Gegenständen hat, so wird die Jdee bestätiget, nach welcher der Aktus des Fühlens eine geistige Zurückwir- kung seyn soll, die alsdenn erfolget, wenn die Seele etwas leidend aufnimmt. Die Reaktion des Körpers stellet man sich als eine Aktion vor, die er alsdenn äu- ßert, wenn ein anderer ihn verändert, die aber mit der Aktion des fremden Körpers, der auf den leidenden wir- ket, in einem Ebenmaaß stehet. Es kann hier unaus- gemacht bleiben, ob diese Vorstellung der Natur gemäß ist, oder nicht, da sie hier nur als ein Bild gebrauchet wird. Die Reaktion erfolget auf jede leidentliche Ver- änderung; keine ausgenommen, aber auch nur so, daß sie der Aktion entspricht, und weder von selbst hervorge- het, noch weiter fort sich beweiset, als in so ferne sie von der Einwirkung des äußern Körpers gereizet wird. Die Rückwirkung ist eine blos anders woher erregte Aktion; keine solche die aus einem innern Selbsttriebe, oder aus einer Tendenz zum Bewegen hervorkommet.
Hr. Bonnet und andere neuere Philosophen haben aber noch einen Grund mehr, das Fühlen wie ein Rückwirken anzusehen, wodurch die Aehnlichkeit zwi- schen beiden weiter ausgedehnet wird, als die Beobach- tungen es erlauben. Die Rückwirkung des Körpers er- folget nur auf die Einwirkung einer äußern von dem lei- denden Körper unterschiedenen Kraft, und hat diesen äußern Körper zu ihrem Gegenstand. Auf die nämliche Art soll nach Hr. Bonnets Jdee dasjenige, was die Seele fühlet, die gegenwärtige und absolute Verände- rung, etwas außer ihr seyn; im Gehirn nemlich, wel- ches der Sitz aller Vorstellungen und fast aller Seelen- veränderungen ist: und auf dieses soll die Seele als eine fühlende Kraft zurückwirken. Auf einer solchen Vor- stellung bauete schon Condillac, und nachher hat Hr. Search sie mit verschiedenen andern als eine Grundvor- stellung angenommen.
Eine
II. Verſuch. Ueber das Gefuͤhl,
Gegenſtaͤnden hat, ſo wird die Jdee beſtaͤtiget, nach welcher der Aktus des Fuͤhlens eine geiſtige Zuruͤckwir- kung ſeyn ſoll, die alsdenn erfolget, wenn die Seele etwas leidend aufnimmt. Die Reaktion des Koͤrpers ſtellet man ſich als eine Aktion vor, die er alsdenn aͤu- ßert, wenn ein anderer ihn veraͤndert, die aber mit der Aktion des fremden Koͤrpers, der auf den leidenden wir- ket, in einem Ebenmaaß ſtehet. Es kann hier unaus- gemacht bleiben, ob dieſe Vorſtellung der Natur gemaͤß iſt, oder nicht, da ſie hier nur als ein Bild gebrauchet wird. Die Reaktion erfolget auf jede leidentliche Ver- aͤnderung; keine ausgenommen, aber auch nur ſo, daß ſie der Aktion entſpricht, und weder von ſelbſt hervorge- het, noch weiter fort ſich beweiſet, als in ſo ferne ſie von der Einwirkung des aͤußern Koͤrpers gereizet wird. Die Ruͤckwirkung iſt eine blos anders woher erregte Aktion; keine ſolche die aus einem innern Selbſttriebe, oder aus einer Tendenz zum Bewegen hervorkommet.
Hr. Bonnet und andere neuere Philoſophen haben aber noch einen Grund mehr, das Fuͤhlen wie ein Ruͤckwirken anzuſehen, wodurch die Aehnlichkeit zwi- ſchen beiden weiter ausgedehnet wird, als die Beobach- tungen es erlauben. Die Ruͤckwirkung des Koͤrpers er- folget nur auf die Einwirkung einer aͤußern von dem lei- denden Koͤrper unterſchiedenen Kraft, und hat dieſen aͤußern Koͤrper zu ihrem Gegenſtand. Auf die naͤmliche Art ſoll nach Hr. Bonnets Jdee dasjenige, was die Seele fuͤhlet, die gegenwaͤrtige und abſolute Veraͤnde- rung, etwas außer ihr ſeyn; im Gehirn nemlich, wel- ches der Sitz aller Vorſtellungen und faſt aller Seelen- veraͤnderungen iſt: und auf dieſes ſoll die Seele als eine fuͤhlende Kraft zuruͤckwirken. Auf einer ſolchen Vor- ſtellung bauete ſchon Condillac, und nachher hat Hr. Search ſie mit verſchiedenen andern als eine Grundvor- ſtellung angenommen.
Eine
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II. Verſuch. Ueber das Gefuͤhl,
Gegenſtaͤnden hat, ſo wird die Jdee beſtaͤtiget, nach
welcher der Aktus des Fuͤhlens eine geiſtige Zuruͤckwir-
kung ſeyn ſoll, die alsdenn erfolget, wenn die Seele
etwas leidend aufnimmt. Die Reaktion des Koͤrpers
ſtellet man ſich als eine Aktion vor, die er alsdenn aͤu-
ßert, wenn ein anderer ihn veraͤndert, die aber mit der
Aktion des fremden Koͤrpers, der auf den leidenden wir-
ket, in einem Ebenmaaß ſtehet. Es kann hier unaus-
gemacht bleiben, ob dieſe Vorſtellung der Natur gemaͤß
iſt, oder nicht, da ſie hier nur als ein Bild gebrauchet
wird. Die Reaktion erfolget auf jede leidentliche Ver-
aͤnderung; keine ausgenommen, aber auch nur ſo, daß
ſie der Aktion entſpricht, und weder von ſelbſt hervorge-
het, noch weiter fort ſich beweiſet, als in ſo ferne ſie von
der Einwirkung des aͤußern Koͤrpers gereizet wird. Die
Ruͤckwirkung iſt eine blos anders woher erregte Aktion;
keine ſolche die aus einem innern Selbſttriebe, oder aus
einer Tendenz zum Bewegen hervorkommet.
Hr. Bonnet und andere neuere Philoſophen haben
aber noch einen Grund mehr, das Fuͤhlen wie ein
Ruͤckwirken anzuſehen, wodurch die Aehnlichkeit zwi-
ſchen beiden weiter ausgedehnet wird, als die Beobach-
tungen es erlauben. Die Ruͤckwirkung des Koͤrpers er-
folget nur auf die Einwirkung einer aͤußern von dem lei-
denden Koͤrper unterſchiedenen Kraft, und hat dieſen
aͤußern Koͤrper zu ihrem Gegenſtand. Auf die naͤmliche
Art ſoll nach Hr. Bonnets Jdee dasjenige, was die
Seele fuͤhlet, die gegenwaͤrtige und abſolute Veraͤnde-
rung, etwas außer ihr ſeyn; im Gehirn nemlich, wel-
ches der Sitz aller Vorſtellungen und faſt aller Seelen-
veraͤnderungen iſt: und auf dieſes ſoll die Seele als eine
fuͤhlende Kraft zuruͤckwirken. Auf einer ſolchen Vor-
ſtellung bauete ſchon Condillac, und nachher hat Hr.
Search ſie mit verſchiedenen andern als eine Grundvor-
ſtellung angenommen.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/316>, abgerufen am 22.12.2024.
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