den Gegenständen selbst an. Denn wo eine solche sub- jektivische Verbindung zwischen den ideellen Dingen in uns ist, daß Eins von ihnen voraus als wirklich an- genommen -- als das vorhergehende gedacht -- der Gedanke von der Existenz des zweyten in dem thätigen Verstande hervorkommt, da legen wir dieselbige Bezie- hung auch dem reellen Dinge außer uns, oder dem Objekte bey. Die Begreiflichkeit des Einen aus dem Andern ist die subjektivische Vorstellung, und der Charakter im Verstande, von der objektivischen De- pendenz der vorgestellten Sachen.
Jndem die Begreiflichkeit des Einen aus dem Andern, oder das Gegründetseyn in dem Andern zu einer Jdee von der objektivischen Abhängigkeit ge- macht wird, so wird behauptet, daß die Ursache zu der Wirkung in einer solchen objektivischen Beziehung stehe, daß ein Verstand, der jene in dem nöthigen Lichte deut- lich und vollständig sich vorstellet, und dann in dem zum Begreifen erforderlichen Aktus fortwirket, die Vorstel- lung von der nachfolgenden Wirkung in sich hervorbrin- gen, oder doch, wenn ihm diese Jdee anderswoher zu- gekommen ist, mit jener Vorstellung verbinden muß. Jst dieß nicht eine Voraussetzung? Das ist es freylich, aber sie ist ein Grundsatz und ein Postulat. Wir haben keine andere Jdee von der objektivischen Verursachung, als diese innere subjektivische Verursachung in dem Ver- stande. Wenn der gemeine Verstand oft blos durch eine Jdeenverbindung zu dem Gedanken von der ursachlichen Verbindung gebracht wird, so ist jene für ihn eine Be- greiflichkeit des Einen aus dem andern. Aber er unter- scheidet die verschiedenen Verbindungsarten der auf ein- ander folgenden Jdeen nicht, und untersucht ihre Um- stände nicht, und bedienet sich eines unvollständigen und daher unzuverläßigen Charakters, von dem es nicht zu verwundern ist, so er so oft trüget.
V. Von
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und uͤber das Denken.
den Gegenſtaͤnden ſelbſt an. Denn wo eine ſolche ſub- jektiviſche Verbindung zwiſchen den ideellen Dingen in uns iſt, daß Eins von ihnen voraus als wirklich an- genommen — als das vorhergehende gedacht — der Gedanke von der Exiſtenz des zweyten in dem thaͤtigen Verſtande hervorkommt, da legen wir dieſelbige Bezie- hung auch dem reellen Dinge außer uns, oder dem Objekte bey. Die Begreiflichkeit des Einen aus dem Andern iſt die ſubjektiviſche Vorſtellung, und der Charakter im Verſtande, von der objektiviſchen De- pendenz der vorgeſtellten Sachen.
Jndem die Begreiflichkeit des Einen aus dem Andern, oder das Gegruͤndetſeyn in dem Andern zu einer Jdee von der objektiviſchen Abhaͤngigkeit ge- macht wird, ſo wird behauptet, daß die Urſache zu der Wirkung in einer ſolchen objektiviſchen Beziehung ſtehe, daß ein Verſtand, der jene in dem noͤthigen Lichte deut- lich und vollſtaͤndig ſich vorſtellet, und dann in dem zum Begreifen erforderlichen Aktus fortwirket, die Vorſtel- lung von der nachfolgenden Wirkung in ſich hervorbrin- gen, oder doch, wenn ihm dieſe Jdee anderswoher zu- gekommen iſt, mit jener Vorſtellung verbinden muß. Jſt dieß nicht eine Vorausſetzung? Das iſt es freylich, aber ſie iſt ein Grundſatz und ein Poſtulat. Wir haben keine andere Jdee von der objektiviſchen Verurſachung, als dieſe innere ſubjektiviſche Verurſachung in dem Ver- ſtande. Wenn der gemeine Verſtand oft blos durch eine Jdeenverbindung zu dem Gedanken von der urſachlichen Verbindung gebracht wird, ſo iſt jene fuͤr ihn eine Be- greiflichkeit des Einen aus dem andern. Aber er unter- ſcheidet die verſchiedenen Verbindungsarten der auf ein- ander folgenden Jdeen nicht, und unterſucht ihre Um- ſtaͤnde nicht, und bedienet ſich eines unvollſtaͤndigen und daher unzuverlaͤßigen Charakters, von dem es nicht zu verwundern iſt, ſo er ſo oft truͤget.
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und uͤber das Denken.
den Gegenſtaͤnden ſelbſt an. Denn wo eine ſolche ſub-
jektiviſche Verbindung zwiſchen den ideellen Dingen
in uns iſt, daß Eins von ihnen voraus als wirklich an-
genommen — als das vorhergehende gedacht — der
Gedanke von der Exiſtenz des zweyten in dem thaͤtigen
Verſtande hervorkommt, da legen wir dieſelbige Bezie-
hung auch dem reellen Dinge außer uns, oder dem
Objekte bey. Die Begreiflichkeit des Einen aus dem
Andern iſt die ſubjektiviſche Vorſtellung, und der
Charakter im Verſtande, von der objektiviſchen De-
pendenz der vorgeſtellten Sachen.
Jndem die Begreiflichkeit des Einen aus dem
Andern, oder das Gegruͤndetſeyn in dem Andern zu
einer Jdee von der objektiviſchen Abhaͤngigkeit ge-
macht wird, ſo wird behauptet, daß die Urſache zu der
Wirkung in einer ſolchen objektiviſchen Beziehung ſtehe,
daß ein Verſtand, der jene in dem noͤthigen Lichte deut-
lich und vollſtaͤndig ſich vorſtellet, und dann in dem zum
Begreifen erforderlichen Aktus fortwirket, die Vorſtel-
lung von der nachfolgenden Wirkung in ſich hervorbrin-
gen, oder doch, wenn ihm dieſe Jdee anderswoher zu-
gekommen iſt, mit jener Vorſtellung verbinden muß.
Jſt dieß nicht eine Vorausſetzung? Das iſt es freylich,
aber ſie iſt ein Grundſatz und ein Poſtulat. Wir haben
keine andere Jdee von der objektiviſchen Verurſachung,
als dieſe innere ſubjektiviſche Verurſachung in dem Ver-
ſtande. Wenn der gemeine Verſtand oft blos durch eine
Jdeenverbindung zu dem Gedanken von der urſachlichen
Verbindung gebracht wird, ſo iſt jene fuͤr ihn eine Be-
greiflichkeit des Einen aus dem andern. Aber er unter-
ſcheidet die verſchiedenen Verbindungsarten der auf ein-
ander folgenden Jdeen nicht, und unterſucht ihre Um-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/387>, abgerufen am 22.12.2024.
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