noch ein anderer Umstand hinzukomme. Denn wir müssen auch außer der dafür gehaltenen Ursache sonst nichts wahrnehmen, dem die Hervorbringung der Wir- kung zugeschrieben werden könnte. Es ist also begreiflich genug, warum wir auch alsdenn, wenn die beständige Jdeenverknüpfung in der Phantasie allein den Grund unsers Urtheils über ihre objektivische reelle Verknüpfung ausmacht, dennoch in dem Zusammenhang noch wirk- lich etwas mehr, als jene Association uns vorstellen. Mag es seyn, daß wir in unsern reinen Empfindungs- vorstellungen von dem äußern Objekte weiter nichts an- treffen, als eine Folge von Empfindungen, so legen wir doch noch etwas mehreres in sie hinein, so bald wir den Begriff von der ursachlichen Verbindung auf sie an- wenden.
Drittens. Die Begriffe, vom Grunde (ratio) und von dem in ihm Gegründeten, und von der Begreiflichkeit des letztern aus jenem, können von dem Verstande nur aus den Thätigkeiten seines Begrei- fens, des Folgerns und des Schließens genommen wer- den. Eins aus dem andern begreifen heißt nicht, einen Gedanken auf den andern folgen zu sehen, mit dem er vorher schon in Verbindung gewesen ist, und durch den er jetzo nach dem Gesetz der Association wiederum er- wecket wird. Vielmehr sobald wir gewahr werden, daß die Folge eines Gedanken auf den andern, nur durch dieses Mittel geschehe, so verneinen wir es gerade zu, daß wir jenen aus diesem begreifen. Das Begreifen erfodert, daß die Folgegedanken auf die fortwährende Thätigkeit des Verstandes, der sich | mit dem Grund- gedanken beschäftiget, hervorkommen, auch ohne vorher jemals in dieser Folge gewesen zu seyn. Die Phantasie mag durch die Stellung der Jdeen, welche zu dem neuen Gedanken gehören, dem einsehenden Verstande vorge- hen oder zu Hülfe kommen, aber der neue Gedanke selbst
ist
X 3
und uͤber das Denken.
noch ein anderer Umſtand hinzukomme. Denn wir muͤſſen auch außer der dafuͤr gehaltenen Urſache ſonſt nichts wahrnehmen, dem die Hervorbringung der Wir- kung zugeſchrieben werden koͤnnte. Es iſt alſo begreiflich genug, warum wir auch alsdenn, wenn die beſtaͤndige Jdeenverknuͤpfung in der Phantaſie allein den Grund unſers Urtheils uͤber ihre objektiviſche reelle Verknuͤpfung ausmacht, dennoch in dem Zuſammenhang noch wirk- lich etwas mehr, als jene Aſſociation uns vorſtellen. Mag es ſeyn, daß wir in unſern reinen Empfindungs- vorſtellungen von dem aͤußern Objekte weiter nichts an- treffen, als eine Folge von Empfindungen, ſo legen wir doch noch etwas mehreres in ſie hinein, ſo bald wir den Begriff von der urſachlichen Verbindung auf ſie an- wenden.
Drittens. Die Begriffe, vom Grunde (ratio) und von dem in ihm Gegruͤndeten, und von der Begreiflichkeit des letztern aus jenem, koͤnnen von dem Verſtande nur aus den Thaͤtigkeiten ſeines Begrei- fens, des Folgerns und des Schließens genommen wer- den. Eins aus dem andern begreifen heißt nicht, einen Gedanken auf den andern folgen zu ſehen, mit dem er vorher ſchon in Verbindung geweſen iſt, und durch den er jetzo nach dem Geſetz der Aſſociation wiederum er- wecket wird. Vielmehr ſobald wir gewahr werden, daß die Folge eines Gedanken auf den andern, nur durch dieſes Mittel geſchehe, ſo verneinen wir es gerade zu, daß wir jenen aus dieſem begreifen. Das Begreifen erfodert, daß die Folgegedanken auf die fortwaͤhrende Thaͤtigkeit des Verſtandes, der ſich | mit dem Grund- gedanken beſchaͤftiget, hervorkommen, auch ohne vorher jemals in dieſer Folge geweſen zu ſeyn. Die Phantaſie mag durch die Stellung der Jdeen, welche zu dem neuen Gedanken gehoͤren, dem einſehenden Verſtande vorge- hen oder zu Huͤlfe kommen, aber der neue Gedanke ſelbſt
iſt
X 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0385"n="325"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">und uͤber das Denken.</hi></fw><lb/>
noch ein anderer Umſtand hinzukomme. Denn wir<lb/>
muͤſſen auch außer der dafuͤr gehaltenen Urſache ſonſt<lb/>
nichts wahrnehmen, dem die Hervorbringung der Wir-<lb/>
kung zugeſchrieben werden koͤnnte. Es iſt alſo begreiflich<lb/>
genug, warum wir auch alsdenn, wenn die beſtaͤndige<lb/>
Jdeenverknuͤpfung in der Phantaſie allein den Grund<lb/>
unſers Urtheils uͤber ihre objektiviſche reelle Verknuͤpfung<lb/>
ausmacht, dennoch in dem Zuſammenhang noch wirk-<lb/>
lich etwas mehr, als jene Aſſociation uns vorſtellen.<lb/>
Mag es ſeyn, daß wir in unſern reinen Empfindungs-<lb/>
vorſtellungen von dem aͤußern Objekte weiter nichts an-<lb/>
treffen, als eine Folge von Empfindungen, ſo legen wir<lb/>
doch noch etwas mehreres in ſie hinein, ſo bald wir den<lb/>
Begriff von der <hirendition="#fr">urſachlichen</hi> Verbindung auf ſie an-<lb/>
wenden.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Drittens.</hi> Die Begriffe, vom <hirendition="#fr">Grunde</hi> (<hirendition="#aq">ratio</hi>)<lb/>
und von <hirendition="#fr">dem</hi> in ihm <hirendition="#fr">Gegruͤndeten,</hi> und von der<lb/><hirendition="#fr">Begreiflichkeit</hi> des <hirendition="#fr">letztern aus jenem,</hi> koͤnnen von<lb/>
dem Verſtande nur aus den Thaͤtigkeiten ſeines Begrei-<lb/>
fens, des Folgerns und des Schließens genommen wer-<lb/>
den. <hirendition="#fr">Eins aus dem andern begreifen</hi> heißt nicht,<lb/>
einen Gedanken auf den andern folgen zu ſehen, mit dem<lb/>
er vorher ſchon in Verbindung geweſen iſt, und durch<lb/>
den er jetzo nach dem Geſetz der Aſſociation wiederum er-<lb/>
wecket wird. Vielmehr ſobald wir gewahr werden, daß<lb/>
die Folge eines Gedanken auf den andern, nur durch<lb/>
dieſes Mittel geſchehe, ſo verneinen wir es gerade zu,<lb/>
daß wir jenen aus dieſem <hirendition="#fr">begreifen.</hi> Das Begreifen<lb/>
erfodert, daß die Folgegedanken auf die fortwaͤhrende<lb/>
Thaͤtigkeit des Verſtandes, der ſich | mit dem Grund-<lb/>
gedanken beſchaͤftiget, hervorkommen, auch ohne vorher<lb/>
jemals in dieſer Folge geweſen zu ſeyn. Die Phantaſie<lb/>
mag durch die Stellung der Jdeen, welche zu dem neuen<lb/>
Gedanken gehoͤren, dem einſehenden Verſtande vorge-<lb/>
hen oder zu Huͤlfe kommen, aber der neue Gedanke ſelbſt<lb/><fwplace="bottom"type="sig">X 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">iſt</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[325/0385]
und uͤber das Denken.
noch ein anderer Umſtand hinzukomme. Denn wir
muͤſſen auch außer der dafuͤr gehaltenen Urſache ſonſt
nichts wahrnehmen, dem die Hervorbringung der Wir-
kung zugeſchrieben werden koͤnnte. Es iſt alſo begreiflich
genug, warum wir auch alsdenn, wenn die beſtaͤndige
Jdeenverknuͤpfung in der Phantaſie allein den Grund
unſers Urtheils uͤber ihre objektiviſche reelle Verknuͤpfung
ausmacht, dennoch in dem Zuſammenhang noch wirk-
lich etwas mehr, als jene Aſſociation uns vorſtellen.
Mag es ſeyn, daß wir in unſern reinen Empfindungs-
vorſtellungen von dem aͤußern Objekte weiter nichts an-
treffen, als eine Folge von Empfindungen, ſo legen wir
doch noch etwas mehreres in ſie hinein, ſo bald wir den
Begriff von der urſachlichen Verbindung auf ſie an-
wenden.
Drittens. Die Begriffe, vom Grunde (ratio)
und von dem in ihm Gegruͤndeten, und von der
Begreiflichkeit des letztern aus jenem, koͤnnen von
dem Verſtande nur aus den Thaͤtigkeiten ſeines Begrei-
fens, des Folgerns und des Schließens genommen wer-
den. Eins aus dem andern begreifen heißt nicht,
einen Gedanken auf den andern folgen zu ſehen, mit dem
er vorher ſchon in Verbindung geweſen iſt, und durch
den er jetzo nach dem Geſetz der Aſſociation wiederum er-
wecket wird. Vielmehr ſobald wir gewahr werden, daß
die Folge eines Gedanken auf den andern, nur durch
dieſes Mittel geſchehe, ſo verneinen wir es gerade zu,
daß wir jenen aus dieſem begreifen. Das Begreifen
erfodert, daß die Folgegedanken auf die fortwaͤhrende
Thaͤtigkeit des Verſtandes, der ſich | mit dem Grund-
gedanken beſchaͤftiget, hervorkommen, auch ohne vorher
jemals in dieſer Folge geweſen zu ſeyn. Die Phantaſie
mag durch die Stellung der Jdeen, welche zu dem neuen
Gedanken gehoͤren, dem einſehenden Verſtande vorge-
hen oder zu Huͤlfe kommen, aber der neue Gedanke ſelbſt
iſt
X 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/385>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.