Da sie aber das sind, so setzen sie schon mehr be- stimmte einzelne Jdeen voraus, von denen sie das Ge- meinschaftliche und Aehnliche in sich fassen. Die Ver- schiedenheit überhaupt enthält z. B. das Aehnliche, was in der Verschiedenheit des Menschen und des Thie- res, des Baumes und des Berges, des Himmels und der Erde u. s. f. enthalten ist. Die Abhängigkeit über- haupt ist etwas, das wir in allen besondern Fällen vor- finden, wo eine Ursache eine Wirkung hervorbringt. Es kann eine solche allgemeine Jdee eine reine Abstrak- tion seyn, aber auch schon eine Zusammensetzung aus andern Abstraktionen.
Die allgemeinen Verhältnißideen, oder Ver- hältnißbegriffe haben wohl am allerwenigsten unter allen übrigen Gattungen von Jdeen, ich will nicht sa- gen, zuerst unterschieden, aber doch in uns als verschie- dene abgesondert erhalten werden können, wenn man sie nicht durch Worte oder andere Zeichen merkbar gemacht hätte. Jndessen hindert dieß nicht, bey ihnen, so wie bey den Jdeen von absoluten Gegenständen, das Wort und den Begrif von einander zu unterscheiden, und nur auf den letztern Rücksicht zu nehmen. Denn es versteht sich doch von selbst, daß die Verschiedenheit der Verhält- nißbegriffe auch in den Gedanken selbst seyn müsse, und nicht in den Worten allein, womit wir sie ausdrücken.
Die allgemeinen Verhältnisse führen eben so auf besondere einzelne individuelle Verhältnißideen zu- rück, als die allgemeine Jdeen von dem Körper auf die Jdeen von einzelnen Körpern. Die zwey Bücher, die vor mir liegen, sind verschiedene Bücher. Hier sind einzelne Empfindungsideen von den beiden Sachen, und zwischen diesen ist eine bestimmte einzelne Verschieden- heit, von der ich eine Vorstellung habe. Jch fasse das Buch mit meiner Hand an, und hebe es in die Höhe. Hier ist eine Ursache und eine Wirkung, und eine ur-
sach-
IV. Verſuch. Ueber die Denkkraft
Da ſie aber das ſind, ſo ſetzen ſie ſchon mehr be- ſtimmte einzelne Jdeen voraus, von denen ſie das Ge- meinſchaftliche und Aehnliche in ſich faſſen. Die Ver- ſchiedenheit uͤberhaupt enthaͤlt z. B. das Aehnliche, was in der Verſchiedenheit des Menſchen und des Thie- res, des Baumes und des Berges, des Himmels und der Erde u. ſ. f. enthalten iſt. Die Abhaͤngigkeit uͤber- haupt iſt etwas, das wir in allen beſondern Faͤllen vor- finden, wo eine Urſache eine Wirkung hervorbringt. Es kann eine ſolche allgemeine Jdee eine reine Abſtrak- tion ſeyn, aber auch ſchon eine Zuſammenſetzung aus andern Abſtraktionen.
Die allgemeinen Verhaͤltnißideen, oder Ver- haͤltnißbegriffe haben wohl am allerwenigſten unter allen uͤbrigen Gattungen von Jdeen, ich will nicht ſa- gen, zuerſt unterſchieden, aber doch in uns als verſchie- dene abgeſondert erhalten werden koͤnnen, wenn man ſie nicht durch Worte oder andere Zeichen merkbar gemacht haͤtte. Jndeſſen hindert dieß nicht, bey ihnen, ſo wie bey den Jdeen von abſoluten Gegenſtaͤnden, das Wort und den Begrif von einander zu unterſcheiden, und nur auf den letztern Ruͤckſicht zu nehmen. Denn es verſteht ſich doch von ſelbſt, daß die Verſchiedenheit der Verhaͤlt- nißbegriffe auch in den Gedanken ſelbſt ſeyn muͤſſe, und nicht in den Worten allein, womit wir ſie ausdruͤcken.
Die allgemeinen Verhaͤltniſſe fuͤhren eben ſo auf beſondere einzelne individuelle Verhaͤltnißideen zu- ruͤck, als die allgemeine Jdeen von dem Koͤrper auf die Jdeen von einzelnen Koͤrpern. Die zwey Buͤcher, die vor mir liegen, ſind verſchiedene Buͤcher. Hier ſind einzelne Empfindungsideen von den beiden Sachen, und zwiſchen dieſen iſt eine beſtimmte einzelne Verſchieden- heit, von der ich eine Vorſtellung habe. Jch faſſe das Buch mit meiner Hand an, und hebe es in die Hoͤhe. Hier iſt eine Urſache und eine Wirkung, und eine ur-
ſach-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0362"n="302"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">IV.</hi> Verſuch. Ueber die Denkkraft</hi></fw><lb/><p>Da ſie aber das ſind, ſo ſetzen ſie ſchon mehr be-<lb/>ſtimmte einzelne Jdeen voraus, von denen ſie das Ge-<lb/>
meinſchaftliche und Aehnliche in ſich faſſen. Die <hirendition="#fr">Ver-<lb/>ſchiedenheit</hi> uͤberhaupt enthaͤlt z. B. das Aehnliche,<lb/>
was in der Verſchiedenheit des Menſchen und des Thie-<lb/>
res, des Baumes und des Berges, des Himmels und<lb/>
der Erde u. ſ. f. enthalten iſt. Die <hirendition="#fr">Abhaͤngigkeit</hi> uͤber-<lb/>
haupt iſt etwas, das wir in allen beſondern Faͤllen vor-<lb/>
finden, wo eine Urſache eine Wirkung hervorbringt.<lb/>
Es kann eine ſolche allgemeine Jdee eine <hirendition="#fr">reine Abſtrak-<lb/>
tion</hi>ſeyn, aber auch ſchon eine Zuſammenſetzung aus<lb/>
andern Abſtraktionen.</p><lb/><p>Die <hirendition="#fr">allgemeinen Verhaͤltnißideen,</hi> oder <hirendition="#fr">Ver-<lb/>
haͤltnißbegriffe</hi> haben wohl am allerwenigſten unter<lb/>
allen uͤbrigen Gattungen von Jdeen, ich will nicht ſa-<lb/>
gen, zuerſt unterſchieden, aber doch in uns als verſchie-<lb/>
dene abgeſondert erhalten werden koͤnnen, wenn man ſie<lb/>
nicht durch Worte oder andere Zeichen merkbar gemacht<lb/>
haͤtte. Jndeſſen hindert dieß nicht, bey ihnen, ſo wie<lb/>
bey den Jdeen von abſoluten Gegenſtaͤnden, das <hirendition="#fr">Wort</hi><lb/>
und den <hirendition="#fr">Begrif</hi> von einander zu unterſcheiden, und nur<lb/>
auf den letztern Ruͤckſicht zu nehmen. Denn es verſteht<lb/>ſich doch von ſelbſt, daß die Verſchiedenheit der Verhaͤlt-<lb/>
nißbegriffe auch in den Gedanken ſelbſt ſeyn muͤſſe, und<lb/>
nicht in den Worten allein, womit wir ſie ausdruͤcken.</p><lb/><p>Die <hirendition="#fr">allgemeinen Verhaͤltniſſe</hi> fuͤhren eben ſo auf<lb/>
beſondere <hirendition="#fr">einzelne individuelle Verhaͤltnißideen</hi> zu-<lb/>
ruͤck, als die allgemeine Jdeen von dem Koͤrper auf die<lb/>
Jdeen von einzelnen Koͤrpern. Die zwey Buͤcher, die<lb/>
vor mir liegen, ſind verſchiedene Buͤcher. Hier ſind<lb/>
einzelne Empfindungsideen von den beiden Sachen, und<lb/>
zwiſchen dieſen iſt eine beſtimmte <hirendition="#fr">einzelne</hi> Verſchieden-<lb/>
heit, von der ich eine Vorſtellung habe. Jch faſſe das<lb/>
Buch mit meiner Hand an, und hebe es in die Hoͤhe.<lb/>
Hier iſt eine Urſache und eine Wirkung, und eine <hirendition="#fr">ur-</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">ſach-</hi></fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[302/0362]
IV. Verſuch. Ueber die Denkkraft
Da ſie aber das ſind, ſo ſetzen ſie ſchon mehr be-
ſtimmte einzelne Jdeen voraus, von denen ſie das Ge-
meinſchaftliche und Aehnliche in ſich faſſen. Die Ver-
ſchiedenheit uͤberhaupt enthaͤlt z. B. das Aehnliche,
was in der Verſchiedenheit des Menſchen und des Thie-
res, des Baumes und des Berges, des Himmels und
der Erde u. ſ. f. enthalten iſt. Die Abhaͤngigkeit uͤber-
haupt iſt etwas, das wir in allen beſondern Faͤllen vor-
finden, wo eine Urſache eine Wirkung hervorbringt.
Es kann eine ſolche allgemeine Jdee eine reine Abſtrak-
tion ſeyn, aber auch ſchon eine Zuſammenſetzung aus
andern Abſtraktionen.
Die allgemeinen Verhaͤltnißideen, oder Ver-
haͤltnißbegriffe haben wohl am allerwenigſten unter
allen uͤbrigen Gattungen von Jdeen, ich will nicht ſa-
gen, zuerſt unterſchieden, aber doch in uns als verſchie-
dene abgeſondert erhalten werden koͤnnen, wenn man ſie
nicht durch Worte oder andere Zeichen merkbar gemacht
haͤtte. Jndeſſen hindert dieß nicht, bey ihnen, ſo wie
bey den Jdeen von abſoluten Gegenſtaͤnden, das Wort
und den Begrif von einander zu unterſcheiden, und nur
auf den letztern Ruͤckſicht zu nehmen. Denn es verſteht
ſich doch von ſelbſt, daß die Verſchiedenheit der Verhaͤlt-
nißbegriffe auch in den Gedanken ſelbſt ſeyn muͤſſe, und
nicht in den Worten allein, womit wir ſie ausdruͤcken.
Die allgemeinen Verhaͤltniſſe fuͤhren eben ſo auf
beſondere einzelne individuelle Verhaͤltnißideen zu-
ruͤck, als die allgemeine Jdeen von dem Koͤrper auf die
Jdeen von einzelnen Koͤrpern. Die zwey Buͤcher, die
vor mir liegen, ſind verſchiedene Buͤcher. Hier ſind
einzelne Empfindungsideen von den beiden Sachen, und
zwiſchen dieſen iſt eine beſtimmte einzelne Verſchieden-
heit, von der ich eine Vorſtellung habe. Jch faſſe das
Buch mit meiner Hand an, und hebe es in die Hoͤhe.
Hier iſt eine Urſache und eine Wirkung, und eine ur-
ſach-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/362>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.