sind, eine äußere Substanz sey? dieß ist die zwote Frage, die aber am wenigsten Schwierigkeiten hat.
Weder Hume noch Berkeley würden gegen die Zuverlässigkeit unsers Urtheils in dem angeführten Bey- spiel, wie ich glaube, etwas mehr einwenden, wenn sie es als evident anerkennen müßten, daß mein gegenwär- tiges Gefühl, von einem äußern Körper, als die Mate- rie zu der Notion von einem äußern wirklichen Dinge detrachtet, den übrigen Empfindungen völlig ähnlich sey, aus welchen der gedachte Gemeinbegrif gemacht ist. Al- les, was in den Zweifelsgründen dieser Philosophen lie- get, wovon sie erwarten konnten, daß es nachdenkenden Personen als eine gegründete Bedenklichkeit gegen den lauten und unwiderstehlichen Ausspruch des gemeinen Menschenverstandes vorkommen solle, das mußte am Ende dahin ausgehen; daß wenn wir den äußern Din- gen eine objektivische Wirklichkeit zuschreiben, in eben dem Sinn, wie wir sie unserm Jch und seinen Beschaf- fenheiten beylegen, so müsse eine blos scheinbare oder mangelhafte Aehnlichkeit der Subjekte in unsern Vorstel- lungen uns blenden, die aber in der That nicht vorhan- den sey, und bey einem vorsichtigen Verfahren nicht an- getroffen werden würde.
Und daß diese gedachte Aehnlichkeit wirklich vorhan- den sey, das ist es, was in Hinsicht der Grundsätze, bey jedem für sich, zur völligen Evidenz gebracht wer- den muß, wenn man die Absicht hat, das System des Skeptikers und des Jdealisten in seinen ersten Gründen anzugreifen, und es selbst vor dem Anschaun der raison- nirenden Vernunft als grundleere Vernünfteley darzu- stellen. Die Hrn. Reid und Beattie haben diese Ab- sicht nicht erreicht, weil sie auf eine so unbestimmte Art den gemeinen Menschenverstand entgegensetzten, der für sich allein wohl immer den Sieg gegen Hume und Ber- keley behalten wird, daß auch alte von der wahren Phi-
losophie
V. Verſuch. Ueber den Urſpr. unſerer
ſind, eine aͤußere Subſtanz ſey? dieß iſt die zwote Frage, die aber am wenigſten Schwierigkeiten hat.
Weder Hume noch Berkeley wuͤrden gegen die Zuverlaͤſſigkeit unſers Urtheils in dem angefuͤhrten Bey- ſpiel, wie ich glaube, etwas mehr einwenden, wenn ſie es als evident anerkennen muͤßten, daß mein gegenwaͤr- tiges Gefuͤhl, von einem aͤußern Koͤrper, als die Mate- rie zu der Notion von einem aͤußern wirklichen Dinge detrachtet, den uͤbrigen Empfindungen voͤllig aͤhnlich ſey, aus welchen der gedachte Gemeinbegrif gemacht iſt. Al- les, was in den Zweifelsgruͤnden dieſer Philoſophen lie- get, wovon ſie erwarten konnten, daß es nachdenkenden Perſonen als eine gegruͤndete Bedenklichkeit gegen den lauten und unwiderſtehlichen Ausſpruch des gemeinen Menſchenverſtandes vorkommen ſolle, das mußte am Ende dahin ausgehen; daß wenn wir den aͤußern Din- gen eine objektiviſche Wirklichkeit zuſchreiben, in eben dem Sinn, wie wir ſie unſerm Jch und ſeinen Beſchaf- fenheiten beylegen, ſo muͤſſe eine blos ſcheinbare oder mangelhafte Aehnlichkeit der Subjekte in unſern Vorſtel- lungen uns blenden, die aber in der That nicht vorhan- den ſey, und bey einem vorſichtigen Verfahren nicht an- getroffen werden wuͤrde.
Und daß dieſe gedachte Aehnlichkeit wirklich vorhan- den ſey, das iſt es, was in Hinſicht der Grundſaͤtze, bey jedem fuͤr ſich, zur voͤlligen Evidenz gebracht wer- den muß, wenn man die Abſicht hat, das Syſtem des Skeptikers und des Jdealiſten in ſeinen erſten Gruͤnden anzugreifen, und es ſelbſt vor dem Anſchaun der raiſon- nirenden Vernunft als grundleere Vernuͤnfteley darzu- ſtellen. Die Hrn. Reid und Beattie haben dieſe Ab- ſicht nicht erreicht, weil ſie auf eine ſo unbeſtimmte Art den gemeinen Menſchenverſtand entgegenſetzten, der fuͤr ſich allein wohl immer den Sieg gegen Hume und Ber- keley behalten wird, daß auch alte von der wahren Phi-
loſophie
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V. Verſuch. Ueber den Urſpr. unſerer
ſind, eine aͤußere Subſtanz ſey? dieß iſt die zwote
Frage, die aber am wenigſten Schwierigkeiten hat.
Weder Hume noch Berkeley wuͤrden gegen die
Zuverlaͤſſigkeit unſers Urtheils in dem angefuͤhrten Bey-
ſpiel, wie ich glaube, etwas mehr einwenden, wenn ſie
es als evident anerkennen muͤßten, daß mein gegenwaͤr-
tiges Gefuͤhl, von einem aͤußern Koͤrper, als die Mate-
rie zu der Notion von einem aͤußern wirklichen Dinge
detrachtet, den uͤbrigen Empfindungen voͤllig aͤhnlich ſey,
aus welchen der gedachte Gemeinbegrif gemacht iſt. Al-
les, was in den Zweifelsgruͤnden dieſer Philoſophen lie-
get, wovon ſie erwarten konnten, daß es nachdenkenden
Perſonen als eine gegruͤndete Bedenklichkeit gegen den
lauten und unwiderſtehlichen Ausſpruch des gemeinen
Menſchenverſtandes vorkommen ſolle, das mußte am
Ende dahin ausgehen; daß wenn wir den aͤußern Din-
gen eine objektiviſche Wirklichkeit zuſchreiben, in eben
dem Sinn, wie wir ſie unſerm Jch und ſeinen Beſchaf-
fenheiten beylegen, ſo muͤſſe eine blos ſcheinbare oder
mangelhafte Aehnlichkeit der Subjekte in unſern Vorſtel-
lungen uns blenden, die aber in der That nicht vorhan-
den ſey, und bey einem vorſichtigen Verfahren nicht an-
getroffen werden wuͤrde.
Und daß dieſe gedachte Aehnlichkeit wirklich vorhan-
den ſey, das iſt es, was in Hinſicht der Grundſaͤtze,
bey jedem fuͤr ſich, zur voͤlligen Evidenz gebracht wer-
den muß, wenn man die Abſicht hat, das Syſtem des
Skeptikers und des Jdealiſten in ſeinen erſten Gruͤnden
anzugreifen, und es ſelbſt vor dem Anſchaun der raiſon-
nirenden Vernunft als grundleere Vernuͤnfteley darzu-
ſtellen. Die Hrn. Reid und Beattie haben dieſe Ab-
ſicht nicht erreicht, weil ſie auf eine ſo unbeſtimmte Art
den gemeinen Menſchenverſtand entgegenſetzten, der fuͤr
ſich allein wohl immer den Sieg gegen Hume und Ber-
keley behalten wird, daß auch alte von der wahren Phi-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/462>, abgerufen am 28.11.2024.
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