Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite
V. Versuch. Ueber den Urspr. unserer
III.
Welche Entwickelung der Gedanken erfodert wer-
de, um zur Unterscheidung der subjektivischen
und objektivischen Existenz der Dinge zu ge-
langen.

Bey dieser Entwickelung der Denkkraft lassen sich fol-
gende Schritte unterscheiden.

Da anfangs der ganze Jnbegrif von Empfindungen
und Empfindungsvorstellungen, mit welchen sich eigent-
lich der Aktus der Denkkraft verbindet, so wohl der in-
nern
als äußern Empfindungen, derer die aus unserm
eigenen
Körper und derer die von fremden entstehen,
unabgesondert und unauseinandergesetzt; fast wie Eine
ganze Empfindung vorhanden war, so mußte die erste
Wirkung der Seele auf sie darinn bestehen, daß sie ver-
theilet und in verschiedene Haufen gesondert wurden.
Dieß geschah, und zwar so, daß die Jnnern Empfin-
dungen zu Einer Klasse; die Aeußern aus unserm Kör-
per zu Einer andern, und die von fremden Objekten
zu Einer dritten gebracht, und dann als unterschiedene
Arten gewahrgenommen wurden. Von hier an gieng
die Denkkraft weiter. Sie machte sich eine Jdee von
Jhrem Selbst und Jhrem Jnnern; sie erhielt eine
andere von Jhrem Körper, und eine dritte von ei-
nem äußern Objekt; und da sie nun die einzelnen Em-
pfindungen auf diese Begriffe von Sich, von Jhrem
Körper und dem äußern Objekt bezog, so entstanden die
Urtheile über die subjektivische und objektivische Existenz
der empfundenen Objekte.

Um diese Schritte deutlich zu begreifen, wird erfo-
dert,

1) Daß man einsehe, durch welche Vermögen und
nach welchen Wirkungsgesetzen die Absonderung und

Ver-
V. Verſuch. Ueber den Urſpr. unſerer
III.
Welche Entwickelung der Gedanken erfodert wer-
de, um zur Unterſcheidung der ſubjektiviſchen
und objektiviſchen Exiſtenz der Dinge zu ge-
langen.

Bey dieſer Entwickelung der Denkkraft laſſen ſich fol-
gende Schritte unterſcheiden.

Da anfangs der ganze Jnbegrif von Empfindungen
und Empfindungsvorſtellungen, mit welchen ſich eigent-
lich der Aktus der Denkkraft verbindet, ſo wohl der in-
nern
als aͤußern Empfindungen, derer die aus unſerm
eigenen
Koͤrper und derer die von fremden entſtehen,
unabgeſondert und unauseinandergeſetzt; faſt wie Eine
ganze Empfindung vorhanden war, ſo mußte die erſte
Wirkung der Seele auf ſie darinn beſtehen, daß ſie ver-
theilet und in verſchiedene Haufen geſondert wurden.
Dieß geſchah, und zwar ſo, daß die Jnnern Empfin-
dungen zu Einer Klaſſe; die Aeußern aus unſerm Koͤr-
per zu Einer andern, und die von fremden Objekten
zu Einer dritten gebracht, und dann als unterſchiedene
Arten gewahrgenommen wurden. Von hier an gieng
die Denkkraft weiter. Sie machte ſich eine Jdee von
Jhrem Selbſt und Jhrem Jnnern; ſie erhielt eine
andere von Jhrem Koͤrper, und eine dritte von ei-
nem aͤußern Objekt; und da ſie nun die einzelnen Em-
pfindungen auf dieſe Begriffe von Sich, von Jhrem
Koͤrper und dem aͤußern Objekt bezog, ſo entſtanden die
Urtheile uͤber die ſubjektiviſche und objektiviſche Exiſtenz
der empfundenen Objekte.

Um dieſe Schritte deutlich zu begreifen, wird erfo-
dert,

1) Daß man einſehe, durch welche Vermoͤgen und
nach welchen Wirkungsgeſetzen die Abſonderung und

Ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0440" n="380"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">V.</hi> Ver&#x017F;uch. Ueber den Ur&#x017F;pr. un&#x017F;erer</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">III.</hi><lb/>
Welche Entwickelung der Gedanken erfodert wer-<lb/>
de, um zur Unter&#x017F;cheidung der &#x017F;ubjektivi&#x017F;chen<lb/>
und objektivi&#x017F;chen Exi&#x017F;tenz der Dinge zu ge-<lb/>
langen.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">B</hi>ey die&#x017F;er Entwickelung der Denkkraft la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich fol-<lb/>
gende Schritte unter&#x017F;cheiden.</p><lb/>
          <p>Da anfangs der ganze Jnbegrif von Empfindungen<lb/>
und Empfindungsvor&#x017F;tellungen, mit welchen &#x017F;ich eigent-<lb/>
lich der Aktus der Denkkraft verbindet, &#x017F;o wohl der <hi rendition="#fr">in-<lb/>
nern</hi> als <hi rendition="#fr">a&#x0364;ußern</hi> Empfindungen, derer die aus <hi rendition="#fr">un&#x017F;erm<lb/>
eigenen</hi> Ko&#x0364;rper und derer die <hi rendition="#fr">von fremden</hi> ent&#x017F;tehen,<lb/>
unabge&#x017F;ondert und unauseinanderge&#x017F;etzt; fa&#x017F;t wie <hi rendition="#fr">Eine</hi><lb/>
ganze Empfindung vorhanden war, &#x017F;o mußte die <hi rendition="#fr">er&#x017F;te</hi><lb/>
Wirkung der Seele auf &#x017F;ie darinn be&#x017F;tehen, daß &#x017F;ie ver-<lb/>
theilet und in <hi rendition="#fr">ver&#x017F;chiedene Haufen</hi> ge&#x017F;ondert wurden.<lb/>
Dieß ge&#x017F;chah, und zwar &#x017F;o, daß die <hi rendition="#fr">Jnnern</hi> Empfin-<lb/>
dungen zu Einer Kla&#x017F;&#x017F;e; die <hi rendition="#fr">Aeußern</hi> aus un&#x017F;erm Ko&#x0364;r-<lb/>
per zu Einer andern, und die von <hi rendition="#fr">fremden Objekten</hi><lb/>
zu Einer dritten gebracht, und dann als unter&#x017F;chiedene<lb/>
Arten gewahrgenommen wurden. Von hier an gieng<lb/>
die Denkkraft weiter. Sie machte &#x017F;ich eine Jdee von<lb/><hi rendition="#fr">Jhrem Selb&#x017F;t</hi> und <hi rendition="#fr">Jhrem Jnnern;</hi> &#x017F;ie erhielt eine<lb/>
andere von <hi rendition="#fr">Jhrem Ko&#x0364;rper,</hi> und eine dritte von ei-<lb/>
nem <hi rendition="#fr">a&#x0364;ußern Objekt;</hi> und da &#x017F;ie nun die einzelnen Em-<lb/>
pfindungen auf die&#x017F;e Begriffe von Sich, von Jhrem<lb/>
Ko&#x0364;rper und dem a&#x0364;ußern Objekt bezog, &#x017F;o ent&#x017F;tanden die<lb/>
Urtheile u&#x0364;ber die &#x017F;ubjektivi&#x017F;che und objektivi&#x017F;che Exi&#x017F;tenz<lb/>
der empfundenen Objekte.</p><lb/>
          <p>Um die&#x017F;e Schritte deutlich zu begreifen, wird erfo-<lb/>
dert,</p><lb/>
          <p>1) Daß man ein&#x017F;ehe, durch welche <hi rendition="#fr">Vermo&#x0364;gen</hi> und<lb/>
nach welchen <hi rendition="#fr">Wirkungsge&#x017F;etzen</hi> die Ab&#x017F;onderung und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[380/0440] V. Verſuch. Ueber den Urſpr. unſerer III. Welche Entwickelung der Gedanken erfodert wer- de, um zur Unterſcheidung der ſubjektiviſchen und objektiviſchen Exiſtenz der Dinge zu ge- langen. Bey dieſer Entwickelung der Denkkraft laſſen ſich fol- gende Schritte unterſcheiden. Da anfangs der ganze Jnbegrif von Empfindungen und Empfindungsvorſtellungen, mit welchen ſich eigent- lich der Aktus der Denkkraft verbindet, ſo wohl der in- nern als aͤußern Empfindungen, derer die aus unſerm eigenen Koͤrper und derer die von fremden entſtehen, unabgeſondert und unauseinandergeſetzt; faſt wie Eine ganze Empfindung vorhanden war, ſo mußte die erſte Wirkung der Seele auf ſie darinn beſtehen, daß ſie ver- theilet und in verſchiedene Haufen geſondert wurden. Dieß geſchah, und zwar ſo, daß die Jnnern Empfin- dungen zu Einer Klaſſe; die Aeußern aus unſerm Koͤr- per zu Einer andern, und die von fremden Objekten zu Einer dritten gebracht, und dann als unterſchiedene Arten gewahrgenommen wurden. Von hier an gieng die Denkkraft weiter. Sie machte ſich eine Jdee von Jhrem Selbſt und Jhrem Jnnern; ſie erhielt eine andere von Jhrem Koͤrper, und eine dritte von ei- nem aͤußern Objekt; und da ſie nun die einzelnen Em- pfindungen auf dieſe Begriffe von Sich, von Jhrem Koͤrper und dem aͤußern Objekt bezog, ſo entſtanden die Urtheile uͤber die ſubjektiviſche und objektiviſche Exiſtenz der empfundenen Objekte. Um dieſe Schritte deutlich zu begreifen, wird erfo- dert, 1) Daß man einſehe, durch welche Vermoͤgen und nach welchen Wirkungsgeſetzen die Abſonderung und Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/440
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/440>, abgerufen am 22.12.2024.