Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

V. Versuch. Ueber den Urspr. unserer
wickelung und Bestimmung, wozu die Nebenideen von
Ort und Zeit, oder von Jrgendwo und Jrgendwie,
und von der vollständigen innern Bestimmung (de-
terminatio omnimoda
) gehören. Diese letztern Zusä-
tze bestehen wiederum in Beziehungen, welche die Denk-
kraft hinzufüget, wenn sie soweit ist, daß sie das Wirk-
liche
mit dem Unwirklichen, oder mit dem blos Vor-
gestellten vergleichen kann.

Die Abstraktion von dem gefühlet werden, kann
man aus jedweder Empfindung nehmen. Die Jdee von
einem Subjekt -- denn so bald wir auch eine Be-
schaffenheit
einer Sache, als etwas wirkliches uns vor-
stellen, gedenken wir sie als ein Subjekt, oder Ding,
dem eine Beschaffenheit, die Wirklichkeit nemlich, zu-
kommt, -- ist schon vorhanden. Es ist also der Ur-
sprung des dritten Jngredienz noch übrig. Wie entste-
het der Gedanke von einem Objekt, das ist, von einem
Dinge, welches von der Empfindung und Vorstellung
von ihm unterschieden ist, und jene hervorbringet, oder
hervorbringen kann?

Also erfodert der Begrif von einem Objekt, erstlich
die Bemerkung des Unterschiedes zwischen Sache oder
Ding und zwischen einer Vorstellung davon; dann
zweytens das Unterscheiden einer Sache, und des von
ihr entstehenden Gefühls, das ist, einen Gedanken von
ursachlicher Verbindung.

Das Unterscheiden, als ein Gedanke von Ver-
schiedenheit entstehet aus der Vergleichung. So bald
eine Vorstellung, das ist, ein wieder erneuerter Abdruck
eines vorigen Zustandes, ein Phantasma, mit einem
Gefühl eines gegenwärtigen ähnlichen Zustandes vergli-
chen wird, so muß der Gedanke; daß Vorstellung und
Sache unterschieden sind, hervorgehen. Dazu reichet
die natürliche Verschiedenheit der schwachen Vorstellung
des Vergangenen mit dem Gefühl des Gegenwärtigen,

wenn

V. Verſuch. Ueber den Urſpr. unſerer
wickelung und Beſtimmung, wozu die Nebenideen von
Ort und Zeit, oder von Jrgendwo und Jrgendwie,
und von der vollſtaͤndigen innern Beſtimmung (de-
terminatio omnimoda
) gehoͤren. Dieſe letztern Zuſaͤ-
tze beſtehen wiederum in Beziehungen, welche die Denk-
kraft hinzufuͤget, wenn ſie ſoweit iſt, daß ſie das Wirk-
liche
mit dem Unwirklichen, oder mit dem blos Vor-
geſtellten vergleichen kann.

Die Abſtraktion von dem gefuͤhlet werden, kann
man aus jedweder Empfindung nehmen. Die Jdee von
einem Subjekt — denn ſo bald wir auch eine Be-
ſchaffenheit
einer Sache, als etwas wirkliches uns vor-
ſtellen, gedenken wir ſie als ein Subjekt, oder Ding,
dem eine Beſchaffenheit, die Wirklichkeit nemlich, zu-
kommt, — iſt ſchon vorhanden. Es iſt alſo der Ur-
ſprung des dritten Jngredienz noch uͤbrig. Wie entſte-
het der Gedanke von einem Objekt, das iſt, von einem
Dinge, welches von der Empfindung und Vorſtellung
von ihm unterſchieden iſt, und jene hervorbringet, oder
hervorbringen kann?

Alſo erfodert der Begrif von einem Objekt, erſtlich
die Bemerkung des Unterſchiedes zwiſchen Sache oder
Ding und zwiſchen einer Vorſtellung davon; dann
zweytens das Unterſcheiden einer Sache, und des von
ihr entſtehenden Gefuͤhls, das iſt, einen Gedanken von
urſachlicher Verbindung.

Das Unterſcheiden, als ein Gedanke von Ver-
ſchiedenheit entſtehet aus der Vergleichung. So bald
eine Vorſtellung, das iſt, ein wieder erneuerter Abdruck
eines vorigen Zuſtandes, ein Phantasma, mit einem
Gefuͤhl eines gegenwaͤrtigen aͤhnlichen Zuſtandes vergli-
chen wird, ſo muß der Gedanke; daß Vorſtellung und
Sache unterſchieden ſind, hervorgehen. Dazu reichet
die natuͤrliche Verſchiedenheit der ſchwachen Vorſtellung
des Vergangenen mit dem Gefuͤhl des Gegenwaͤrtigen,

wenn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0456" n="396"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">V.</hi> Ver&#x017F;uch. Ueber den Ur&#x017F;pr. un&#x017F;erer</hi></fw><lb/>
wickelung und Be&#x017F;timmung, wozu die Nebenideen von<lb/>
Ort und Zeit, oder von <hi rendition="#fr">Jrgendwo</hi> und <hi rendition="#fr">Jrgendwie,</hi><lb/>
und von der <hi rendition="#fr">voll&#x017F;ta&#x0364;ndigen innern Be&#x017F;timmung</hi> (<hi rendition="#aq">de-<lb/>
terminatio omnimoda</hi>) geho&#x0364;ren. Die&#x017F;e letztern Zu&#x017F;a&#x0364;-<lb/>
tze be&#x017F;tehen wiederum in Beziehungen, welche die Denk-<lb/>
kraft hinzufu&#x0364;get, wenn &#x017F;ie &#x017F;oweit i&#x017F;t, daß &#x017F;ie das <hi rendition="#fr">Wirk-<lb/>
liche</hi> mit dem <hi rendition="#fr">Unwirklichen,</hi> oder mit dem blos Vor-<lb/>
ge&#x017F;tellten vergleichen kann.</p><lb/>
          <p>Die Ab&#x017F;traktion von dem <hi rendition="#fr">gefu&#x0364;hlet werden,</hi> kann<lb/>
man aus jedweder Empfindung nehmen. Die Jdee von<lb/>
einem <hi rendition="#fr">Subjekt</hi> &#x2014; denn &#x017F;o bald wir auch eine <hi rendition="#fr">Be-<lb/>
&#x017F;chaffenheit</hi> einer Sache, als etwas wirkliches uns vor-<lb/>
&#x017F;tellen, gedenken wir &#x017F;ie als ein Subjekt, oder <hi rendition="#fr">Ding,</hi><lb/>
dem eine Be&#x017F;chaffenheit, die Wirklichkeit nemlich, zu-<lb/>
kommt, &#x2014; i&#x017F;t &#x017F;chon vorhanden. Es i&#x017F;t al&#x017F;o der Ur-<lb/>
&#x017F;prung des dritten Jngredienz noch u&#x0364;brig. Wie ent&#x017F;te-<lb/>
het der Gedanke von einem <hi rendition="#fr">Objekt,</hi> das i&#x017F;t, von einem<lb/>
Dinge, welches von der Empfindung und Vor&#x017F;tellung<lb/>
von ihm unter&#x017F;chieden i&#x017F;t, und jene hervorbringet, oder<lb/>
hervorbringen kann?</p><lb/>
          <p>Al&#x017F;o erfodert der Begrif von einem Objekt, er&#x017F;tlich<lb/>
die Bemerkung des Unter&#x017F;chiedes zwi&#x017F;chen Sache oder<lb/>
Ding und zwi&#x017F;chen einer <hi rendition="#fr">Vor&#x017F;tellung</hi> davon; dann<lb/>
zweytens das Unter&#x017F;cheiden einer <hi rendition="#fr">Sache,</hi> und des von<lb/>
ihr ent&#x017F;tehenden <hi rendition="#fr">Gefu&#x0364;hls,</hi> das i&#x017F;t, einen Gedanken von<lb/><hi rendition="#fr">ur&#x017F;achlicher</hi> Verbindung.</p><lb/>
          <p>Das <hi rendition="#fr">Unter&#x017F;cheiden,</hi> als ein Gedanke von Ver-<lb/>
&#x017F;chiedenheit ent&#x017F;tehet aus der Vergleichung. So bald<lb/>
eine Vor&#x017F;tellung, das i&#x017F;t, ein wieder erneuerter Abdruck<lb/>
eines vorigen Zu&#x017F;tandes, ein Phantasma, mit einem<lb/>
Gefu&#x0364;hl eines gegenwa&#x0364;rtigen a&#x0364;hnlichen Zu&#x017F;tandes vergli-<lb/>
chen wird, &#x017F;o muß der Gedanke; daß <hi rendition="#fr">Vor&#x017F;tellung</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">Sache</hi> unter&#x017F;chieden &#x017F;ind, hervorgehen. Dazu reichet<lb/>
die natu&#x0364;rliche Ver&#x017F;chiedenheit der &#x017F;chwachen Vor&#x017F;tellung<lb/>
des Vergangenen mit dem Gefu&#x0364;hl des Gegenwa&#x0364;rtigen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wenn</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[396/0456] V. Verſuch. Ueber den Urſpr. unſerer wickelung und Beſtimmung, wozu die Nebenideen von Ort und Zeit, oder von Jrgendwo und Jrgendwie, und von der vollſtaͤndigen innern Beſtimmung (de- terminatio omnimoda) gehoͤren. Dieſe letztern Zuſaͤ- tze beſtehen wiederum in Beziehungen, welche die Denk- kraft hinzufuͤget, wenn ſie ſoweit iſt, daß ſie das Wirk- liche mit dem Unwirklichen, oder mit dem blos Vor- geſtellten vergleichen kann. Die Abſtraktion von dem gefuͤhlet werden, kann man aus jedweder Empfindung nehmen. Die Jdee von einem Subjekt — denn ſo bald wir auch eine Be- ſchaffenheit einer Sache, als etwas wirkliches uns vor- ſtellen, gedenken wir ſie als ein Subjekt, oder Ding, dem eine Beſchaffenheit, die Wirklichkeit nemlich, zu- kommt, — iſt ſchon vorhanden. Es iſt alſo der Ur- ſprung des dritten Jngredienz noch uͤbrig. Wie entſte- het der Gedanke von einem Objekt, das iſt, von einem Dinge, welches von der Empfindung und Vorſtellung von ihm unterſchieden iſt, und jene hervorbringet, oder hervorbringen kann? Alſo erfodert der Begrif von einem Objekt, erſtlich die Bemerkung des Unterſchiedes zwiſchen Sache oder Ding und zwiſchen einer Vorſtellung davon; dann zweytens das Unterſcheiden einer Sache, und des von ihr entſtehenden Gefuͤhls, das iſt, einen Gedanken von urſachlicher Verbindung. Das Unterſcheiden, als ein Gedanke von Ver- ſchiedenheit entſtehet aus der Vergleichung. So bald eine Vorſtellung, das iſt, ein wieder erneuerter Abdruck eines vorigen Zuſtandes, ein Phantasma, mit einem Gefuͤhl eines gegenwaͤrtigen aͤhnlichen Zuſtandes vergli- chen wird, ſo muß der Gedanke; daß Vorſtellung und Sache unterſchieden ſind, hervorgehen. Dazu reichet die natuͤrliche Verſchiedenheit der ſchwachen Vorſtellung des Vergangenen mit dem Gefuͤhl des Gegenwaͤrtigen, wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/456
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/456>, abgerufen am 21.11.2024.