gende Jdeen legen sich in der Vorstellungskraft so dichte an einander, und verbinden sich so innig, daß, so oft die Eine in uns wiederum gegenwärtig wird, auch die zwote als ihre Folge, oder als ihre Begleiterinn mit hervortritt. Gerathen wir durch irgend eine Veranlas- sung zuerst auf die nachfolgende Jdee von der Wirkung, so setzet doch die Einbildungskraft die vorhergehende Jdee von der Ursache wiederum in ihre Stellung, die sie so vielmal in den Empfindungen, in Hinsicht auf jene, ge- habt hat. Diese Verbindung der Jdeen wird uns end- lich durch die Gewohnheit so nothwendig, daß wir diese nicht mehr trennen können, und gezwungen sind, von der Einen zu der andern überzugehen. Jndem wir nun diese Folge der Jdeen außer uns in die Objekte über- tragen, so entspringet der Gedanke, "wenn Eins von "jenen Gegenständen wirklich vorhanden ist, so werde "auch das zweyte vergesellschaftet daseyn," das heißt, wir stellen uns Eins wie die Ursache, und das andre, wie die Wirkung vor, und denken eine verursachende Verbindung zwischen ihnen.
Es war so schwer nicht, einen ganzen Haufen von Beyspielen aufzufinden, wo der Gedanke von dieser ur- sachlichen Beziehung der Dinge, zumal wenn die zusam- mengesetztern Ursachen in einfache ausgelöset werden, am Ende auf nichts anders, als auf einer solchen Verbin- dung der Vorstellungen, die sich aus den Empfindungen herschreibet, gegründet ist. Wir sind in den meisten Fällen keiner andern Erkenntniß von dieser Gattung von Verbindung unter den wirklichen Dingen fähig. Die einfachen Grundsätze der Naturlehre, aus welchen die wirkende Verbindung der Körper begriffen wird, sind Sammlungen von einer Menge übereinstimmender und ähnlicher Erfahrungen. Z. B. die Sätze: die Körper ziehen sich einander an; die Wärme dehnet die Körper aus; der Stoß eines fremden Körpers auf einen andern
ändert
IV. Verſuch. Ueber die Denkkraft
gende Jdeen legen ſich in der Vorſtellungskraft ſo dichte an einander, und verbinden ſich ſo innig, daß, ſo oft die Eine in uns wiederum gegenwaͤrtig wird, auch die zwote als ihre Folge, oder als ihre Begleiterinn mit hervortritt. Gerathen wir durch irgend eine Veranlaſ- ſung zuerſt auf die nachfolgende Jdee von der Wirkung, ſo ſetzet doch die Einbildungskraft die vorhergehende Jdee von der Urſache wiederum in ihre Stellung, die ſie ſo vielmal in den Empfindungen, in Hinſicht auf jene, ge- habt hat. Dieſe Verbindung der Jdeen wird uns end- lich durch die Gewohnheit ſo nothwendig, daß wir dieſe nicht mehr trennen koͤnnen, und gezwungen ſind, von der Einen zu der andern uͤberzugehen. Jndem wir nun dieſe Folge der Jdeen außer uns in die Objekte uͤber- tragen, ſo entſpringet der Gedanke, „wenn Eins von „jenen Gegenſtaͤnden wirklich vorhanden iſt, ſo werde „auch das zweyte vergeſellſchaftet daſeyn,‟ das heißt, wir ſtellen uns Eins wie die Urſache, und das andre, wie die Wirkung vor, und denken eine verurſachende Verbindung zwiſchen ihnen.
Es war ſo ſchwer nicht, einen ganzen Haufen von Beyſpielen aufzufinden, wo der Gedanke von dieſer ur- ſachlichen Beziehung der Dinge, zumal wenn die zuſam- mengeſetztern Urſachen in einfache auſgeloͤſet werden, am Ende auf nichts anders, als auf einer ſolchen Verbin- dung der Vorſtellungen, die ſich aus den Empfindungen herſchreibet, gegruͤndet iſt. Wir ſind in den meiſten Faͤllen keiner andern Erkenntniß von dieſer Gattung von Verbindung unter den wirklichen Dingen faͤhig. Die einfachen Grundſaͤtze der Naturlehre, aus welchen die wirkende Verbindung der Koͤrper begriffen wird, ſind Sammlungen von einer Menge uͤbereinſtimmender und aͤhnlicher Erfahrungen. Z. B. die Saͤtze: die Koͤrper ziehen ſich einander an; die Waͤrme dehnet die Koͤrper aus; der Stoß eines fremden Koͤrpers auf einen andern
aͤndert
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IV. Verſuch. Ueber die Denkkraft
gende Jdeen legen ſich in der Vorſtellungskraft ſo dichte
an einander, und verbinden ſich ſo innig, daß, ſo oft
die Eine in uns wiederum gegenwaͤrtig wird, auch die
zwote als ihre Folge, oder als ihre Begleiterinn mit
hervortritt. Gerathen wir durch irgend eine Veranlaſ-
ſung zuerſt auf die nachfolgende Jdee von der Wirkung,
ſo ſetzet doch die Einbildungskraft die vorhergehende Jdee
von der Urſache wiederum in ihre Stellung, die ſie ſo
vielmal in den Empfindungen, in Hinſicht auf jene, ge-
habt hat. Dieſe Verbindung der Jdeen wird uns end-
lich durch die Gewohnheit ſo nothwendig, daß wir dieſe
nicht mehr trennen koͤnnen, und gezwungen ſind, von
der Einen zu der andern uͤberzugehen. Jndem wir
nun dieſe Folge der Jdeen außer uns in die Objekte uͤber-
tragen, ſo entſpringet der Gedanke, „wenn Eins von
„jenen Gegenſtaͤnden wirklich vorhanden iſt, ſo werde
„auch das zweyte vergeſellſchaftet daſeyn,‟ das heißt, wir
ſtellen uns Eins wie die Urſache, und das andre, wie
die Wirkung vor, und denken eine verurſachende
Verbindung zwiſchen ihnen.
Es war ſo ſchwer nicht, einen ganzen Haufen von
Beyſpielen aufzufinden, wo der Gedanke von dieſer ur-
ſachlichen Beziehung der Dinge, zumal wenn die zuſam-
mengeſetztern Urſachen in einfache auſgeloͤſet werden, am
Ende auf nichts anders, als auf einer ſolchen Verbin-
dung der Vorſtellungen, die ſich aus den Empfindungen
herſchreibet, gegruͤndet iſt. Wir ſind in den meiſten
Faͤllen keiner andern Erkenntniß von dieſer Gattung von
Verbindung unter den wirklichen Dingen faͤhig. Die
einfachen Grundſaͤtze der Naturlehre, aus welchen die
wirkende Verbindung der Koͤrper begriffen wird, ſind
Sammlungen von einer Menge uͤbereinſtimmender und
aͤhnlicher Erfahrungen. Z. B. die Saͤtze: die Koͤrper
ziehen ſich einander an; die Waͤrme dehnet die Koͤrper
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/374>, abgerufen am 27.11.2024.
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