lieget also noch tiefer in das Gehirn hinein, oder noch näher zur Seele, die weiche Materie, die nichts mehr thut, als daß sie die Bewegungen von dem Organ zur Seele, und von der Seele zum Organ durchläßt, wozu es wohl nicht nöthig ist, daß sie selbst organisirt sey. Aber man begreift leicht, daß nun auch hierdurch die bonnetische Psychologie nicht widerlegt werde, so fern solche auf materiellen Jdeen beruhet, sondern daß sie allenfalls nur in ihren nähern Bestimmungen nicht so zuverläßig sey, als in den ersten Grundsätzen.
Die Untersuchung über die Freyheit, die in einer erhöheten Selbstthätigkeit der Seele bestehet, hieng mit den vorhergehenden und den folgenden Betrachtungen über die mensch- liche Natur so genau zusammen, daß ich mich auf sie hätte einlassen müssen, wenn auch die bekannten Dunkelheiten in dieser Materie nicht besonders dazu gereizet hätten. Nirgends scheinet die Vernunft dem Gefühl, und, wenn man näher zusieht, selbst das Gefühl dem Ge- fühl so sehr zu widersprechen, als hier. Es muß nothwendig irgendwo ein falscher Schein dahinter stecken, die Ursache desselben mag nun da liegen, wo ich sie glaube gefunden zu haben, oder anderswo.
Der letzte Versuch über die Perfektibilität und über die Entwickelung der Seele ist ge- wissermaßen das Ziel, wohin die meisten der vorhergehenden Betrachtungen zusammen lau- fen. Bey dem großen Umfang dieses frucht-
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Vorrede.
lieget alſo noch tiefer in das Gehirn hinein, oder noch naͤher zur Seele, die weiche Materie, die nichts mehr thut, als daß ſie die Bewegungen von dem Organ zur Seele, und von der Seele zum Organ durchlaͤßt, wozu es wohl nicht noͤthig iſt, daß ſie ſelbſt organiſirt ſey. Aber man begreift leicht, daß nun auch hierdurch die bonnetiſche Pſychologie nicht widerlegt werde, ſo fern ſolche auf materiellen Jdeen beruhet, ſondern daß ſie allenfalls nur in ihren naͤhern Beſtimmungen nicht ſo zuverlaͤßig ſey, als in den erſten Grundſaͤtzen.
Die Unterſuchung uͤber die Freyheit, die in einer erhoͤheten Selbſtthaͤtigkeit der Seele beſtehet, hieng mit den vorhergehenden und den folgenden Betrachtungen uͤber die menſch- liche Natur ſo genau zuſammen, daß ich mich auf ſie haͤtte einlaſſen muͤſſen, wenn auch die bekannten Dunkelheiten in dieſer Materie nicht beſonders dazu gereizet haͤtten. Nirgends ſcheinet die Vernunft dem Gefuͤhl, und, wenn man naͤher zuſieht, ſelbſt das Gefuͤhl dem Ge- fuͤhl ſo ſehr zu widerſprechen, als hier. Es muß nothwendig irgendwo ein falſcher Schein dahinter ſtecken, die Urſache deſſelben mag nun da liegen, wo ich ſie glaube gefunden zu haben, oder anderswo.
Der letzte Verſuch uͤber die Perfektibilitaͤt und uͤber die Entwickelung der Seele iſt ge- wiſſermaßen das Ziel, wohin die meiſten der vorhergehenden Betrachtungen zuſammen lau- fen. Bey dem großen Umfang dieſes frucht-
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[XXXV/0039]
Vorrede.
lieget alſo noch tiefer in das Gehirn hinein, oder
noch naͤher zur Seele, die weiche Materie, die
nichts mehr thut, als daß ſie die Bewegungen
von dem Organ zur Seele, und von der Seele
zum Organ durchlaͤßt, wozu es wohl nicht
noͤthig iſt, daß ſie ſelbſt organiſirt ſey. Aber
man begreift leicht, daß nun auch hierdurch die
bonnetiſche Pſychologie nicht widerlegt werde,
ſo fern ſolche auf materiellen Jdeen beruhet,
ſondern daß ſie allenfalls nur in ihren naͤhern
Beſtimmungen nicht ſo zuverlaͤßig ſey, als in
den erſten Grundſaͤtzen.
Die Unterſuchung uͤber die Freyheit, die
in einer erhoͤheten Selbſtthaͤtigkeit der Seele
beſtehet, hieng mit den vorhergehenden und
den folgenden Betrachtungen uͤber die menſch-
liche Natur ſo genau zuſammen, daß ich mich
auf ſie haͤtte einlaſſen muͤſſen, wenn auch die
bekannten Dunkelheiten in dieſer Materie nicht
beſonders dazu gereizet haͤtten. Nirgends
ſcheinet die Vernunft dem Gefuͤhl, und, wenn
man naͤher zuſieht, ſelbſt das Gefuͤhl dem Ge-
fuͤhl ſo ſehr zu widerſprechen, als hier. Es
muß nothwendig irgendwo ein falſcher Schein
dahinter ſtecken, die Urſache deſſelben mag nun
da liegen, wo ich ſie glaube gefunden zu haben,
oder anderswo.
Der letzte Verſuch uͤber die Perfektibilitaͤt
und uͤber die Entwickelung der Seele iſt ge-
wiſſermaßen das Ziel, wohin die meiſten der
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. XXXV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/39>, abgerufen am 22.12.2024.
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