womit die Vorstellung der Sache bearbeitet war. Die gewahrgenommene Vorstellung war andern gegenüber gestellet und auf andere bezogen worden.
2) Wenn die Vorstellung durch diese Bearbeitun- gen und Beziehungen die gehörige Stärke und Stellung, die objektivische Klarheit empfangen hatte, so erfolgten der Gedanke selbst, das eigentliche Gewahrnehmen, der Beziehungsgedanke; oder das, was da ist, wenn ich sage: Siehe! Die Sache ward dadurch als eine be- sondere Sache vorgestellet.
Ob dieß letztere, und wie ferne es an jenes vorher- gehende Gefühl und an die Zurichtung oder Absonderung und Beachtung der Vorstellung gebunden, und mit ihm einerley sey, oder ob und in wie ferne es durch eine eige- ne nachfolgende Aktion der Seele hinzukomme, ist in dem vorhergehenden als unentschieden dahingestellet. Aber der letztere dieser beiden Aktus, wodurch die sub- jektivische Relation oder der Gedanke mit der vorzüg- lich abstechenden und abgesonderten Vorstellung verbun- den wird, und dessen Wirkung dieser Gedanke ist, machet den eigentlichen Aktus des Gewahrnehmens aus, und in diesem besteht hier das Wesentliche des Denkens.
Das Gewahrnehmen erfodert eine Beziehung der gewahrgenommenen Sache auf andere, die von einigen für eine Vergleichung angesehen wird. Wenn ich ei- nen einzelnen Menschen unter einem Haufen auskenne, so kann eine andere vorhergehende Jdee da seyn, welche durch die Einbildungskraft wieder dargestellet, und mit der gegenwärtigen Empfindung verbunden wird, und dadurch diese letztere lebhafter und ausgezeichneter in mir abdruckt; es kann mir zum Exempel einfallen, daß der Mensch, den ich jetzo sehe, ein Bekannter von mir sey, oder einem Bekannten sehr änlich sehe. Dieß ist Ein Fall. Es kann aber auch die Ursache, warum sein Bild so vorzüglich lebhaft mir auffällt, in dem Bilde selbst lie-
gen,
und uͤber das Denken.
womit die Vorſtellung der Sache bearbeitet war. Die gewahrgenommene Vorſtellung war andern gegenuͤber geſtellet und auf andere bezogen worden.
2) Wenn die Vorſtellung durch dieſe Bearbeitun- gen und Beziehungen die gehoͤrige Staͤrke und Stellung, die objektiviſche Klarheit empfangen hatte, ſo erfolgten der Gedanke ſelbſt, das eigentliche Gewahrnehmen, der Beziehungsgedanke; oder das, was da iſt, wenn ich ſage: Siehe! Die Sache ward dadurch als eine be- ſondere Sache vorgeſtellet.
Ob dieß letztere, und wie ferne es an jenes vorher- gehende Gefuͤhl und an die Zurichtung oder Abſonderung und Beachtung der Vorſtellung gebunden, und mit ihm einerley ſey, oder ob und in wie ferne es durch eine eige- ne nachfolgende Aktion der Seele hinzukomme, iſt in dem vorhergehenden als unentſchieden dahingeſtellet. Aber der letztere dieſer beiden Aktus, wodurch die ſub- jektiviſche Relation oder der Gedanke mit der vorzuͤg- lich abſtechenden und abgeſonderten Vorſtellung verbun- den wird, und deſſen Wirkung dieſer Gedanke iſt, machet den eigentlichen Aktus des Gewahrnehmens aus, und in dieſem beſteht hier das Weſentliche des Denkens.
Das Gewahrnehmen erfodert eine Beziehung der gewahrgenommenen Sache auf andere, die von einigen fuͤr eine Vergleichung angeſehen wird. Wenn ich ei- nen einzelnen Menſchen unter einem Haufen auskenne, ſo kann eine andere vorhergehende Jdee da ſeyn, welche durch die Einbildungskraft wieder dargeſtellet, und mit der gegenwaͤrtigen Empfindung verbunden wird, und dadurch dieſe letztere lebhafter und ausgezeichneter in mir abdruckt; es kann mir zum Exempel einfallen, daß der Menſch, den ich jetzo ſehe, ein Bekannter von mir ſey, oder einem Bekannten ſehr aͤnlich ſehe. Dieß iſt Ein Fall. Es kann aber auch die Urſache, warum ſein Bild ſo vorzuͤglich lebhaft mir auffaͤllt, in dem Bilde ſelbſt lie-
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und uͤber das Denken.
womit die Vorſtellung der Sache bearbeitet war. Die
gewahrgenommene Vorſtellung war andern gegenuͤber
geſtellet und auf andere bezogen worden.
2) Wenn die Vorſtellung durch dieſe Bearbeitun-
gen und Beziehungen die gehoͤrige Staͤrke und Stellung,
die objektiviſche Klarheit empfangen hatte, ſo erfolgten
der Gedanke ſelbſt, das eigentliche Gewahrnehmen,
der Beziehungsgedanke; oder das, was da iſt, wenn
ich ſage: Siehe! Die Sache ward dadurch als eine be-
ſondere Sache vorgeſtellet.
Ob dieß letztere, und wie ferne es an jenes vorher-
gehende Gefuͤhl und an die Zurichtung oder Abſonderung
und Beachtung der Vorſtellung gebunden, und mit ihm
einerley ſey, oder ob und in wie ferne es durch eine eige-
ne nachfolgende Aktion der Seele hinzukomme, iſt in
dem vorhergehenden als unentſchieden dahingeſtellet.
Aber der letztere dieſer beiden Aktus, wodurch die ſub-
jektiviſche Relation oder der Gedanke mit der vorzuͤg-
lich abſtechenden und abgeſonderten Vorſtellung verbun-
den wird, und deſſen Wirkung dieſer Gedanke iſt, machet
den eigentlichen Aktus des Gewahrnehmens aus, und
in dieſem beſteht hier das Weſentliche des Denkens.
Das Gewahrnehmen erfodert eine Beziehung der
gewahrgenommenen Sache auf andere, die von einigen
fuͤr eine Vergleichung angeſehen wird. Wenn ich ei-
nen einzelnen Menſchen unter einem Haufen auskenne,
ſo kann eine andere vorhergehende Jdee da ſeyn, welche
durch die Einbildungskraft wieder dargeſtellet, und mit
der gegenwaͤrtigen Empfindung verbunden wird, und
dadurch dieſe letztere lebhafter und ausgezeichneter in mir
abdruckt; es kann mir zum Exempel einfallen, daß der
Menſch, den ich jetzo ſehe, ein Bekannter von mir ſey,
oder einem Bekannten ſehr aͤnlich ſehe. Dieß iſt Ein
Fall. Es kann aber auch die Urſache, warum ſein Bild
ſo vorzuͤglich lebhaft mir auffaͤllt, in dem Bilde ſelbſt lie-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/409>, abgerufen am 23.11.2024.
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