Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Du fühlst also, fuhr der Bewerber fort, daß sie dich nun und nimmermehr für so gut wie andere Leute halten, ja, die geringste Magd für ehrlicher als dich betrachten und dich niemals in eine Familie als Tochter aufnehmen werden? -- Ist das nicht Unrecht von den rechtschaffenen Leuten? Es ist abscheulich -- abscheulich! rief Galinda mit funkelnden Augen. Es ist noch schlimmer, es ist unchristlich! fügte Jener einstimmend bei; aber die böse Welt ist nun einmal nicht anders, und ich denke, daß die schöne und starke Galinda nicht so weichmühtig sein und sich lebenslang von den dummen Bauern über die Schulter ansehen lassen wird. Meine Linda wird ihnen gewiß lieber kühn und stolz entgegentreten, daß alle Menschen Achtung vor ihr haben müssen. Ist das nicht wahr? Ja, das will ich, und das thu' ich alle Tage! Und ich habe meine Herzenslust daran, wie hübsch die kluge Linda dabei aussieht. Doch es hilft dir Alles nichts; denn zum Dank wollen sie dich dem Scharfrichter überliefern. Ich kenne aber das rechte Mittel womit du deinem Herzen gut thun und den Leuten Achtung gebieten kannst. Was ist das für ein Mittel? fragte sie mit naiver Hastigkeit, im Glauben, er wolle ihr eines jener Geheimzaubermittel geben, in deren Besitz man die Scharfrichter wähnt. Denke dir einmal, wenn du in Amsterdam einer Du fühlst also, fuhr der Bewerber fort, daß sie dich nun und nimmermehr für so gut wie andere Leute halten, ja, die geringste Magd für ehrlicher als dich betrachten und dich niemals in eine Familie als Tochter aufnehmen werden? — Ist das nicht Unrecht von den rechtschaffenen Leuten? Es ist abscheulich — abscheulich! rief Galinda mit funkelnden Augen. Es ist noch schlimmer, es ist unchristlich! fügte Jener einstimmend bei; aber die böse Welt ist nun einmal nicht anders, und ich denke, daß die schöne und starke Galinda nicht so weichmühtig sein und sich lebenslang von den dummen Bauern über die Schulter ansehen lassen wird. Meine Linda wird ihnen gewiß lieber kühn und stolz entgegentreten, daß alle Menschen Achtung vor ihr haben müssen. Ist das nicht wahr? Ja, das will ich, und das thu' ich alle Tage! Und ich habe meine Herzenslust daran, wie hübsch die kluge Linda dabei aussieht. Doch es hilft dir Alles nichts; denn zum Dank wollen sie dich dem Scharfrichter überliefern. Ich kenne aber das rechte Mittel womit du deinem Herzen gut thun und den Leuten Achtung gebieten kannst. Was ist das für ein Mittel? fragte sie mit naiver Hastigkeit, im Glauben, er wolle ihr eines jener Geheimzaubermittel geben, in deren Besitz man die Scharfrichter wähnt. Denke dir einmal, wenn du in Amsterdam einer <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <pb facs="#f0045"/> <p>Du fühlst also, fuhr der Bewerber fort, daß sie dich nun und nimmermehr für so gut wie andere Leute halten, ja, die geringste Magd für ehrlicher als dich betrachten und dich niemals in eine Familie als Tochter aufnehmen werden? — Ist das nicht Unrecht von den rechtschaffenen Leuten?</p><lb/> <p>Es ist abscheulich — abscheulich! rief Galinda mit funkelnden Augen.</p><lb/> <p>Es ist noch schlimmer, es ist unchristlich! fügte Jener einstimmend bei; aber die böse Welt ist nun einmal nicht anders, und ich denke, daß die schöne und starke Galinda nicht so weichmühtig sein und sich lebenslang von den dummen Bauern über die Schulter ansehen lassen wird. Meine Linda wird ihnen gewiß lieber kühn und stolz entgegentreten, daß alle Menschen Achtung vor ihr haben müssen. Ist das nicht wahr?</p><lb/> <p>Ja, das will ich, und das thu' ich alle Tage!</p><lb/> <p>Und ich habe meine Herzenslust daran, wie hübsch die kluge Linda dabei aussieht. Doch es hilft dir Alles nichts; denn zum Dank wollen sie dich dem Scharfrichter überliefern. Ich kenne aber das rechte Mittel womit du deinem Herzen gut thun und den Leuten Achtung gebieten kannst.</p><lb/> <p>Was ist das für ein Mittel? fragte sie mit naiver Hastigkeit, im Glauben, er wolle ihr eines jener Geheimzaubermittel geben, in deren Besitz man die Scharfrichter wähnt.</p><lb/> <p>Denke dir einmal, wenn du in Amsterdam einer<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0045]
Du fühlst also, fuhr der Bewerber fort, daß sie dich nun und nimmermehr für so gut wie andere Leute halten, ja, die geringste Magd für ehrlicher als dich betrachten und dich niemals in eine Familie als Tochter aufnehmen werden? — Ist das nicht Unrecht von den rechtschaffenen Leuten?
Es ist abscheulich — abscheulich! rief Galinda mit funkelnden Augen.
Es ist noch schlimmer, es ist unchristlich! fügte Jener einstimmend bei; aber die böse Welt ist nun einmal nicht anders, und ich denke, daß die schöne und starke Galinda nicht so weichmühtig sein und sich lebenslang von den dummen Bauern über die Schulter ansehen lassen wird. Meine Linda wird ihnen gewiß lieber kühn und stolz entgegentreten, daß alle Menschen Achtung vor ihr haben müssen. Ist das nicht wahr?
Ja, das will ich, und das thu' ich alle Tage!
Und ich habe meine Herzenslust daran, wie hübsch die kluge Linda dabei aussieht. Doch es hilft dir Alles nichts; denn zum Dank wollen sie dich dem Scharfrichter überliefern. Ich kenne aber das rechte Mittel womit du deinem Herzen gut thun und den Leuten Achtung gebieten kannst.
Was ist das für ein Mittel? fragte sie mit naiver Hastigkeit, im Glauben, er wolle ihr eines jener Geheimzaubermittel geben, in deren Besitz man die Scharfrichter wähnt.
Denke dir einmal, wenn du in Amsterdam einer
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Zitationshilfe: | Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/45>, abgerufen am 16.07.2024. |