net mir durch das Raisonnement außer Zweifel gesetzet zu seyn, dessen ich in dem nächstvorhergehenden Versuch erwähnet habe. Condillac ist auch hier gleich wieder bey der Hand mit seinen Entscheidungen. Die Auf- merksamkeit ist nichts, sagt er, als ein lebhaftes Ge- fühl; Vergleichen und Reflektiren ist nichts, als ein Gefühl von zween oder mehreren empfundenen Gegen- ständen, die man gegenwärtig vor sich hat; das Wie- dererinnern ist nichts, als das Gefühl einer vergan- genen Empfindung, die in der Einbildungskraft mit ei- nem matten Licht zurück geblieben ist. Und also das Gewahrnehmen? was anders, als ein lebhaftes, hervorstechendes Gefühl einer empfundenen oder einer vor- gestellten Sache?
Zufolge einer in dem Versuch über die Vorstellun- gen (N. V.) gemachten Anmerkung verbindet sich die Gewahrnehmung eines empfundenen Gegenstandes nicht sowohl mit der ersten Aufnahme eines sinnlichen Ein- drucks, und mit dessen Empfinden, als vielmehr mit der Nachempfindung. Der Eindruck von der Rose, von der Sonne, ist schon in uns aufgenommen, und bestehet daselbst in den Zeitmomenten zwischen den unter- brochen auf einander folgenden Eindrücken von außen. Alsdenn ist die Nachempfindung vorhanden; die Em- pfindung ist schon in eine Vorstellung übergegangen; und durch diese Vorstellung wird das Empfundene wahr- genommen. Wenn die Empfindungen oder die blos ge- fühlten Eindrücke am stärksten sind, so nehmen wir am wenigsten gewahr, und indem wir noch die Augen starr auf die Sache gerichtet haben, gar nicht. Lebhaftes Ge- fühl hält die Reflexion zurück. Aber es ist unnöthig, auf diesen Unterschied hier Rücksicht zu nehmen. Die Nachempfindung kann selbst noch zu der Empfindung mit gerechnet werden, wo nicht etwan die Beziehung des Fühlens und des Percipirens untersuchet werden soll.
Jch
III. Verſuch. Ueber das Gewahrnehmen
net mir durch das Raiſonnement außer Zweifel geſetzet zu ſeyn, deſſen ich in dem naͤchſtvorhergehenden Verſuch erwaͤhnet habe. Condillac iſt auch hier gleich wieder bey der Hand mit ſeinen Entſcheidungen. Die Auf- merkſamkeit iſt nichts, ſagt er, als ein lebhaftes Ge- fuͤhl; Vergleichen und Reflektiren iſt nichts, als ein Gefuͤhl von zween oder mehreren empfundenen Gegen- ſtaͤnden, die man gegenwaͤrtig vor ſich hat; das Wie- dererinnern iſt nichts, als das Gefuͤhl einer vergan- genen Empfindung, die in der Einbildungskraft mit ei- nem matten Licht zuruͤck geblieben iſt. Und alſo das Gewahrnehmen? was anders, als ein lebhaftes, hervorſtechendes Gefuͤhl einer empfundenen oder einer vor- geſtellten Sache?
Zufolge einer in dem Verſuch uͤber die Vorſtellun- gen (N. V.) gemachten Anmerkung verbindet ſich die Gewahrnehmung eines empfundenen Gegenſtandes nicht ſowohl mit der erſten Aufnahme eines ſinnlichen Ein- drucks, und mit deſſen Empfinden, als vielmehr mit der Nachempfindung. Der Eindruck von der Roſe, von der Sonne, iſt ſchon in uns aufgenommen, und beſtehet daſelbſt in den Zeitmomenten zwiſchen den unter- brochen auf einander folgenden Eindruͤcken von außen. Alsdenn iſt die Nachempfindung vorhanden; die Em- pfindung iſt ſchon in eine Vorſtellung uͤbergegangen; und durch dieſe Vorſtellung wird das Empfundene wahr- genommen. Wenn die Empfindungen oder die blos ge- fuͤhlten Eindruͤcke am ſtaͤrkſten ſind, ſo nehmen wir am wenigſten gewahr, und indem wir noch die Augen ſtarr auf die Sache gerichtet haben, gar nicht. Lebhaftes Ge- fuͤhl haͤlt die Reflexion zuruͤck. Aber es iſt unnoͤthig, auf dieſen Unterſchied hier Ruͤckſicht zu nehmen. Die Nachempfindung kann ſelbſt noch zu der Empfindung mit gerechnet werden, wo nicht etwan die Beziehung des Fuͤhlens und des Percipirens unterſuchet werden ſoll.
Jch
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III. Verſuch. Ueber das Gewahrnehmen
net mir durch das Raiſonnement außer Zweifel geſetzet
zu ſeyn, deſſen ich in dem naͤchſtvorhergehenden Verſuch
erwaͤhnet habe. Condillac iſt auch hier gleich wieder
bey der Hand mit ſeinen Entſcheidungen. Die Auf-
merkſamkeit iſt nichts, ſagt er, als ein lebhaftes Ge-
fuͤhl; Vergleichen und Reflektiren iſt nichts, als ein
Gefuͤhl von zween oder mehreren empfundenen Gegen-
ſtaͤnden, die man gegenwaͤrtig vor ſich hat; das Wie-
dererinnern iſt nichts, als das Gefuͤhl einer vergan-
genen Empfindung, die in der Einbildungskraft mit ei-
nem matten Licht zuruͤck geblieben iſt. Und alſo das
Gewahrnehmen? was anders, als ein lebhaftes,
hervorſtechendes Gefuͤhl einer empfundenen oder einer vor-
geſtellten Sache?
Zufolge einer in dem Verſuch uͤber die Vorſtellun-
gen (N. V.) gemachten Anmerkung verbindet ſich die
Gewahrnehmung eines empfundenen Gegenſtandes nicht
ſowohl mit der erſten Aufnahme eines ſinnlichen Ein-
drucks, und mit deſſen Empfinden, als vielmehr mit
der Nachempfindung. Der Eindruck von der Roſe,
von der Sonne, iſt ſchon in uns aufgenommen, und
beſtehet daſelbſt in den Zeitmomenten zwiſchen den unter-
brochen auf einander folgenden Eindruͤcken von außen.
Alsdenn iſt die Nachempfindung vorhanden; die Em-
pfindung iſt ſchon in eine Vorſtellung uͤbergegangen;
und durch dieſe Vorſtellung wird das Empfundene wahr-
genommen. Wenn die Empfindungen oder die blos ge-
fuͤhlten Eindruͤcke am ſtaͤrkſten ſind, ſo nehmen wir am
wenigſten gewahr, und indem wir noch die Augen ſtarr
auf die Sache gerichtet haben, gar nicht. Lebhaftes Ge-
fuͤhl haͤlt die Reflexion zuruͤck. Aber es iſt unnoͤthig,
auf dieſen Unterſchied hier Ruͤckſicht zu nehmen. Die
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/324>, abgerufen am 22.11.2024.
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