Es könnte scheinen, als wenn die Verhältnißbe- griffe, die nicht das Absolute in den Dingen, sondern ihre Beziehungen und Verhältnisse vorstellen, dar- um eine Ausnahme machen müßten, weil hier das Ob- jekt, welches vorgestellet wird, das Verhältniß nem- lich, nicht aus der Empfindung entstehet, sondern eine hinzukommende Wirkung der Denkkraft ist. Es gehö- ret also auch der Stoff dieser Begriffe dem Verstande zu, und zwar ausschließungsweise. Wir haben z. B. die Aehnlichkeit nicht empfunden, sondern hinzugedacht. Der Gegenstand dieses Verhältnißbegriffes ist eine Thä- tigkeit oder eine Wirkung unserer Denkkraft; ist keine Wirkung unserer vorstellenden Kraft; auch keine Em- pfindung. Der innere Aktus der Denkkraft giebt hier die innere Empfindung her, aus welcher die Vorstellung gemacht wird, welche letztere von einem nachfolgenden Aktus der Denkkraft gewahrgenommen, und unterschie- den wird, und dann die Jdee ausmachet, dessen Ob- jekt dasjenige in den Gegenständen ist, was wir ihre Verhältnisse nennen, und ihnen beylegen. Dieß war vielleicht die Seite, von der Leibnitz*) die Verhältniß- begriffe; und dahin gehört der größte Theil unserer Ge- meinbegriffe; ansah, als er gegen Locken darauf be- stand: die Aristotelische Regel, nihil est in intellectu, quod non ante fuerit in sensu, müsse nur mit einer Ausnahme für wahr angenommen werden: excepto ipso intellectu. Jch sage, vielleicht; denn Leibnitz wollte ebenfalls die Jdeen von der Seele selbst, und von ihren Beschaffenheiten, und dadurch alle Jdeen von immate- riellen Dinge, ingleichen die transcendenten Ver- standesbegriffe, von einem Dinge überhaupt, von
der
*)Essais sur l'entend. humain, liv. II. chap. I. p. 67.
I.Band. Y
und uͤber das Denken.
2.
Es koͤnnte ſcheinen, als wenn die Verhaͤltnißbe- griffe, die nicht das Abſolute in den Dingen, ſondern ihre Beziehungen und Verhaͤltniſſe vorſtellen, dar- um eine Ausnahme machen muͤßten, weil hier das Ob- jekt, welches vorgeſtellet wird, das Verhaͤltniß nem- lich, nicht aus der Empfindung entſtehet, ſondern eine hinzukommende Wirkung der Denkkraft iſt. Es gehoͤ- ret alſo auch der Stoff dieſer Begriffe dem Verſtande zu, und zwar ausſchließungsweiſe. Wir haben z. B. die Aehnlichkeit nicht empfunden, ſondern hinzugedacht. Der Gegenſtand dieſes Verhaͤltnißbegriffes iſt eine Thaͤ- tigkeit oder eine Wirkung unſerer Denkkraft; iſt keine Wirkung unſerer vorſtellenden Kraft; auch keine Em- pfindung. Der innere Aktus der Denkkraft giebt hier die innere Empfindung her, aus welcher die Vorſtellung gemacht wird, welche letztere von einem nachfolgenden Aktus der Denkkraft gewahrgenommen, und unterſchie- den wird, und dann die Jdee ausmachet, deſſen Ob- jekt dasjenige in den Gegenſtaͤnden iſt, was wir ihre Verhaͤltniſſe nennen, und ihnen beylegen. Dieß war vielleicht die Seite, von der Leibnitz*) die Verhaͤltniß- begriffe; und dahin gehoͤrt der groͤßte Theil unſerer Ge- meinbegriffe; anſah, als er gegen Locken darauf be- ſtand: die Ariſtoteliſche Regel, nihil eſt in intellectu, quod non ante fuerit in ſenſu, muͤſſe nur mit einer Ausnahme fuͤr wahr angenommen werden: excepto ipſo intellectu. Jch ſage, vielleicht; denn Leibnitz wollte ebenfalls die Jdeen von der Seele ſelbſt, und von ihren Beſchaffenheiten, und dadurch alle Jdeen von immate- riellen Dinge, ingleichen die tranſcendenten Ver- ſtandesbegriffe, von einem Dinge uͤberhaupt, von
der
*)Eſſais ſur l’entend. humain, liv. II. chap. I. p. 67.
I.Band. Y
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und uͤber das Denken.
2.
Es koͤnnte ſcheinen, als wenn die Verhaͤltnißbe-
griffe, die nicht das Abſolute in den Dingen, ſondern
ihre Beziehungen und Verhaͤltniſſe vorſtellen, dar-
um eine Ausnahme machen muͤßten, weil hier das Ob-
jekt, welches vorgeſtellet wird, das Verhaͤltniß nem-
lich, nicht aus der Empfindung entſtehet, ſondern eine
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ret alſo auch der Stoff dieſer Begriffe dem Verſtande zu,
und zwar ausſchließungsweiſe. Wir haben z. B. die
Aehnlichkeit nicht empfunden, ſondern hinzugedacht.
Der Gegenſtand dieſes Verhaͤltnißbegriffes iſt eine Thaͤ-
tigkeit oder eine Wirkung unſerer Denkkraft; iſt keine
Wirkung unſerer vorſtellenden Kraft; auch keine Em-
pfindung. Der innere Aktus der Denkkraft giebt hier
die innere Empfindung her, aus welcher die Vorſtellung
gemacht wird, welche letztere von einem nachfolgenden
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den wird, und dann die Jdee ausmachet, deſſen Ob-
jekt dasjenige in den Gegenſtaͤnden iſt, was wir ihre
Verhaͤltniſſe nennen, und ihnen beylegen. Dieß war
vielleicht die Seite, von der Leibnitz *) die Verhaͤltniß-
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meinbegriffe; anſah, als er gegen Locken darauf be-
ſtand: die Ariſtoteliſche Regel, nihil eſt in intellectu,
quod non ante fuerit in ſenſu, muͤſſe nur mit einer
Ausnahme fuͤr wahr angenommen werden: excepto ipſo
intellectu. Jch ſage, vielleicht; denn Leibnitz wollte
ebenfalls die Jdeen von der Seele ſelbſt, und von ihren
Beſchaffenheiten, und dadurch alle Jdeen von immate-
riellen Dinge, ingleichen die tranſcendenten Ver-
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*) Eſſais ſur l’entend. humain, liv. II. chap. I. p. 67.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/397>, abgerufen am 24.11.2024.
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