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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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der Vorstellungen.
wird in ein anders Subjekt übergetragen von einer | an-
dern Farbe als das erstere hatte, und der Schein von
der Farbe in ein anders Subjekt von einer verschiede-
nen Figur. Die abgesonderte Vorstellung von der Be-
wegung wird ebenfalls mit andern Phantasmen so wie-
der vereiniget, daß das sinnliche Bild eines bewegen-
den Dinges
daraus entstehet. Wenn wir die Vor-
stellung von der rothen Farbe haben, und dazu eine an-
dere vom Rothgelben, und dann aus dieser letztern den
Schein des Gelben von dem Rothen absonderten, und
nun dieselbige Fläche uns gelb vorstelleten, so wäre hier
ein neuer Schein von einer Farbe entstanden. So ver-
fahren wir wirklich mit unsern sinnlichen Bildern von
Beschaffenheiten.

Jn den geometrischen Bildern von Linien, Winkeln,
Flächen und Körpern, finden wir in unserer Phantasie
einen eigenen Vorrath von andern sinnlichen Vorstellun-
gen, mit welchen wir diese allgemeinen Vorstellungen
verbinden. Der Winkel wird in die Vorstellung von
gewissen Linien hineingeleget. Jedweder sinnliche
Schein ist in der Phantasie der Schein eines ganzen
vollständigen Dinges. Wird er in mehrere, aus denen
er vermischt war, zerleget, so muß jeder dieser einzelnen
Scheine, in welche man ihn auflöset, für sich eine ge-
wisse Unterlage haben. Sie sind für sich allein nur un-
vollständige Vorstellungen von Beschaffenheiten. Das
Bild von einem bewegten, gefärbten und figurirten
Blatt eines Baums war eine Vorstellung eines voll-
ständigen Dinges. Aber keiner der einzelnen Scheine,
in welche er aufgelöset wird, kann in der Einbildungs-
kraft für sich allein bestehen, woferne er nicht wiederum
auf seine Art vollständig gemacht wird. Wenn die
Vorstellung von der grünen Farbe in die Vorstellungen
von der blauen und von der gelben blos durch die Kraft
der Phantasie zerlegt werden könnte, so würde jede dieser

letztern
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der Vorſtellungen.
wird in ein anders Subjekt uͤbergetragen von einer | an-
dern Farbe als das erſtere hatte, und der Schein von
der Farbe in ein anders Subjekt von einer verſchiede-
nen Figur. Die abgeſonderte Vorſtellung von der Be-
wegung wird ebenfalls mit andern Phantasmen ſo wie-
der vereiniget, daß das ſinnliche Bild eines bewegen-
den Dinges
daraus entſtehet. Wenn wir die Vor-
ſtellung von der rothen Farbe haben, und dazu eine an-
dere vom Rothgelben, und dann aus dieſer letztern den
Schein des Gelben von dem Rothen abſonderten, und
nun dieſelbige Flaͤche uns gelb vorſtelleten, ſo waͤre hier
ein neuer Schein von einer Farbe entſtanden. So ver-
fahren wir wirklich mit unſern ſinnlichen Bildern von
Beſchaffenheiten.

Jn den geometriſchen Bildern von Linien, Winkeln,
Flaͤchen und Koͤrpern, finden wir in unſerer Phantaſie
einen eigenen Vorrath von andern ſinnlichen Vorſtellun-
gen, mit welchen wir dieſe allgemeinen Vorſtellungen
verbinden. Der Winkel wird in die Vorſtellung von
gewiſſen Linien hineingeleget. Jedweder ſinnliche
Schein iſt in der Phantaſie der Schein eines ganzen
vollſtaͤndigen Dinges. Wird er in mehrere, aus denen
er vermiſcht war, zerleget, ſo muß jeder dieſer einzelnen
Scheine, in welche man ihn aufloͤſet, fuͤr ſich eine ge-
wiſſe Unterlage haben. Sie ſind fuͤr ſich allein nur un-
vollſtaͤndige Vorſtellungen von Beſchaffenheiten. Das
Bild von einem bewegten, gefaͤrbten und figurirten
Blatt eines Baums war eine Vorſtellung eines voll-
ſtaͤndigen Dinges. Aber keiner der einzelnen Scheine,
in welche er aufgeloͤſet wird, kann in der Einbildungs-
kraft fuͤr ſich allein beſtehen, woferne er nicht wiederum
auf ſeine Art vollſtaͤndig gemacht wird. Wenn die
Vorſtellung von der gruͤnen Farbe in die Vorſtellungen
von der blauen und von der gelben blos durch die Kraft
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letztern
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[133/0193] der Vorſtellungen. wird in ein anders Subjekt uͤbergetragen von einer | an- dern Farbe als das erſtere hatte, und der Schein von der Farbe in ein anders Subjekt von einer verſchiede- nen Figur. Die abgeſonderte Vorſtellung von der Be- wegung wird ebenfalls mit andern Phantasmen ſo wie- der vereiniget, daß das ſinnliche Bild eines bewegen- den Dinges daraus entſtehet. Wenn wir die Vor- ſtellung von der rothen Farbe haben, und dazu eine an- dere vom Rothgelben, und dann aus dieſer letztern den Schein des Gelben von dem Rothen abſonderten, und nun dieſelbige Flaͤche uns gelb vorſtelleten, ſo waͤre hier ein neuer Schein von einer Farbe entſtanden. So ver- fahren wir wirklich mit unſern ſinnlichen Bildern von Beſchaffenheiten. Jn den geometriſchen Bildern von Linien, Winkeln, Flaͤchen und Koͤrpern, finden wir in unſerer Phantaſie einen eigenen Vorrath von andern ſinnlichen Vorſtellun- gen, mit welchen wir dieſe allgemeinen Vorſtellungen verbinden. Der Winkel wird in die Vorſtellung von gewiſſen Linien hineingeleget. Jedweder ſinnliche Schein iſt in der Phantaſie der Schein eines ganzen vollſtaͤndigen Dinges. Wird er in mehrere, aus denen er vermiſcht war, zerleget, ſo muß jeder dieſer einzelnen Scheine, in welche man ihn aufloͤſet, fuͤr ſich eine ge- wiſſe Unterlage haben. Sie ſind fuͤr ſich allein nur un- vollſtaͤndige Vorſtellungen von Beſchaffenheiten. Das Bild von einem bewegten, gefaͤrbten und figurirten Blatt eines Baums war eine Vorſtellung eines voll- ſtaͤndigen Dinges. Aber keiner der einzelnen Scheine, in welche er aufgeloͤſet wird, kann in der Einbildungs- kraft fuͤr ſich allein beſtehen, woferne er nicht wiederum auf ſeine Art vollſtaͤndig gemacht wird. Wenn die Vorſtellung von der gruͤnen Farbe in die Vorſtellungen von der blauen und von der gelben blos durch die Kraft der Phantaſie zerlegt werden koͤnnte, ſo wuͤrde jede dieſer letztern J 3

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/193>, abgerufen am 27.11.2024.