sie gegenwärtig sind; auch solche zuweilen durch ihre bewegende Einwirkung auf die Fasern des Gehirns erwecket. Wenn die Jdee im Gedächt- niß ruhet, so soll die Seele so wenig in sich selbst eine Spur ihrer Empfindung übrig haben, als das in einem Gefäß eingeschlossene Wasser etwas von der vorigen Figur behalten hat, wenn die Ge- stalt des Gefäßes verändert worden ist. Dieser Begriff von der Natur unserer Vorstellungen ist eine pure Hypothese. Sie stellet die Seele und ihr organisirtes Gehirn in einer solchen Beziehung dar, die das Wasser zu seinem Gefäß hat, oder die Luft zu der Blase, in der sie eingeschlossen ist, nur mit dem Zusatz, das Gefäß verändere seine Figur sehr leicht, behalte aber von jedweder seiner vorigen Formen eine Leichtigkeit -- solche wieder anzunehmen. Dieß ist der Mittelpunkt der Bon- netischen Auflösung, dessen Richtigkeit man da- durch beweisen will, weil sich die Erscheinungen auf diese Weise am besten begreifen lassen; und dieß ist es auch, was unten besonders untersucht worden ist, und ich hier noch dahin gestellet las- sen will.
Die übrigen nähern Bestimmungen der be- sondern Art und Beschaffenheit dieser materiel- len Jdeen gehören zu der Phyfik des Gehirns, und sind schlechthin nur Vermuthungen, denen, das mindeste zu sagen, bisher noch die Zuverläs- sigkeit fehlet. Sehr witzig hat man die Spuren im Gehirn, als gewisse Abdrücke oder Bilder von den Objekten vorgestellet, die etwan den Bildern auf der Netzhaut ähnlich sind. Die Hartleyische
Hypo-
Vorrede.
ſie gegenwaͤrtig ſind; auch ſolche zuweilen durch ihre bewegende Einwirkung auf die Faſern des Gehirns erwecket. Wenn die Jdee im Gedaͤcht- niß ruhet, ſo ſoll die Seele ſo wenig in ſich ſelbſt eine Spur ihrer Empfindung uͤbrig haben, als das in einem Gefaͤß eingeſchloſſene Waſſer etwas von der vorigen Figur behalten hat, wenn die Ge- ſtalt des Gefaͤßes veraͤndert worden iſt. Dieſer Begriff von der Natur unſerer Vorſtellungen iſt eine pure Hypotheſe. Sie ſtellet die Seele und ihr organiſirtes Gehirn in einer ſolchen Beziehung dar, die das Waſſer zu ſeinem Gefaͤß hat, oder die Luft zu der Blaſe, in der ſie eingeſchloſſen iſt, nur mit dem Zuſatz, das Gefaͤß veraͤndere ſeine Figur ſehr leicht, behalte aber von jedweder ſeiner vorigen Formen eine Leichtigkeit — ſolche wieder anzunehmen. Dieß iſt der Mittelpunkt der Bon- netiſchen Aufloͤſung, deſſen Richtigkeit man da- durch beweiſen will, weil ſich die Erſcheinungen auf dieſe Weiſe am beſten begreifen laſſen; und dieß iſt es auch, was unten beſonders unterſucht worden iſt, und ich hier noch dahin geſtellet laſ- ſen will.
Die uͤbrigen naͤhern Beſtimmungen der be- ſondern Art und Beſchaffenheit dieſer materiel- len Jdeen gehoͤren zu der Phyfik des Gehirns, und ſind ſchlechthin nur Vermuthungen, denen, das mindeſte zu ſagen, bisher noch die Zuverlaͤſ- ſigkeit fehlet. Sehr witzig hat man die Spuren im Gehirn, als gewiſſe Abdruͤcke oder Bilder von den Objekten vorgeſtellet, die etwan den Bildern auf der Netzhaut aͤhnlich ſind. Die Hartleyiſche
Hypo-
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[VIII/0012]
Vorrede.
ſie gegenwaͤrtig ſind; auch ſolche zuweilen durch
ihre bewegende Einwirkung auf die Faſern des
Gehirns erwecket. Wenn die Jdee im Gedaͤcht-
niß ruhet, ſo ſoll die Seele ſo wenig in ſich ſelbſt
eine Spur ihrer Empfindung uͤbrig haben, als
das in einem Gefaͤß eingeſchloſſene Waſſer etwas
von der vorigen Figur behalten hat, wenn die Ge-
ſtalt des Gefaͤßes veraͤndert worden iſt. Dieſer
Begriff von der Natur unſerer Vorſtellungen iſt
eine pure Hypotheſe. Sie ſtellet die Seele und
ihr organiſirtes Gehirn in einer ſolchen Beziehung
dar, die das Waſſer zu ſeinem Gefaͤß hat, oder
die Luft zu der Blaſe, in der ſie eingeſchloſſen iſt,
nur mit dem Zuſatz, das Gefaͤß veraͤndere ſeine
Figur ſehr leicht, behalte aber von jedweder ſeiner
vorigen Formen eine Leichtigkeit — ſolche wieder
anzunehmen. Dieß iſt der Mittelpunkt der Bon-
netiſchen Aufloͤſung, deſſen Richtigkeit man da-
durch beweiſen will, weil ſich die Erſcheinungen
auf dieſe Weiſe am beſten begreifen laſſen; und
dieß iſt es auch, was unten beſonders unterſucht
worden iſt, und ich hier noch dahin geſtellet laſ-
ſen will.
Die uͤbrigen naͤhern Beſtimmungen der be-
ſondern Art und Beſchaffenheit dieſer materiel-
len Jdeen gehoͤren zu der Phyfik des Gehirns,
und ſind ſchlechthin nur Vermuthungen, denen,
das mindeſte zu ſagen, bisher noch die Zuverlaͤſ-
ſigkeit fehlet. Sehr witzig hat man die Spuren
im Gehirn, als gewiſſe Abdruͤcke oder Bilder von
den Objekten vorgeſtellet, die etwan den Bildern
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/12>, abgerufen am 22.12.2024.
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