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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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denen Gegenstand vor uns zu haben, wieder hervorgezo-
gen, entwickelt, und bis zu einer bemerkbaren Nachbil-
dung der ersten Empfindung bearbeitet werden. Hierinn
hat wiederum die Empfindung des Gesichts den Vorzug,
daß sie leichter und mit einer größern Deutlichkeit re-
produciret werden kann, als die übrigen. Ein Theil
dieses Vorzuges hat in einem natürlichen und nothwen-
digen Verhältnisse der Sinne seinen Grund; aber ein
großer Theil ist hinzugekommen, indem der natürliche
Vorzug die Veranlassung gegeben hat, bey der Verbin-
dung der Vorstellungen ihn auf diese Weise größer zu
machen. Die dunklern Vorstellungen der niedern Sin-
ne, des Geschmacks, des Geruchs, des Gefühls, und
auch wohl des mittlern Sinnes, des Gehörs, werden
mit den Vorstellungen des Gesichts verbunden; die Jdee
von dem Geschmack der Citrone mit der Vorstellung von
ihrer Figur und Farbe; die Vorstellung von dem Ge-
ruch der Rose mit der mehr klaren Vorstellung von ihr,
die das Anschauen giebet. Nun ist der erste natürliche
Vorzug an leichterer Reproducibilität, den die Gesichts-
empfindung hat, die Veranlassung, daß wir am meisten
auf die letztern die Aufmerksamkeit verwenden, und da-
durch jenen ersten Vorzug noch größer machen. Wir
legen nämlich die übrigen Vorstellungen gleichsam um
die Gesichtsvorstellung herum, und machen aus allen
zusammen ein Ganzes, wobey die Gesichtsvorstellung
die Grundlage oder das Mittel ausmacht. Und wenn
nun dieses Ganze eingebildet werden soll; so überheben
wir uns öfters der Mühe, die dunklen Vorstellungen der
übrigen Sinne selbst wieder hervorzubringen. Die letz-
tern lassen eine größere Menge von kleinen Modifikatio-
nen in sich, und erfodern eine größere Selbstthätigkeit
bey der Reproduktion, weswegen wir es dabey bewen-
den lassen, wenn nur die begleitende Gesichtsvorstellun-
gen in uns erneuret werden, und höchstens die ersten kenn-

baren

der Vorſtellungen.
denen Gegenſtand vor uns zu haben, wieder hervorgezo-
gen, entwickelt, und bis zu einer bemerkbaren Nachbil-
dung der erſten Empfindung bearbeitet werden. Hierinn
hat wiederum die Empfindung des Geſichts den Vorzug,
daß ſie leichter und mit einer groͤßern Deutlichkeit re-
produciret werden kann, als die uͤbrigen. Ein Theil
dieſes Vorzuges hat in einem natuͤrlichen und nothwen-
digen Verhaͤltniſſe der Sinne ſeinen Grund; aber ein
großer Theil iſt hinzugekommen, indem der natuͤrliche
Vorzug die Veranlaſſung gegeben hat, bey der Verbin-
dung der Vorſtellungen ihn auf dieſe Weiſe groͤßer zu
machen. Die dunklern Vorſtellungen der niedern Sin-
ne, des Geſchmacks, des Geruchs, des Gefuͤhls, und
auch wohl des mittlern Sinnes, des Gehoͤrs, werden
mit den Vorſtellungen des Geſichts verbunden; die Jdee
von dem Geſchmack der Citrone mit der Vorſtellung von
ihrer Figur und Farbe; die Vorſtellung von dem Ge-
ruch der Roſe mit der mehr klaren Vorſtellung von ihr,
die das Anſchauen giebet. Nun iſt der erſte natuͤrliche
Vorzug an leichterer Reproducibilitaͤt, den die Geſichts-
empfindung hat, die Veranlaſſung, daß wir am meiſten
auf die letztern die Aufmerkſamkeit verwenden, und da-
durch jenen erſten Vorzug noch groͤßer machen. Wir
legen naͤmlich die uͤbrigen Vorſtellungen gleichſam um
die Geſichtsvorſtellung herum, und machen aus allen
zuſammen ein Ganzes, wobey die Geſichtsvorſtellung
die Grundlage oder das Mittel ausmacht. Und wenn
nun dieſes Ganze eingebildet werden ſoll; ſo uͤberheben
wir uns oͤfters der Muͤhe, die dunklen Vorſtellungen der
uͤbrigen Sinne ſelbſt wieder hervorzubringen. Die letz-
tern laſſen eine groͤßere Menge von kleinen Modifikatio-
nen in ſich, und erfodern eine groͤßere Selbſtthaͤtigkeit
bey der Reproduktion, weswegen wir es dabey bewen-
den laſſen, wenn nur die begleitende Geſichtsvorſtellun-
gen in uns erneuret werden, und hoͤchſtens die erſten kenn-

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[43/0103] der Vorſtellungen. denen Gegenſtand vor uns zu haben, wieder hervorgezo- gen, entwickelt, und bis zu einer bemerkbaren Nachbil- dung der erſten Empfindung bearbeitet werden. Hierinn hat wiederum die Empfindung des Geſichts den Vorzug, daß ſie leichter und mit einer groͤßern Deutlichkeit re- produciret werden kann, als die uͤbrigen. Ein Theil dieſes Vorzuges hat in einem natuͤrlichen und nothwen- digen Verhaͤltniſſe der Sinne ſeinen Grund; aber ein großer Theil iſt hinzugekommen, indem der natuͤrliche Vorzug die Veranlaſſung gegeben hat, bey der Verbin- dung der Vorſtellungen ihn auf dieſe Weiſe groͤßer zu machen. Die dunklern Vorſtellungen der niedern Sin- ne, des Geſchmacks, des Geruchs, des Gefuͤhls, und auch wohl des mittlern Sinnes, des Gehoͤrs, werden mit den Vorſtellungen des Geſichts verbunden; die Jdee von dem Geſchmack der Citrone mit der Vorſtellung von ihrer Figur und Farbe; die Vorſtellung von dem Ge- ruch der Roſe mit der mehr klaren Vorſtellung von ihr, die das Anſchauen giebet. Nun iſt der erſte natuͤrliche Vorzug an leichterer Reproducibilitaͤt, den die Geſichts- empfindung hat, die Veranlaſſung, daß wir am meiſten auf die letztern die Aufmerkſamkeit verwenden, und da- durch jenen erſten Vorzug noch groͤßer machen. Wir legen naͤmlich die uͤbrigen Vorſtellungen gleichſam um die Geſichtsvorſtellung herum, und machen aus allen zuſammen ein Ganzes, wobey die Geſichtsvorſtellung die Grundlage oder das Mittel ausmacht. Und wenn nun dieſes Ganze eingebildet werden ſoll; ſo uͤberheben wir uns oͤfters der Muͤhe, die dunklen Vorſtellungen der uͤbrigen Sinne ſelbſt wieder hervorzubringen. Die letz- tern laſſen eine groͤßere Menge von kleinen Modifikatio- nen in ſich, und erfodern eine groͤßere Selbſtthaͤtigkeit bey der Reproduktion, weswegen wir es dabey bewen- den laſſen, wenn nur die begleitende Geſichtsvorſtellun- gen in uns erneuret werden, und hoͤchſtens die erſten kenn- baren

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/103>, abgerufen am 22.11.2024.