Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.Vorrede. chen, bemerkt, daß statt der Vibrationen, wohleine andere Art von fortgehenden Bewegungen oder auch Druckungen gedacht werden könne; allein dieß heißt in Hinsicht derselben uns wieder- um auf unsere vorige Unwissenheit verweisen, und die besondern Bestimmungen zurücknehmen, die man doch als ihre Unterscheidungsmerkmale an- gegeben hatte. Es mag vielmehr seyn, daß wahre Oscillationen oder Wallungen in einem flüssigen elastischen Körper, wie die in der Luft und in dem Aether sind, in dem Gehirn vorhanden sind, wenn wir empfinden. Denn nach dem Urtheil der größ- ten Physiologen ist man fast genöthigt, außer den sichtbaren Theilen des Gehirns noch eine andere seine Materie in demselben anzunehmen, und also kann es wohl seyn, daß diese Materie, Lebensgei- ster, Aether, oder wie wir sie nennen wollen, die man aber in dem todten Körper nicht mehr suchen muß, von solcher elastischer Natur sey, wie die Materie des Lichts, und also auch eigentliche Schwingungen annehme. Aber wie soll man sich diese Schwingungen als fortdauernd vorstellen, und sie für die materiellen Jdeen ansehen, die zu den ruhenden Jdeen im Gedächtniß gehören? und wenn dieß wenigstens sehr schwer ist, wird man denn nicht ganz natürlich zu dem Gedanken ge- bracht, jene Schwingungen in dem Aether müß- ten wohl noch auf eine andere beugsame und wei- che Materie im Gehirn wirken, die nicht so ela- stisch sey, daß sie sich jedesmal nach erlittener Ver- änderung völlig wieder in ihre erste Form herstel- le, und in der also auch eigentlich die Spuren von den
Vorrede. chen, bemerkt, daß ſtatt der Vibrationen, wohleine andere Art von fortgehenden Bewegungen oder auch Druckungen gedacht werden koͤnne; allein dieß heißt in Hinſicht derſelben uns wieder- um auf unſere vorige Unwiſſenheit verweiſen, und die beſondern Beſtimmungen zuruͤcknehmen, die man doch als ihre Unterſcheidungsmerkmale an- gegeben hatte. Es mag vielmehr ſeyn, daß wahre Oſcillationen oder Wallungen in einem fluͤſſigen elaſtiſchen Koͤrper, wie die in der Luft und in dem Aether ſind, in dem Gehirn vorhanden ſind, wenn wir empfinden. Denn nach dem Urtheil der groͤß- ten Phyſiologen iſt man faſt genoͤthigt, außer den ſichtbaren Theilen des Gehirns noch eine andere ſeine Materie in demſelben anzunehmen, und alſo kann es wohl ſeyn, daß dieſe Materie, Lebensgei- ſter, Aether, oder wie wir ſie nennen wollen, die man aber in dem todten Koͤrper nicht mehr ſuchen muß, von ſolcher elaſtiſcher Natur ſey, wie die Materie des Lichts, und alſo auch eigentliche Schwingungen annehme. Aber wie ſoll man ſich dieſe Schwingungen als fortdauernd vorſtellen, und ſie fuͤr die materiellen Jdeen anſehen, die zu den ruhenden Jdeen im Gedaͤchtniß gehoͤren? und wenn dieß wenigſtens ſehr ſchwer iſt, wird man denn nicht ganz natuͤrlich zu dem Gedanken ge- bracht, jene Schwingungen in dem Aether muͤß- ten wohl noch auf eine andere beugſame und wei- che Materie im Gehirn wirken, die nicht ſo ela- ſtiſch ſey, daß ſie ſich jedesmal nach erlittener Ver- aͤnderung voͤllig wieder in ihre erſte Form herſtel- le, und in der alſo auch eigentlich die Spuren von den
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0014" n="X"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Vorrede</hi>.</hi></fw><lb/> chen, bemerkt, daß ſtatt der Vibrationen, wohl<lb/> eine andere Art von fortgehenden Bewegungen<lb/> oder auch Druckungen gedacht werden koͤnne;<lb/> allein dieß heißt in Hinſicht derſelben uns wieder-<lb/> um auf unſere vorige Unwiſſenheit verweiſen, und<lb/> die beſondern Beſtimmungen zuruͤcknehmen, die<lb/> man doch als ihre Unterſcheidungsmerkmale an-<lb/> gegeben hatte. Es mag vielmehr ſeyn, daß wahre<lb/> Oſcillationen oder Wallungen in einem fluͤſſigen<lb/> elaſtiſchen Koͤrper, wie die in der Luft und in dem<lb/> Aether ſind, in dem Gehirn vorhanden ſind, wenn<lb/> wir empfinden. Denn nach dem Urtheil der groͤß-<lb/> ten Phyſiologen iſt man faſt genoͤthigt, außer den<lb/> ſichtbaren Theilen des Gehirns noch eine andere<lb/> ſeine Materie in demſelben anzunehmen, und alſo<lb/> kann es wohl ſeyn, daß dieſe Materie, Lebensgei-<lb/> ſter, Aether, oder wie wir ſie nennen wollen, die<lb/> man aber in dem todten Koͤrper nicht mehr ſuchen<lb/> muß, von ſolcher elaſtiſcher Natur ſey, wie die<lb/> Materie des Lichts, und alſo auch eigentliche<lb/> Schwingungen annehme. Aber wie ſoll man ſich<lb/> dieſe Schwingungen als fortdauernd vorſtellen,<lb/> und ſie fuͤr die materiellen Jdeen anſehen, die zu<lb/> den ruhenden Jdeen im Gedaͤchtniß gehoͤren? und<lb/> wenn dieß wenigſtens ſehr ſchwer iſt, wird man<lb/> denn nicht ganz natuͤrlich zu dem Gedanken ge-<lb/> bracht, jene Schwingungen in dem Aether muͤß-<lb/> ten wohl noch auf eine andere beugſame und wei-<lb/> che Materie im Gehirn wirken, die nicht ſo ela-<lb/> ſtiſch ſey, daß ſie ſich jedesmal nach erlittener Ver-<lb/> aͤnderung voͤllig wieder in ihre erſte Form herſtel-<lb/> le, und in der alſo auch eigentlich die Spuren von<lb/> <fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [X/0014]
Vorrede.
chen, bemerkt, daß ſtatt der Vibrationen, wohl
eine andere Art von fortgehenden Bewegungen
oder auch Druckungen gedacht werden koͤnne;
allein dieß heißt in Hinſicht derſelben uns wieder-
um auf unſere vorige Unwiſſenheit verweiſen, und
die beſondern Beſtimmungen zuruͤcknehmen, die
man doch als ihre Unterſcheidungsmerkmale an-
gegeben hatte. Es mag vielmehr ſeyn, daß wahre
Oſcillationen oder Wallungen in einem fluͤſſigen
elaſtiſchen Koͤrper, wie die in der Luft und in dem
Aether ſind, in dem Gehirn vorhanden ſind, wenn
wir empfinden. Denn nach dem Urtheil der groͤß-
ten Phyſiologen iſt man faſt genoͤthigt, außer den
ſichtbaren Theilen des Gehirns noch eine andere
ſeine Materie in demſelben anzunehmen, und alſo
kann es wohl ſeyn, daß dieſe Materie, Lebensgei-
ſter, Aether, oder wie wir ſie nennen wollen, die
man aber in dem todten Koͤrper nicht mehr ſuchen
muß, von ſolcher elaſtiſcher Natur ſey, wie die
Materie des Lichts, und alſo auch eigentliche
Schwingungen annehme. Aber wie ſoll man ſich
dieſe Schwingungen als fortdauernd vorſtellen,
und ſie fuͤr die materiellen Jdeen anſehen, die zu
den ruhenden Jdeen im Gedaͤchtniß gehoͤren? und
wenn dieß wenigſtens ſehr ſchwer iſt, wird man
denn nicht ganz natuͤrlich zu dem Gedanken ge-
bracht, jene Schwingungen in dem Aether muͤß-
ten wohl noch auf eine andere beugſame und wei-
che Materie im Gehirn wirken, die nicht ſo ela-
ſtiſch ſey, daß ſie ſich jedesmal nach erlittener Ver-
aͤnderung voͤllig wieder in ihre erſte Form herſtel-
le, und in der alſo auch eigentlich die Spuren von
den
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |