zu den ersten Anfängen dieser Vermögen in der Grundkraft mich so weit hin zu nähern, als ichs möglich fand. Mit den Erkenntnißfähig- keiten ist der Anfang gemacht. Hier haben fast alle Psychologen den Eingang zu dem Jn- nern der Seele am offensten gefunden, und es beweiset der Erfolg, daß wirklich die Seele sich an dieser Seite am deutlichsten äußere, da keine andere Art von ihren Aeußerungen sich so gut zergliedern lässet, als Vorstellungen und Gedanken.
Diese ersten Untersuchungen setzen uns in den Stand, besser die neuern Hypothesen über die Natur unsers Seelenwesens zu beurtheilen. Die Bonnetische verdient vor andern die sorgfältigste Prüfung. Sie kann die Bonne- tische heißen, ob gleich Hr. Bonnet nicht der erste ist, der sie vorgetragen hat. Denn wenn man bis auf ihre erste Anlage zurück gehen wollte, so würde sich solche, wie fast zu allen andern von den Neuern weiter entwickelten Jdeen, bey den alten Philosophen schon fin- den lassen. Die aristotelische Jdee von der Seele als einer substanziellen Form des thie- rischen Körpers scheint nicht weit von der neuen Jdee, die sie zu einer substanziellen Kraft des Gehirns macht, entfernet zu seyn. Gleich- wohl kann Hr. Bonnet, so viel ich weiß, auf die Ehre Anspruch machen, diese Hypothese aufs genaueste bestimmet, sie deutlich und aus- führlich entwickelt, zur Erklärung der beson- dern psychologischen Erfahrungen angewendet,
und
Vorrede.
zu den erſten Anfaͤngen dieſer Vermoͤgen in der Grundkraft mich ſo weit hin zu naͤhern, als ichs moͤglich fand. Mit den Erkenntnißfaͤhig- keiten iſt der Anfang gemacht. Hier haben faſt alle Pſychologen den Eingang zu dem Jn- nern der Seele am offenſten gefunden, und es beweiſet der Erfolg, daß wirklich die Seele ſich an dieſer Seite am deutlichſten aͤußere, da keine andere Art von ihren Aeußerungen ſich ſo gut zergliedern laͤſſet, als Vorſtellungen und Gedanken.
Dieſe erſten Unterſuchungen ſetzen uns in den Stand, beſſer die neuern Hypotheſen uͤber die Natur unſers Seelenweſens zu beurtheilen. Die Bonnetiſche verdient vor andern die ſorgfaͤltigſte Pruͤfung. Sie kann die Bonne- tiſche heißen, ob gleich Hr. Bonnet nicht der erſte iſt, der ſie vorgetragen hat. Denn wenn man bis auf ihre erſte Anlage zuruͤck gehen wollte, ſo wuͤrde ſich ſolche, wie faſt zu allen andern von den Neuern weiter entwickelten Jdeen, bey den alten Philoſophen ſchon fin- den laſſen. Die ariſtoteliſche Jdee von der Seele als einer ſubſtanziellen Form des thie- riſchen Koͤrpers ſcheint nicht weit von der neuen Jdee, die ſie zu einer ſubſtanziellen Kraft des Gehirns macht, entfernet zu ſeyn. Gleich- wohl kann Hr. Bonnet, ſo viel ich weiß, auf die Ehre Anſpruch machen, dieſe Hypotheſe aufs genaueſte beſtimmet, ſie deutlich und aus- fuͤhrlich entwickelt, zur Erklaͤrung der beſon- dern pſychologiſchen Erfahrungen angewendet,
und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0035"n="XXXI"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Vorrede</hi>.</hi></fw><lb/>
zu den erſten Anfaͤngen dieſer Vermoͤgen in der<lb/>
Grundkraft mich ſo weit hin zu naͤhern, als<lb/>
ichs moͤglich fand. Mit den Erkenntnißfaͤhig-<lb/>
keiten iſt der Anfang gemacht. Hier haben<lb/>
faſt alle Pſychologen den Eingang zu dem Jn-<lb/>
nern der Seele am offenſten gefunden, und es<lb/>
beweiſet der Erfolg, daß wirklich die Seele<lb/>ſich an dieſer Seite am deutlichſten aͤußere, da<lb/>
keine andere Art von ihren Aeußerungen ſich<lb/>ſo gut zergliedern laͤſſet, als Vorſtellungen<lb/>
und Gedanken.</p><lb/><p>Dieſe erſten Unterſuchungen ſetzen uns in<lb/>
den Stand, beſſer die neuern Hypotheſen uͤber<lb/>
die Natur unſers Seelenweſens zu beurtheilen.<lb/>
Die <hirendition="#fr">Bonnetiſche</hi> verdient vor andern die<lb/>ſorgfaͤltigſte Pruͤfung. Sie kann die <hirendition="#fr">Bonne-<lb/>
tiſche</hi> heißen, ob gleich Hr. <hirendition="#fr">Bonnet</hi> nicht der<lb/>
erſte iſt, der ſie vorgetragen hat. Denn wenn<lb/>
man bis auf ihre erſte Anlage zuruͤck gehen<lb/>
wollte, ſo wuͤrde ſich ſolche, wie faſt zu allen<lb/>
andern von den Neuern weiter entwickelten<lb/>
Jdeen, bey den alten Philoſophen ſchon fin-<lb/>
den laſſen. Die ariſtoteliſche Jdee von der<lb/>
Seele als einer <hirendition="#fr">ſubſtanziellen Form</hi> des thie-<lb/>
riſchen Koͤrpers ſcheint nicht weit von der neuen<lb/>
Jdee, die ſie zu einer ſubſtanziellen Kraft des<lb/>
Gehirns macht, entfernet zu ſeyn. Gleich-<lb/>
wohl kann Hr. <hirendition="#fr">Bonnet,</hi>ſo viel ich weiß, auf<lb/>
die Ehre Anſpruch machen, dieſe Hypotheſe<lb/>
aufs genaueſte beſtimmet, ſie deutlich und aus-<lb/>
fuͤhrlich entwickelt, zur Erklaͤrung der beſon-<lb/>
dern pſychologiſchen Erfahrungen angewendet,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[XXXI/0035]
Vorrede.
zu den erſten Anfaͤngen dieſer Vermoͤgen in der
Grundkraft mich ſo weit hin zu naͤhern, als
ichs moͤglich fand. Mit den Erkenntnißfaͤhig-
keiten iſt der Anfang gemacht. Hier haben
faſt alle Pſychologen den Eingang zu dem Jn-
nern der Seele am offenſten gefunden, und es
beweiſet der Erfolg, daß wirklich die Seele
ſich an dieſer Seite am deutlichſten aͤußere, da
keine andere Art von ihren Aeußerungen ſich
ſo gut zergliedern laͤſſet, als Vorſtellungen
und Gedanken.
Dieſe erſten Unterſuchungen ſetzen uns in
den Stand, beſſer die neuern Hypotheſen uͤber
die Natur unſers Seelenweſens zu beurtheilen.
Die Bonnetiſche verdient vor andern die
ſorgfaͤltigſte Pruͤfung. Sie kann die Bonne-
tiſche heißen, ob gleich Hr. Bonnet nicht der
erſte iſt, der ſie vorgetragen hat. Denn wenn
man bis auf ihre erſte Anlage zuruͤck gehen
wollte, ſo wuͤrde ſich ſolche, wie faſt zu allen
andern von den Neuern weiter entwickelten
Jdeen, bey den alten Philoſophen ſchon fin-
den laſſen. Die ariſtoteliſche Jdee von der
Seele als einer ſubſtanziellen Form des thie-
riſchen Koͤrpers ſcheint nicht weit von der neuen
Jdee, die ſie zu einer ſubſtanziellen Kraft des
Gehirns macht, entfernet zu ſeyn. Gleich-
wohl kann Hr. Bonnet, ſo viel ich weiß, auf
die Ehre Anſpruch machen, dieſe Hypotheſe
aufs genaueſte beſtimmet, ſie deutlich und aus-
fuͤhrlich entwickelt, zur Erklaͤrung der beſon-
dern pſychologiſchen Erfahrungen angewendet,
und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. XXXI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/35>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.