die im Riechen, Schmecken und Hören empfunden werden. Kann in diesen Eigenheiten der beiden erstern Sinne, in der Beschaffenheit der Dingarten, welche auf sie wirken, oder in der Art der Modifikation selbst, deren Gefühl in der Seele die Empfindung ausmacht, der Grund von dem obgedachten Unterschiede, daß sie für sich beste- hende Gegenstände darstellen, gesucht werden? Es scheinet nicht so. Nicht in der specifiken Verschiedenheit der Eindrücke, sondern in den verschiedenen Graden der Stärke, der Klarheit und Feinheit, und der davon ab- hangenden leichtern Reproducibilität kann man ihn an- treffen.
Und da meine ich offenbare sich dieser Grund deut- lich genug. Soll eine Empfindung zu denen gehören, woraus die Jdee von einem für sich vorhandenen Objekt gezogen worden ist, oder doch eben so wohl als aus andern gezogen werden können, so ist dieß ein Er- foderniß bey ihr "sie muß allein für sich, abgesondert "von andern, in der Seele vorhanden seyn, und auf ei- "ne Weile auf diese Art bestehen, und dann auch so ab- "gesondert und für sich allein wieder vorgestellet werden "können." Dazu aber ist es nöthig, daß sie in der Zeit, wenn sie vorhanden ist, das Empfindungsvermö- gen allein beschäftiget, in der Maße nemlich, daß sie kein anders gleichzeitiges, und bis zur Apperceptibilität starkes Gefühl neben sich erlaube, und während des Aktus des Gewahrnehmens die Seele des fühlenden We- sens allein ausfülle.
Jedwede äußere Empfindung, von einiger Stärke und Dauer, besitzet die Kraft, die Seele, auf eine Weile wenigstens, außer sich herauszuziehen, in der Maße, daß sie sich selbst als zurückwirkendes, vorstellendes, den-
kendes
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Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge.
in der Seele veranlaſſet, und deſſen Gefuͤhl die Empfin- dung ausmacht. Ausfluͤſſe der Koͤrper, Salze, die auf- geloͤſet werden, und zitternde Bewegungen ſind es, die im Riechen, Schmecken und Hoͤren empfunden werden. Kann in dieſen Eigenheiten der beiden erſtern Sinne, in der Beſchaffenheit der Dingarten, welche auf ſie wirken, oder in der Art der Modifikation ſelbſt, deren Gefuͤhl in der Seele die Empfindung ausmacht, der Grund von dem obgedachten Unterſchiede, daß ſie fuͤr ſich beſte- hende Gegenſtaͤnde darſtellen, geſucht werden? Es ſcheinet nicht ſo. Nicht in der ſpecifiken Verſchiedenheit der Eindruͤcke, ſondern in den verſchiedenen Graden der Staͤrke, der Klarheit und Feinheit, und der davon ab- hangenden leichtern Reproducibilitaͤt kann man ihn an- treffen.
Und da meine ich offenbare ſich dieſer Grund deut- lich genug. Soll eine Empfindung zu denen gehoͤren, woraus die Jdee von einem fuͤr ſich vorhandenen Objekt gezogen worden iſt, oder doch eben ſo wohl als aus andern gezogen werden koͤnnen, ſo iſt dieß ein Er- foderniß bey ihr „ſie muß allein fuͤr ſich, abgeſondert „von andern, in der Seele vorhanden ſeyn, und auf ei- „ne Weile auf dieſe Art beſtehen, und dann auch ſo ab- „geſondert und fuͤr ſich allein wieder vorgeſtellet werden „koͤnnen.“ Dazu aber iſt es noͤthig, daß ſie in der Zeit, wenn ſie vorhanden iſt, das Empfindungsvermoͤ- gen allein beſchaͤftiget, in der Maße nemlich, daß ſie kein anders gleichzeitiges, und bis zur Apperceptibilitaͤt ſtarkes Gefuͤhl neben ſich erlaube, und waͤhrend des Aktus des Gewahrnehmens die Seele des fuͤhlenden We- ſens allein ausfuͤlle.
Jedwede aͤußere Empfindung, von einiger Staͤrke und Dauer, beſitzet die Kraft, die Seele, auf eine Weile wenigſtens, außer ſich herauszuziehen, in der Maße, daß ſie ſich ſelbſt als zuruͤckwirkendes, vorſtellendes, den-
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Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge.
in der Seele veranlaſſet, und deſſen Gefuͤhl die Empfin-
dung ausmacht. Ausfluͤſſe der Koͤrper, Salze, die auf-
geloͤſet werden, und zitternde Bewegungen ſind es, die
im Riechen, Schmecken und Hoͤren empfunden werden.
Kann in dieſen Eigenheiten der beiden erſtern Sinne, in
der Beſchaffenheit der Dingarten, welche auf ſie wirken,
oder in der Art der Modifikation ſelbſt, deren Gefuͤhl in
der Seele die Empfindung ausmacht, der Grund von
dem obgedachten Unterſchiede, daß ſie fuͤr ſich beſte-
hende Gegenſtaͤnde darſtellen, geſucht werden? Es
ſcheinet nicht ſo. Nicht in der ſpecifiken Verſchiedenheit
der Eindruͤcke, ſondern in den verſchiedenen Graden der
Staͤrke, der Klarheit und Feinheit, und der davon ab-
hangenden leichtern Reproducibilitaͤt kann man ihn an-
treffen.
Und da meine ich offenbare ſich dieſer Grund deut-
lich genug. Soll eine Empfindung zu denen gehoͤren,
woraus die Jdee von einem fuͤr ſich vorhandenen
Objekt gezogen worden iſt, oder doch eben ſo wohl als
aus andern gezogen werden koͤnnen, ſo iſt dieß ein Er-
foderniß bey ihr „ſie muß allein fuͤr ſich, abgeſondert
„von andern, in der Seele vorhanden ſeyn, und auf ei-
„ne Weile auf dieſe Art beſtehen, und dann auch ſo ab-
„geſondert und fuͤr ſich allein wieder vorgeſtellet werden
„koͤnnen.“ Dazu aber iſt es noͤthig, daß ſie in der
Zeit, wenn ſie vorhanden iſt, das Empfindungsvermoͤ-
gen allein beſchaͤftiget, in der Maße nemlich, daß ſie
kein anders gleichzeitiges, und bis zur Apperceptibilitaͤt
ſtarkes Gefuͤhl neben ſich erlaube, und waͤhrend des
Aktus des Gewahrnehmens die Seele des fuͤhlenden We-
ſens allein ausfuͤlle.
Jedwede aͤußere Empfindung, von einiger Staͤrke
und Dauer, beſitzet die Kraft, die Seele, auf eine Weile
wenigſtens, außer ſich herauszuziehen, in der Maße,
daß ſie ſich ſelbſt als zuruͤckwirkendes, vorſtellendes, den-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/467>, abgerufen am 23.11.2024.
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