Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Welcher ehrlich getaufte Holländer nimmt aber eine Bastardjungfer zur Frau? -- Das thun nur wilde Seeschiffer und Freimeister; diese haben das rechte Privileg zu den Findelkindern. Seit der Franzos im Lande und unsere Schiffe aus Furcht vor den Engländern abgetakelt im Hafen verfaulen, ist es mit den Seeschiffern aus. Also hat die Galinda nur die Aussicht auf einen Freimeister, und das muß man auch sagen, der Meister Jan von Amsterdam ist der Hauptbaas aller Scharfrichter von Holland. Ihr sprecht mir aus der Seele, Gevatter, stimmte der Hausherr bei; unsere Galinda kann in der Welt nicht besser versorgt werden. Das versteht auch Mynheer Verkolyn besser, als wir, und da Ihr, Meister Jan, das Wort vom Mynheer schon habt, so will ich Euch das meinige nicht versagen. Wenn es Euch convenirt, so kann die Verlobung jetzt gleich geschehen. Euer Wort acceptire ich mit Dank, sagte der Freimeister aufstehend; indessen erlaubt, ehe wir weiter negotiren, daß ich mein Wort geziemend bei der Jevrouv Braut anbringe; -- und wie er jetzt zum Fenster schritt, folgten ihm die Blicke der schweigsam sitzenden Bauer-Familie. Galinda trat ihm keck einen Schritt entgegen; sie wollte den widerwärtigen Mann kurz und bündig abfertigen; aber wie nun sein durchdringend kalter Blick ihr blitzendes Auge traf, fühlte sie ihr Herz wie von einer Zange umklammert; das zornglühende Mädchen Welcher ehrlich getaufte Holländer nimmt aber eine Bastardjungfer zur Frau? — Das thun nur wilde Seeschiffer und Freimeister; diese haben das rechte Privileg zu den Findelkindern. Seit der Franzos im Lande und unsere Schiffe aus Furcht vor den Engländern abgetakelt im Hafen verfaulen, ist es mit den Seeschiffern aus. Also hat die Galinda nur die Aussicht auf einen Freimeister, und das muß man auch sagen, der Meister Jan von Amsterdam ist der Hauptbaas aller Scharfrichter von Holland. Ihr sprecht mir aus der Seele, Gevatter, stimmte der Hausherr bei; unsere Galinda kann in der Welt nicht besser versorgt werden. Das versteht auch Mynheer Verkolyn besser, als wir, und da Ihr, Meister Jan, das Wort vom Mynheer schon habt, so will ich Euch das meinige nicht versagen. Wenn es Euch convenirt, so kann die Verlobung jetzt gleich geschehen. Euer Wort acceptire ich mit Dank, sagte der Freimeister aufstehend; indessen erlaubt, ehe wir weiter negotiren, daß ich mein Wort geziemend bei der Jevrouv Braut anbringe; — und wie er jetzt zum Fenster schritt, folgten ihm die Blicke der schweigsam sitzenden Bauer-Familie. Galinda trat ihm keck einen Schritt entgegen; sie wollte den widerwärtigen Mann kurz und bündig abfertigen; aber wie nun sein durchdringend kalter Blick ihr blitzendes Auge traf, fühlte sie ihr Herz wie von einer Zange umklammert; das zornglühende Mädchen <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0041"/> Welcher ehrlich getaufte Holländer nimmt aber eine Bastardjungfer zur Frau? — Das thun nur wilde Seeschiffer und Freimeister; diese haben das rechte Privileg zu den Findelkindern. Seit der Franzos im Lande und unsere Schiffe aus Furcht vor den Engländern abgetakelt im Hafen verfaulen, ist es mit den Seeschiffern aus. Also hat die Galinda nur die Aussicht auf einen Freimeister, und das muß man auch sagen, der Meister Jan von Amsterdam ist der Hauptbaas aller Scharfrichter von Holland.</p><lb/> <p>Ihr sprecht mir aus der Seele, Gevatter, stimmte der Hausherr bei; unsere Galinda kann in der Welt nicht besser versorgt werden. Das versteht auch Mynheer Verkolyn besser, als wir, und da Ihr, Meister Jan, das Wort vom Mynheer schon habt, so will ich Euch das meinige nicht versagen. Wenn es Euch convenirt, so kann die Verlobung jetzt gleich geschehen.</p><lb/> <p>Euer Wort acceptire ich mit Dank, sagte der Freimeister aufstehend; indessen erlaubt, ehe wir weiter negotiren, daß ich mein Wort geziemend bei der Jevrouv Braut anbringe; — und wie er jetzt zum Fenster schritt, folgten ihm die Blicke der schweigsam sitzenden Bauer-Familie.</p><lb/> <p>Galinda trat ihm keck einen Schritt entgegen; sie wollte den widerwärtigen Mann kurz und bündig abfertigen; aber wie nun sein durchdringend kalter Blick ihr blitzendes Auge traf, fühlte sie ihr Herz wie von einer Zange umklammert; das zornglühende Mädchen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0041]
Welcher ehrlich getaufte Holländer nimmt aber eine Bastardjungfer zur Frau? — Das thun nur wilde Seeschiffer und Freimeister; diese haben das rechte Privileg zu den Findelkindern. Seit der Franzos im Lande und unsere Schiffe aus Furcht vor den Engländern abgetakelt im Hafen verfaulen, ist es mit den Seeschiffern aus. Also hat die Galinda nur die Aussicht auf einen Freimeister, und das muß man auch sagen, der Meister Jan von Amsterdam ist der Hauptbaas aller Scharfrichter von Holland.
Ihr sprecht mir aus der Seele, Gevatter, stimmte der Hausherr bei; unsere Galinda kann in der Welt nicht besser versorgt werden. Das versteht auch Mynheer Verkolyn besser, als wir, und da Ihr, Meister Jan, das Wort vom Mynheer schon habt, so will ich Euch das meinige nicht versagen. Wenn es Euch convenirt, so kann die Verlobung jetzt gleich geschehen.
Euer Wort acceptire ich mit Dank, sagte der Freimeister aufstehend; indessen erlaubt, ehe wir weiter negotiren, daß ich mein Wort geziemend bei der Jevrouv Braut anbringe; — und wie er jetzt zum Fenster schritt, folgten ihm die Blicke der schweigsam sitzenden Bauer-Familie.
Galinda trat ihm keck einen Schritt entgegen; sie wollte den widerwärtigen Mann kurz und bündig abfertigen; aber wie nun sein durchdringend kalter Blick ihr blitzendes Auge traf, fühlte sie ihr Herz wie von einer Zange umklammert; das zornglühende Mädchen
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Zitationshilfe: | Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/41>, abgerufen am 16.07.2024. |