wenn sonsten alles einerley ist, schon hin. Die Abstrak- tion von der Objektivität in Hinsicht dieses ersten Merk- mals konnte also aus allen Arten von Empfindungen und Vorstellungen, die einander so weit ähnlich wären, als die Jdentität des Gegenstandes es mit sich brachte, er- halten werden. Und dieser Theil des Begrifs konnte vorhanden seyn, ehe der zweete entwickelt wurde, wie es wahrscheinlich sich bey den Kindern wirklich verhält, bey denen das Gefühl der Sache, und die gefühlte Sache selbst, als die Ursache von jenem, lange ununterschieden bleiben.
Was der Begrif von der Ursache und von der Ver- ursachung in sich enthalte, und bey welcher Art von Empfindungen und Vorstellungen die Denkkraft zuerst den Gedanken von der ursachlichen Verbindung hervor- bringe, ist anderswo weitläuftig von mir aus einander gesetzt. *) Hier bedarf es jenes völligen Begrifs nicht. Es ist genug, daß unter Ursache der Empfindung ein Ding gedacht wird, das von der Empfindung ver- schieden ist, aber diese zur Folge hat. Der unentwickel- teste Begrif von der Ursache war schon hinreichend, um diejenige Jdee vom Objekt zu bewirken, von deren Ent- stehungsart hier die Rede ist.
Und zu diesen Gedanken konnte und mußte jedwede neue Modifikation, welche aus der Seele selbst entstand, ihrer Natur nach, der Denkkraft die Veranlassung ge- ben. Denn jedwede aus innerer Kraft entstehende Ver- änderung führte auf Vorstellungen von den vorhergegan- genen Umständen, Bestrebungen und Beschaffenheiten, die mit ihr associiret sind. Da war also Gefühl eines gegenwärtigen Subjekts mit einer Beschaffenheit; dann Vorstellung eines vorigen Subjekts mit einer Beschaffen- heit, und dann Gefühl der Folge, so wie diese gefühler werden kann. Diese Gefühle und Vorstellungen zu Ge-
danken
*) Siehe den vierten Versuch IV.
Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge.
wenn ſonſten alles einerley iſt, ſchon hin. Die Abſtrak- tion von der Objektivitaͤt in Hinſicht dieſes erſten Merk- mals konnte alſo aus allen Arten von Empfindungen und Vorſtellungen, die einander ſo weit aͤhnlich waͤren, als die Jdentitaͤt des Gegenſtandes es mit ſich brachte, er- halten werden. Und dieſer Theil des Begrifs konnte vorhanden ſeyn, ehe der zweete entwickelt wurde, wie es wahrſcheinlich ſich bey den Kindern wirklich verhaͤlt, bey denen das Gefuͤhl der Sache, und die gefuͤhlte Sache ſelbſt, als die Urſache von jenem, lange ununterſchieden bleiben.
Was der Begrif von der Urſache und von der Ver- urſachung in ſich enthalte, und bey welcher Art von Empfindungen und Vorſtellungen die Denkkraft zuerſt den Gedanken von der urſachlichen Verbindung hervor- bringe, iſt anderswo weitlaͤuftig von mir aus einander geſetzt. *) Hier bedarf es jenes voͤlligen Begrifs nicht. Es iſt genug, daß unter Urſache der Empfindung ein Ding gedacht wird, das von der Empfindung ver- ſchieden iſt, aber dieſe zur Folge hat. Der unentwickel- teſte Begrif von der Urſache war ſchon hinreichend, um diejenige Jdee vom Objekt zu bewirken, von deren Ent- ſtehungsart hier die Rede iſt.
Und zu dieſen Gedanken konnte und mußte jedwede neue Modifikation, welche aus der Seele ſelbſt entſtand, ihrer Natur nach, der Denkkraft die Veranlaſſung ge- ben. Denn jedwede aus innerer Kraft entſtehende Ver- aͤnderung fuͤhrte auf Vorſtellungen von den vorhergegan- genen Umſtaͤnden, Beſtrebungen und Beſchaffenheiten, die mit ihr aſſociiret ſind. Da war alſo Gefuͤhl eines gegenwaͤrtigen Subjekts mit einer Beſchaffenheit; dann Vorſtellung eines vorigen Subjekts mit einer Beſchaffen- heit, und dann Gefuͤhl der Folge, ſo wie dieſe gefuͤhler werden kann. Dieſe Gefuͤhle und Vorſtellungen zu Ge-
danken
*) Siehe den vierten Verſuch IV.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0457"n="397"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge.</hi></fw><lb/>
wenn ſonſten alles einerley iſt, ſchon hin. Die Abſtrak-<lb/>
tion von der <hirendition="#fr">Objektivitaͤt</hi> in Hinſicht dieſes erſten Merk-<lb/>
mals konnte alſo aus allen Arten von Empfindungen und<lb/>
Vorſtellungen, die einander ſo weit aͤhnlich waͤren, als<lb/>
die Jdentitaͤt des Gegenſtandes es mit ſich brachte, er-<lb/>
halten werden. Und dieſer Theil des Begrifs konnte<lb/>
vorhanden ſeyn, ehe der zweete entwickelt wurde, wie es<lb/>
wahrſcheinlich ſich bey den Kindern wirklich verhaͤlt, bey<lb/>
denen das Gefuͤhl der Sache, und die gefuͤhlte Sache<lb/>ſelbſt, als die Urſache von jenem, lange ununterſchieden<lb/>
bleiben.</p><lb/><p>Was der Begrif von der <hirendition="#fr">Urſache</hi> und von der <hirendition="#fr">Ver-<lb/>
urſachung</hi> in ſich enthalte, und bey welcher Art von<lb/>
Empfindungen und Vorſtellungen die Denkkraft zuerſt<lb/>
den Gedanken von der urſachlichen Verbindung hervor-<lb/>
bringe, iſt anderswo weitlaͤuftig von mir aus einander<lb/>
geſetzt. <noteplace="foot"n="*)">Siehe den vierten Verſuch <hirendition="#aq">IV.</hi></note> Hier bedarf es jenes voͤlligen Begrifs nicht.<lb/>
Es iſt genug, daß unter <hirendition="#fr">Urſache der Empfindung</hi><lb/>
ein Ding gedacht wird, das von der Empfindung ver-<lb/>ſchieden iſt, aber dieſe zur Folge hat. Der unentwickel-<lb/>
teſte Begrif von der Urſache war ſchon hinreichend, um<lb/>
diejenige <hirendition="#fr">Jdee</hi> vom Objekt zu bewirken, von deren Ent-<lb/>ſtehungsart hier die Rede iſt.</p><lb/><p>Und zu dieſen Gedanken konnte und mußte jedwede<lb/>
neue Modifikation, welche aus der Seele ſelbſt entſtand,<lb/>
ihrer Natur nach, der Denkkraft die Veranlaſſung ge-<lb/>
ben. Denn jedwede aus innerer Kraft entſtehende Ver-<lb/>
aͤnderung fuͤhrte auf Vorſtellungen von den vorhergegan-<lb/>
genen Umſtaͤnden, Beſtrebungen und Beſchaffenheiten,<lb/>
die mit ihr aſſociiret ſind. Da war alſo Gefuͤhl eines<lb/>
gegenwaͤrtigen Subjekts mit einer Beſchaffenheit; dann<lb/>
Vorſtellung eines vorigen Subjekts mit einer Beſchaffen-<lb/>
heit, und dann Gefuͤhl der Folge, ſo wie dieſe gefuͤhler<lb/>
werden kann. Dieſe Gefuͤhle und Vorſtellungen zu Ge-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">danken</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[397/0457]
Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge.
wenn ſonſten alles einerley iſt, ſchon hin. Die Abſtrak-
tion von der Objektivitaͤt in Hinſicht dieſes erſten Merk-
mals konnte alſo aus allen Arten von Empfindungen und
Vorſtellungen, die einander ſo weit aͤhnlich waͤren, als
die Jdentitaͤt des Gegenſtandes es mit ſich brachte, er-
halten werden. Und dieſer Theil des Begrifs konnte
vorhanden ſeyn, ehe der zweete entwickelt wurde, wie es
wahrſcheinlich ſich bey den Kindern wirklich verhaͤlt, bey
denen das Gefuͤhl der Sache, und die gefuͤhlte Sache
ſelbſt, als die Urſache von jenem, lange ununterſchieden
bleiben.
Was der Begrif von der Urſache und von der Ver-
urſachung in ſich enthalte, und bey welcher Art von
Empfindungen und Vorſtellungen die Denkkraft zuerſt
den Gedanken von der urſachlichen Verbindung hervor-
bringe, iſt anderswo weitlaͤuftig von mir aus einander
geſetzt. *) Hier bedarf es jenes voͤlligen Begrifs nicht.
Es iſt genug, daß unter Urſache der Empfindung
ein Ding gedacht wird, das von der Empfindung ver-
ſchieden iſt, aber dieſe zur Folge hat. Der unentwickel-
teſte Begrif von der Urſache war ſchon hinreichend, um
diejenige Jdee vom Objekt zu bewirken, von deren Ent-
ſtehungsart hier die Rede iſt.
Und zu dieſen Gedanken konnte und mußte jedwede
neue Modifikation, welche aus der Seele ſelbſt entſtand,
ihrer Natur nach, der Denkkraft die Veranlaſſung ge-
ben. Denn jedwede aus innerer Kraft entſtehende Ver-
aͤnderung fuͤhrte auf Vorſtellungen von den vorhergegan-
genen Umſtaͤnden, Beſtrebungen und Beſchaffenheiten,
die mit ihr aſſociiret ſind. Da war alſo Gefuͤhl eines
gegenwaͤrtigen Subjekts mit einer Beſchaffenheit; dann
Vorſtellung eines vorigen Subjekts mit einer Beſchaffen-
heit, und dann Gefuͤhl der Folge, ſo wie dieſe gefuͤhler
werden kann. Dieſe Gefuͤhle und Vorſtellungen zu Ge-
danken
*) Siehe den vierten Verſuch IV.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/457>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.