Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Versuch. Ueber das Gefühl,
die Eine, bald die andere solcher absoluten Wirkungen
gewahrnehmen. Dieß zusammen macht es doch wahr-
scheinlich, es sey nicht das Relative, nicht Verhältniß,
nicht Beziehung, was unmittelbar gefühlet werde, und
wodurch die Empfindung eine Empfindniß wird, son-
dern es sey das Absolute in ihnen, dessen Gefühl Gefal-
len und Mißfallen hervorbringet. Nicht die Harmonie
der Töne also, sondern die Wirkung der harmonischen
Töne, die sie eben dieser Harmonie wegen auf die Seele
hervorbringen, ist es, dessen Gefühl, als ein Gefühl
des thätigen Daseyns, angenehm ist, und das was wir
ein Gefühl der Harmonie nennen, in uns ausmachet.

V.
Von den Beziehungen der Empfindnisse auf die
Empfindungen. 1) Das Rührende ist eine
Beschaffenheit der rührenden Empfindungen.
2) Ob das Rührende von den rührenden Em-
pfindungen getrennet werden könne?
1.

Wie verhalten sich nun in den Empfindnissen die
beiden Empfindungen gegen einander, die
Empfindung des Gegenstandes und die Empfin-
dung des Rührenden,
des Angenehmen oder Un-
angenehmen? Wir können diese von jenen mit dem
Verstande unterscheiden. Beyde entstehen aus demsel-
bigen Eindruck, aber aus unterschiedenen Beschaffen-
heiten desselben. Jst die Empfindung des Afficirenden
eine besondere Empfindung, welche auf die Empfindung
des Gegenstandes folget, etwan um ein Moment später
kommt?

Oder

II. Verſuch. Ueber das Gefuͤhl,
die Eine, bald die andere ſolcher abſoluten Wirkungen
gewahrnehmen. Dieß zuſammen macht es doch wahr-
ſcheinlich, es ſey nicht das Relative, nicht Verhaͤltniß,
nicht Beziehung, was unmittelbar gefuͤhlet werde, und
wodurch die Empfindung eine Empfindniß wird, ſon-
dern es ſey das Abſolute in ihnen, deſſen Gefuͤhl Gefal-
len und Mißfallen hervorbringet. Nicht die Harmonie
der Toͤne alſo, ſondern die Wirkung der harmoniſchen
Toͤne, die ſie eben dieſer Harmonie wegen auf die Seele
hervorbringen, iſt es, deſſen Gefuͤhl, als ein Gefuͤhl
des thaͤtigen Daſeyns, angenehm iſt, und das was wir
ein Gefuͤhl der Harmonie nennen, in uns ausmachet.

V.
Von den Beziehungen der Empfindniſſe auf die
Empfindungen. 1) Das Ruͤhrende iſt eine
Beſchaffenheit der ruͤhrenden Empfindungen.
2) Ob das Ruͤhrende von den ruͤhrenden Em-
pfindungen getrennet werden koͤnne?
1.

Wie verhalten ſich nun in den Empfindniſſen die
beiden Empfindungen gegen einander, die
Empfindung des Gegenſtandes und die Empfin-
dung des Ruͤhrenden,
des Angenehmen oder Un-
angenehmen? Wir koͤnnen dieſe von jenen mit dem
Verſtande unterſcheiden. Beyde entſtehen aus demſel-
bigen Eindruck, aber aus unterſchiedenen Beſchaffen-
heiten deſſelben. Jſt die Empfindung des Afficirenden
eine beſondere Empfindung, welche auf die Empfindung
des Gegenſtandes folget, etwan um ein Moment ſpaͤter
kommt?

Oder
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0270" n="210"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Ver&#x017F;uch. Ueber das Gefu&#x0364;hl,</hi></fw><lb/>
die Eine, bald die andere &#x017F;olcher ab&#x017F;oluten Wirkungen<lb/>
gewahrnehmen. Dieß zu&#x017F;ammen macht es doch wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlich, es &#x017F;ey nicht das Relative, nicht Verha&#x0364;ltniß,<lb/>
nicht Beziehung, was unmittelbar gefu&#x0364;hlet werde, und<lb/>
wodurch die Empfindung eine Empfindniß wird, &#x017F;on-<lb/>
dern es &#x017F;ey das Ab&#x017F;olute in ihnen, de&#x017F;&#x017F;en Gefu&#x0364;hl Gefal-<lb/>
len und Mißfallen hervorbringet. Nicht die Harmonie<lb/>
der To&#x0364;ne al&#x017F;o, &#x017F;ondern die Wirkung der harmoni&#x017F;chen<lb/>
To&#x0364;ne, die &#x017F;ie eben die&#x017F;er Harmonie wegen auf die Seele<lb/>
hervorbringen, i&#x017F;t es, de&#x017F;&#x017F;en Gefu&#x0364;hl, als ein Gefu&#x0364;hl<lb/>
des tha&#x0364;tigen Da&#x017F;eyns, angenehm i&#x017F;t, und das was wir<lb/>
ein Gefu&#x0364;hl der Harmonie nennen, in uns ausmachet.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">V.</hi><lb/>
Von den Beziehungen der Empfindni&#x017F;&#x017F;e auf die<lb/>
Empfindungen. 1) Das Ru&#x0364;hrende i&#x017F;t eine<lb/>
Be&#x017F;chaffenheit der ru&#x0364;hrenden Empfindungen.<lb/>
2) Ob das Ru&#x0364;hrende von den ru&#x0364;hrenden Em-<lb/>
pfindungen getrennet werden ko&#x0364;nne?</head><lb/>
          <div n="3">
            <head>1.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">W</hi>ie verhalten &#x017F;ich nun in den <hi rendition="#fr">Empfindni&#x017F;&#x017F;en</hi> die<lb/>
beiden <hi rendition="#fr">Empfindungen</hi> gegen einander, die<lb/><hi rendition="#fr">Empfindung des Gegen&#x017F;tandes</hi> und die <hi rendition="#fr">Empfin-<lb/>
dung des Ru&#x0364;hrenden,</hi> des Angenehmen oder Un-<lb/>
angenehmen? Wir ko&#x0364;nnen die&#x017F;e von jenen mit dem<lb/>
Ver&#x017F;tande unter&#x017F;cheiden. Beyde ent&#x017F;tehen aus dem&#x017F;el-<lb/>
bigen Eindruck, aber aus unter&#x017F;chiedenen Be&#x017F;chaffen-<lb/>
heiten de&#x017F;&#x017F;elben. J&#x017F;t die Empfindung des Afficirenden<lb/>
eine be&#x017F;ondere Empfindung, welche auf die Empfindung<lb/>
des Gegen&#x017F;tandes folget, etwan um ein Moment &#x017F;pa&#x0364;ter<lb/>
kommt?</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Oder</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[210/0270] II. Verſuch. Ueber das Gefuͤhl, die Eine, bald die andere ſolcher abſoluten Wirkungen gewahrnehmen. Dieß zuſammen macht es doch wahr- ſcheinlich, es ſey nicht das Relative, nicht Verhaͤltniß, nicht Beziehung, was unmittelbar gefuͤhlet werde, und wodurch die Empfindung eine Empfindniß wird, ſon- dern es ſey das Abſolute in ihnen, deſſen Gefuͤhl Gefal- len und Mißfallen hervorbringet. Nicht die Harmonie der Toͤne alſo, ſondern die Wirkung der harmoniſchen Toͤne, die ſie eben dieſer Harmonie wegen auf die Seele hervorbringen, iſt es, deſſen Gefuͤhl, als ein Gefuͤhl des thaͤtigen Daſeyns, angenehm iſt, und das was wir ein Gefuͤhl der Harmonie nennen, in uns ausmachet. V. Von den Beziehungen der Empfindniſſe auf die Empfindungen. 1) Das Ruͤhrende iſt eine Beſchaffenheit der ruͤhrenden Empfindungen. 2) Ob das Ruͤhrende von den ruͤhrenden Em- pfindungen getrennet werden koͤnne? 1. Wie verhalten ſich nun in den Empfindniſſen die beiden Empfindungen gegen einander, die Empfindung des Gegenſtandes und die Empfin- dung des Ruͤhrenden, des Angenehmen oder Un- angenehmen? Wir koͤnnen dieſe von jenen mit dem Verſtande unterſcheiden. Beyde entſtehen aus demſel- bigen Eindruck, aber aus unterſchiedenen Beſchaffen- heiten deſſelben. Jſt die Empfindung des Afficirenden eine beſondere Empfindung, welche auf die Empfindung des Gegenſtandes folget, etwan um ein Moment ſpaͤter kommt? Oder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/270
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/270>, abgerufen am 22.12.2024.