Ein Ding ist mit dem andern auf eine gewisse Weise koexistirend.
Diese Form hat man vermindert, und alle auf die erste- re gebracht, indem man die Verhältnisse zu den Prädi- katen hingezogen hat. Aber die erste Form hat man sich so vorgestellet, als wenn das Prädikat etwas ist, welches mit dem Subjekt verglichen wird, und mit diesem oder mit einem Theil desselben als einerley, oder als verschieden davon, vorgestellet wird. Das Feuer brennet; dieß soll ein Gedanke seyn, der aus der Ver- gleichung der Jdee von dem Feuer, mit der Jdee von dem Brennen entstanden ist.
So eine Vergleichung findet wirklich statt, so bald eine allgemeine Notion vom Brennen in uns ist. Der Satz, das Feuer brennet, heißt in der That nichts an- ders, als so viel, das Feuer hat eine Beschaffenheit an sich, welche einerley ist mit derjenigen, die in unsern übrigen Empfindungen vorgekommen ist, und die wir mit dem Wort brennen bezeichnet haben.
Jch will zugeben, daß keine Gewahrnehmung, und also auch kein Urtheil vorhanden sey, in dem nicht Ge- meinbegriffe gebrauchet werden. Aber dennoch läßt es sich wohl als möglich vorstellen, daß z. B. in dem Ein- druck von der Sonne, ihre leuchtende Beschaffenheit, als etwas besonders in ihr unterschieden werde, wenn man es gleich anderswo noch nicht empfunden hat. So ei- nen Fall gedenke man sich blos zur Erläuterung.
Alsdenn ist es desto auffallender, daß außer der Jdee von der Sonne als dem Subjekt, und der Jdee von ihrem Leuchten, welches dadurch gewahrgenommen wird, da dieser einzelne Zug in der Jdee von der Sonne besonders hervorsticht; noch eine Beziehung beider ge- wahrgenommener Eindrücke mehr vorgehen müsse, um zu dem Gedanken zu kommen, daß Leuchten, eine Be-
schaffen-
IV. Verſuch. Ueber die Denkkraft
Ein Ding iſt mit dem andern auf eine gewiſſe Weiſe koexiſtirend.
Dieſe Form hat man vermindert, und alle auf die erſte- re gebracht, indem man die Verhaͤltniſſe zu den Praͤdi- katen hingezogen hat. Aber die erſte Form hat man ſich ſo vorgeſtellet, als wenn das Praͤdikat etwas iſt, welches mit dem Subjekt verglichen wird, und mit dieſem oder mit einem Theil deſſelben als einerley, oder als verſchieden davon, vorgeſtellet wird. Das Feuer brennet; dieß ſoll ein Gedanke ſeyn, der aus der Ver- gleichung der Jdee von dem Feuer, mit der Jdee von dem Brennen entſtanden iſt.
So eine Vergleichung findet wirklich ſtatt, ſo bald eine allgemeine Notion vom Brennen in uns iſt. Der Satz, das Feuer brennet, heißt in der That nichts an- ders, als ſo viel, das Feuer hat eine Beſchaffenheit an ſich, welche einerley iſt mit derjenigen, die in unſern uͤbrigen Empfindungen vorgekommen iſt, und die wir mit dem Wort brennen bezeichnet haben.
Jch will zugeben, daß keine Gewahrnehmung, und alſo auch kein Urtheil vorhanden ſey, in dem nicht Ge- meinbegriffe gebrauchet werden. Aber dennoch laͤßt es ſich wohl als moͤglich vorſtellen, daß z. B. in dem Ein- druck von der Sonne, ihre leuchtende Beſchaffenheit, als etwas beſonders in ihr unterſchieden werde, wenn man es gleich anderswo noch nicht empfunden hat. So ei- nen Fall gedenke man ſich blos zur Erlaͤuterung.
Alsdenn iſt es deſto auffallender, daß außer der Jdee von der Sonne als dem Subjekt, und der Jdee von ihrem Leuchten, welches dadurch gewahrgenommen wird, da dieſer einzelne Zug in der Jdee von der Sonne beſonders hervorſticht; noch eine Beziehung beider ge- wahrgenommener Eindruͤcke mehr vorgehen muͤſſe, um zu dem Gedanken zu kommen, daß Leuchten, eine Be-
ſchaffen-
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IV. Verſuch. Ueber die Denkkraft
Ein Ding iſt mit dem andern auf eine gewiſſe
Weiſe koexiſtirend.
Dieſe Form hat man vermindert, und alle auf die erſte-
re gebracht, indem man die Verhaͤltniſſe zu den Praͤdi-
katen hingezogen hat. Aber die erſte Form hat man
ſich ſo vorgeſtellet, als wenn das Praͤdikat etwas iſt,
welches mit dem Subjekt verglichen wird, und mit
dieſem oder mit einem Theil deſſelben als einerley, oder
als verſchieden davon, vorgeſtellet wird. Das Feuer
brennet; dieß ſoll ein Gedanke ſeyn, der aus der Ver-
gleichung der Jdee von dem Feuer, mit der Jdee von
dem Brennen entſtanden iſt.
So eine Vergleichung findet wirklich ſtatt, ſo bald
eine allgemeine Notion vom Brennen in uns iſt. Der
Satz, das Feuer brennet, heißt in der That nichts an-
ders, als ſo viel, das Feuer hat eine Beſchaffenheit an
ſich, welche einerley iſt mit derjenigen, die in unſern
uͤbrigen Empfindungen vorgekommen iſt, und die wir
mit dem Wort brennen bezeichnet haben.
Jch will zugeben, daß keine Gewahrnehmung, und
alſo auch kein Urtheil vorhanden ſey, in dem nicht Ge-
meinbegriffe gebrauchet werden. Aber dennoch laͤßt es
ſich wohl als moͤglich vorſtellen, daß z. B. in dem Ein-
druck von der Sonne, ihre leuchtende Beſchaffenheit, als
etwas beſonders in ihr unterſchieden werde, wenn man
es gleich anderswo noch nicht empfunden hat. So ei-
nen Fall gedenke man ſich blos zur Erlaͤuterung.
Alsdenn iſt es deſto auffallender, daß außer der
Jdee von der Sonne als dem Subjekt, und der Jdee
von ihrem Leuchten, welches dadurch gewahrgenommen
wird, da dieſer einzelne Zug in der Jdee von der Sonne
beſonders hervorſticht; noch eine Beziehung beider ge-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/426>, abgerufen am 23.11.2024.
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