Aller Unterschied zwischen dem Gedanken von der Verschiedenheit zweyer Dinge, und zwischen dem Gedanken von ihrer ursachlichen Verbindung, be- stehet darinn, daß die Beziehungen in beiden verschie- den sind. Es sind nemlich andere Verbindungen der Jdeen in dem Einen, als in dem andern, und also auch ein verschiedenes Gefühl dieser Verbindungen. Aber das Gewahrnehmen der Beziehungen ist dasselbige.
Also bestehet das Wesen des Denkens in dem Beziehen und in dem Gewahrnehmen. Zu dem Gewahrnehmen gehören aber auch zwey Aktus, das Absondern nemlich und das eigentliche Erkennen. Das letztere bringet den Verhältnißgedanken hervor. Und eben dieser Aktus ist es, was Denken zum Denken macht, das geistige Jngredienz des Gedankens; aber das Absondern der Vorstellungen, und das Bezie- hen derselben auf einander muß vorhergehen, und ist in so weit das zweyte wesentliche Stück zum Denken.
Jn einem vollständigen Gedanken von dem Ver- hältniß zweyer Dinge auf einander liegen also folgende einfache Aktus.
1) Sonderung der Einen Vorstellung.
2) Sonderung der zwoten Vorstellung.
3) Beziehung beider Vorstellungen auf einander.
Die beiden ersten machen das Analogon des Ge- wahrnehmens aus; die letztere das Analogon von einer Verhältnißidee, und alle drey zusammen geben das Analogon von der Gewahrnehmung des Ver- hältnisses des Einen Dinges zu dem andern, das ist, das Analogon eines Urtheils.
4) Völlige Gewahrnehmung des Einen Dinges.
5) Völlige Gewahrnehmung des andern.
6) Gewahrnehmung ihrer Beziehung auf einander.
Wenn
IV. Verſuch. Ueber die Denkkraft
Aller Unterſchied zwiſchen dem Gedanken von der Verſchiedenheit zweyer Dinge, und zwiſchen dem Gedanken von ihrer urſachlichen Verbindung, be- ſtehet darinn, daß die Beziehungen in beiden verſchie- den ſind. Es ſind nemlich andere Verbindungen der Jdeen in dem Einen, als in dem andern, und alſo auch ein verſchiedenes Gefuͤhl dieſer Verbindungen. Aber das Gewahrnehmen der Beziehungen iſt daſſelbige.
Alſo beſtehet das Weſen des Denkens in dem Beziehen und in dem Gewahrnehmen. Zu dem Gewahrnehmen gehoͤren aber auch zwey Aktus, das Abſondern nemlich und das eigentliche Erkennen. Das letztere bringet den Verhaͤltnißgedanken hervor. Und eben dieſer Aktus iſt es, was Denken zum Denken macht, das geiſtige Jngredienz des Gedankens; aber das Abſondern der Vorſtellungen, und das Bezie- hen derſelben auf einander muß vorhergehen, und iſt in ſo weit das zweyte weſentliche Stuͤck zum Denken.
Jn einem vollſtaͤndigen Gedanken von dem Ver- haͤltniß zweyer Dinge auf einander liegen alſo folgende einfache Aktus.
1) Sonderung der Einen Vorſtellung.
2) Sonderung der zwoten Vorſtellung.
3) Beziehung beider Vorſtellungen auf einander.
Die beiden erſten machen das Analogon des Ge- wahrnehmens aus; die letztere das Analogon von einer Verhaͤltnißidee, und alle drey zuſammen geben das Analogon von der Gewahrnehmung des Ver- haͤltniſſes des Einen Dinges zu dem andern, das iſt, das Analogon eines Urtheils.
4) Voͤllige Gewahrnehmung des Einen Dinges.
5) Voͤllige Gewahrnehmung des andern.
6) Gewahrnehmung ihrer Beziehung auf einander.
Wenn
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IV. Verſuch. Ueber die Denkkraft
Aller Unterſchied zwiſchen dem Gedanken von der
Verſchiedenheit zweyer Dinge, und zwiſchen dem
Gedanken von ihrer urſachlichen Verbindung, be-
ſtehet darinn, daß die Beziehungen in beiden verſchie-
den ſind. Es ſind nemlich andere Verbindungen der
Jdeen in dem Einen, als in dem andern, und alſo auch
ein verſchiedenes Gefuͤhl dieſer Verbindungen. Aber
das Gewahrnehmen der Beziehungen iſt daſſelbige.
Alſo beſtehet das Weſen des Denkens in dem
Beziehen und in dem Gewahrnehmen. Zu dem
Gewahrnehmen gehoͤren aber auch zwey Aktus, das
Abſondern nemlich und das eigentliche Erkennen.
Das letztere bringet den Verhaͤltnißgedanken hervor.
Und eben dieſer Aktus iſt es, was Denken zum Denken
macht, das geiſtige Jngredienz des Gedankens; aber
das Abſondern der Vorſtellungen, und das Bezie-
hen derſelben auf einander muß vorhergehen, und iſt in
ſo weit das zweyte weſentliche Stuͤck zum Denken.
Jn einem vollſtaͤndigen Gedanken von dem Ver-
haͤltniß zweyer Dinge auf einander liegen alſo folgende
einfache Aktus.
1) Sonderung der Einen Vorſtellung.
2) Sonderung der zwoten Vorſtellung.
3) Beziehung beider Vorſtellungen auf einander.
Die beiden erſten machen das Analogon des Ge-
wahrnehmens aus; die letztere das Analogon von
einer Verhaͤltnißidee, und alle drey zuſammen geben
das Analogon von der Gewahrnehmung des Ver-
haͤltniſſes des Einen Dinges zu dem andern, das
iſt, das Analogon eines Urtheils.
4) Voͤllige Gewahrnehmung des Einen Dinges.
5) Voͤllige Gewahrnehmung des andern.
6) Gewahrnehmung ihrer Beziehung auf einander.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/416>, abgerufen am 22.12.2024.
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