Ganzes Eins, ein wirkliches Ding sey. Und hier- inn besteht es, was ihm seine Gegner zur Last gelegt ha- ben, er habe sogar die Existenz der Seele wegver- nünftelt, und nur die Wirklichkeit seiner Gedanken und Veränderungen eingestanden. Allerdings war dieß die äußerste Grenze in dem raisonnirenden Skepti- cismus.
Was die Hrn. Reid und Beattie ihm entgegen gesetzet, ist bekannt, nemlich, daß dieß wider den Men- schenverstand sey. Die Antwort ist nicht unrichtig, nur unphilosophisch, so lange noch eine andere möglich ist, welche zugleich auch den Grund von dem Jrrthum an- giebet.
Es verhält sich nicht so, wie es Hr. Hume angege- ben hat, und dieß kann man behaupten, ohne etwas mehr für wirklich vorhanden anzunehmen, als was er selbst dafür erkennet; nur so viel nemlich, als wir uns un- mittelbar bewußt sind. Hr. Hume hat aber einen wichtigen Umstand übersehen.
Jch fühle eine Vorstellung; noch eine andere, auch eine Denkungsthätigkeit, eine Willensäußerung, u. s. w. und diese Empfindungen sind unterschieden, und wirklich. Aber ich empfinde noch mehr.
So oft ich eine Vorstellung empfinde, gewahrneh- me, und mich ihrer unmittelbar bewußt bin, so bin ich mir eben so gut bewußt, daß dieß Gefühl meiner Mo- difikation nur ein hervorstechender Zug in einem viel größern, ausgebreitetern, stärkern, obgleich in seinen übrigen Theilen dunklen, oder doch wenig klaren Gefühl sey; und dieses letztere bin ich mir eben so bewußt, und auf dieselbige Art, wie ich es in Hinsicht der besonders gewahrgenommenen einzelnen Beschaffenheit nur immer seyn kann, so nemlich wie man sich überhaupt einer Sa- che unmittelbar bewußt seyn kann. Jch habe also eine solche Empfindung, die mich auf die nemliche Art zu
dem
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Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge.
Ganzes Eins, ein wirkliches Ding ſey. Und hier- inn beſteht es, was ihm ſeine Gegner zur Laſt gelegt ha- ben, er habe ſogar die Exiſtenz der Seele wegver- nuͤnftelt, und nur die Wirklichkeit ſeiner Gedanken und Veraͤnderungen eingeſtanden. Allerdings war dieß die aͤußerſte Grenze in dem raiſonnirenden Skepti- cismus.
Was die Hrn. Reid und Beattie ihm entgegen geſetzet, iſt bekannt, nemlich, daß dieß wider den Men- ſchenverſtand ſey. Die Antwort iſt nicht unrichtig, nur unphiloſophiſch, ſo lange noch eine andere moͤglich iſt, welche zugleich auch den Grund von dem Jrrthum an- giebet.
Es verhaͤlt ſich nicht ſo, wie es Hr. Hume angege- ben hat, und dieß kann man behaupten, ohne etwas mehr fuͤr wirklich vorhanden anzunehmen, als was er ſelbſt dafuͤr erkennet; nur ſo viel nemlich, als wir uns un- mittelbar bewußt ſind. Hr. Hume hat aber einen wichtigen Umſtand uͤberſehen.
Jch fuͤhle eine Vorſtellung; noch eine andere, auch eine Denkungsthaͤtigkeit, eine Willensaͤußerung, u. ſ. w. und dieſe Empfindungen ſind unterſchieden, und wirklich. Aber ich empfinde noch mehr.
So oft ich eine Vorſtellung empfinde, gewahrneh- me, und mich ihrer unmittelbar bewußt bin, ſo bin ich mir eben ſo gut bewußt, daß dieß Gefuͤhl meiner Mo- difikation nur ein hervorſtechender Zug in einem viel groͤßern, ausgebreitetern, ſtaͤrkern, obgleich in ſeinen uͤbrigen Theilen dunklen, oder doch wenig klaren Gefuͤhl ſey; und dieſes letztere bin ich mir eben ſo bewußt, und auf dieſelbige Art, wie ich es in Hinſicht der beſonders gewahrgenommenen einzelnen Beſchaffenheit nur immer ſeyn kann, ſo nemlich wie man ſich uͤberhaupt einer Sa- che unmittelbar bewußt ſeyn kann. Jch habe alſo eine ſolche Empfindung, die mich auf die nemliche Art zu
dem
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Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge.
Ganzes Eins, ein wirkliches Ding ſey. Und hier-
inn beſteht es, was ihm ſeine Gegner zur Laſt gelegt ha-
ben, er habe ſogar die Exiſtenz der Seele wegver-
nuͤnftelt, und nur die Wirklichkeit ſeiner Gedanken
und Veraͤnderungen eingeſtanden. Allerdings war
dieß die aͤußerſte Grenze in dem raiſonnirenden Skepti-
cismus.
Was die Hrn. Reid und Beattie ihm entgegen
geſetzet, iſt bekannt, nemlich, daß dieß wider den Men-
ſchenverſtand ſey. Die Antwort iſt nicht unrichtig, nur
unphiloſophiſch, ſo lange noch eine andere moͤglich iſt,
welche zugleich auch den Grund von dem Jrrthum an-
giebet.
Es verhaͤlt ſich nicht ſo, wie es Hr. Hume angege-
ben hat, und dieß kann man behaupten, ohne etwas mehr
fuͤr wirklich vorhanden anzunehmen, als was er ſelbſt
dafuͤr erkennet; nur ſo viel nemlich, als wir uns un-
mittelbar bewußt ſind. Hr. Hume hat aber einen
wichtigen Umſtand uͤberſehen.
Jch fuͤhle eine Vorſtellung; noch eine andere, auch
eine Denkungsthaͤtigkeit, eine Willensaͤußerung, u. ſ. w.
und dieſe Empfindungen ſind unterſchieden, und wirklich.
Aber ich empfinde noch mehr.
So oft ich eine Vorſtellung empfinde, gewahrneh-
me, und mich ihrer unmittelbar bewußt bin, ſo bin ich
mir eben ſo gut bewußt, daß dieß Gefuͤhl meiner Mo-
difikation nur ein hervorſtechender Zug in einem viel
groͤßern, ausgebreitetern, ſtaͤrkern, obgleich in ſeinen
uͤbrigen Theilen dunklen, oder doch wenig klaren Gefuͤhl
ſey; und dieſes letztere bin ich mir eben ſo bewußt, und
auf dieſelbige Art, wie ich es in Hinſicht der beſonders
gewahrgenommenen einzelnen Beſchaffenheit nur immer
ſeyn kann, ſo nemlich wie man ſich uͤberhaupt einer Sa-
che unmittelbar bewußt ſeyn kann. Jch habe alſo eine
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/453>, abgerufen am 18.12.2024.
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