mag dieß annehmen, oder dagegen das Verhältnisse- denken für eine besondere und wesentlich von jenem un- terschiedene Kraftäußerung der Seele ansehen; in bei- den Fällen wird es außer Zweifel seyn, daß das Gefühl des Absoluten auch in dem Gefühl der Verhältnisse wie- der vorkomme, und auch hier wiederum etwas Absolutes zum Gegenstande habe, davon das Urtheil oder der Ver- hältnißgedanke wohl zu unterscheiden sey. Bey dem Gefühl der objektivischen Verhältnisse der Dinge gegen einander will ich anfangen.
2.
Fühlen und empfinden, daß zwey elfenbeinerne Ku- geln gleich groß und gleich wichtig sind, ist doch etwas anders, als diese gleichgroße und gleichwichtige Kugeln jede besonders, nach einander, oder beide zugleich zu fühlen. Eben so ist es nicht einerley, die Verschieden- heit, die Stellung, die Folge der Dinge, den Einfluß des Einen in das andere u. s. w. zu empfinden, und die unterschiedene, die bey einander gestellte, die auf einan- der folgende Objekte selbst zu empfinden. Jenes ist das Gefühl der Beziehung selbst, dieß das Gefühl der sich auf einander beziehenden Dinge. Das er- stere ist nicht vorhanden ohne das letztere; aber ist oft vorhanden ohne das erstere. Wir fühlen oft die Objekte einzeln, oder ihre Jdeen in uns, ohne daß eine Em- pfindung ihrer Relation damit verbunden sey. Unläug- bar ist es, daß ein Hund die Ausdünstungen seines Herrn auf eine andere Weise rieche, als die Dünste von einem fremden Menschen; aber ob er auch ihre Verschiedenheit rieche und riechen könne, dieß ist eine Frage, die nicht zugleich mit jener, als wenn sie völlig einerley mit ihr wäre, bejahet werden darf.
Wenden wir das Auge von einem Gegenstande weg, auf einen andern hin, von einem Hause auf einen Thurm,
so
II. Verſuch. Ueber das Gefuͤhl,
mag dieß annehmen, oder dagegen das Verhaͤltniſſe- denken fuͤr eine beſondere und weſentlich von jenem un- terſchiedene Kraftaͤußerung der Seele anſehen; in bei- den Faͤllen wird es außer Zweifel ſeyn, daß das Gefuͤhl des Abſoluten auch in dem Gefuͤhl der Verhaͤltniſſe wie- der vorkomme, und auch hier wiederum etwas Abſolutes zum Gegenſtande habe, davon das Urtheil oder der Ver- haͤltnißgedanke wohl zu unterſcheiden ſey. Bey dem Gefuͤhl der objektiviſchen Verhaͤltniſſe der Dinge gegen einander will ich anfangen.
2.
Fuͤhlen und empfinden, daß zwey elfenbeinerne Ku- geln gleich groß und gleich wichtig ſind, iſt doch etwas anders, als dieſe gleichgroße und gleichwichtige Kugeln jede beſonders, nach einander, oder beide zugleich zu fuͤhlen. Eben ſo iſt es nicht einerley, die Verſchieden- heit, die Stellung, die Folge der Dinge, den Einfluß des Einen in das andere u. ſ. w. zu empfinden, und die unterſchiedene, die bey einander geſtellte, die auf einan- der folgende Objekte ſelbſt zu empfinden. Jenes iſt das Gefuͤhl der Beziehung ſelbſt, dieß das Gefuͤhl der ſich auf einander beziehenden Dinge. Das er- ſtere iſt nicht vorhanden ohne das letztere; aber iſt oft vorhanden ohne das erſtere. Wir fuͤhlen oft die Objekte einzeln, oder ihre Jdeen in uns, ohne daß eine Em- pfindung ihrer Relation damit verbunden ſey. Unlaͤug- bar iſt es, daß ein Hund die Ausduͤnſtungen ſeines Herrn auf eine andere Weiſe rieche, als die Duͤnſte von einem fremden Menſchen; aber ob er auch ihre Verſchiedenheit rieche und riechen koͤnne, dieß iſt eine Frage, die nicht zugleich mit jener, als wenn ſie voͤllig einerley mit ihr waͤre, bejahet werden darf.
Wenden wir das Auge von einem Gegenſtande weg, auf einen andern hin, von einem Hauſe auf einen Thurm,
ſo
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II. Verſuch. Ueber das Gefuͤhl,
mag dieß annehmen, oder dagegen das Verhaͤltniſſe-
denken fuͤr eine beſondere und weſentlich von jenem un-
terſchiedene Kraftaͤußerung der Seele anſehen; in bei-
den Faͤllen wird es außer Zweifel ſeyn, daß das Gefuͤhl
des Abſoluten auch in dem Gefuͤhl der Verhaͤltniſſe wie-
der vorkomme, und auch hier wiederum etwas Abſolutes
zum Gegenſtande habe, davon das Urtheil oder der Ver-
haͤltnißgedanke wohl zu unterſcheiden ſey. Bey dem
Gefuͤhl der objektiviſchen Verhaͤltniſſe der Dinge gegen
einander will ich anfangen.
2.
Fuͤhlen und empfinden, daß zwey elfenbeinerne Ku-
geln gleich groß und gleich wichtig ſind, iſt doch etwas
anders, als dieſe gleichgroße und gleichwichtige Kugeln
jede beſonders, nach einander, oder beide zugleich zu
fuͤhlen. Eben ſo iſt es nicht einerley, die Verſchieden-
heit, die Stellung, die Folge der Dinge, den Einfluß
des Einen in das andere u. ſ. w. zu empfinden, und die
unterſchiedene, die bey einander geſtellte, die auf einan-
der folgende Objekte ſelbſt zu empfinden. Jenes iſt das
Gefuͤhl der Beziehung ſelbſt, dieß das Gefuͤhl der
ſich auf einander beziehenden Dinge. Das er-
ſtere iſt nicht vorhanden ohne das letztere; aber iſt oft
vorhanden ohne das erſtere. Wir fuͤhlen oft die Objekte
einzeln, oder ihre Jdeen in uns, ohne daß eine Em-
pfindung ihrer Relation damit verbunden ſey. Unlaͤug-
bar iſt es, daß ein Hund die Ausduͤnſtungen ſeines Herrn
auf eine andere Weiſe rieche, als die Duͤnſte von einem
fremden Menſchen; aber ob er auch ihre Verſchiedenheit
rieche und riechen koͤnne, dieß iſt eine Frage, die nicht
zugleich mit jener, als wenn ſie voͤllig einerley mit ihr
waͤre, bejahet werden darf.
Wenden wir das Auge von einem Gegenſtande weg,
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/254>, abgerufen am 24.11.2024.
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