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Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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schmale Kanäle, welche seine Wiesen durchschneiden, und sein ganzer Reichthum entspringt aus dem unbedeutendsten aller Gewächse, aus Gras -- wovon er jeden Halm in Milch, Butter, Käse und Gold verwandelt.

In zufriedener Ernsthaftigkeit schritt der Baas Zorg neben seiner Frau von dem Käseschuppen auf das Haus zu; ihnen folgte Drudje, Bertold's runde und gesund wie eine Kirsche strotzende Schwester. Verwundert blieb sie stehen, bedachte sich ein wenig, dann rief sie, auf einen Kahn zeigend, der eben am Kanalufer beim Hausgärtchen anlegte:

Schaut doch 'mal hin, Vater, wer da kommt!

Es ist der Enten-Piet, sagte Jener, gleichmüthig hinblickend.

Hat nur eine Hand breit Bord, bemerkte Frau Sara, so schwer ist seine Ladung. Aber ich mach' sie ihm heute nicht leichter -- kann seine Enten nicht brauchen.

Während diese vernünftigen Bemerkungen gemacht wurden, kam ein schlankes Mädchen durch das Gärtchen gelaufen, sprang im Fluge über die niedrige bunte Staketerie und war mit einigen Sätzen indem entengefüllten Boote; es drohte zu kippen -- darauf nicht achtend, fiel das Mädchen der alten, sehr ordentlich gekleideten Mutter Lora um den Hals, zerknitterte ihr dabei die steife Halskrause und Haube, ohne sich dadurch abhalten zu lassen, die Alte mit ungestümer Herzlichkeit zu küssen. -- Es war Galinda; hastig fragend und schwatzend,

schmale Kanäle, welche seine Wiesen durchschneiden, und sein ganzer Reichthum entspringt aus dem unbedeutendsten aller Gewächse, aus Gras — wovon er jeden Halm in Milch, Butter, Käse und Gold verwandelt.

In zufriedener Ernsthaftigkeit schritt der Baas Zorg neben seiner Frau von dem Käseschuppen auf das Haus zu; ihnen folgte Drudje, Bertold's runde und gesund wie eine Kirsche strotzende Schwester. Verwundert blieb sie stehen, bedachte sich ein wenig, dann rief sie, auf einen Kahn zeigend, der eben am Kanalufer beim Hausgärtchen anlegte:

Schaut doch 'mal hin, Vater, wer da kommt!

Es ist der Enten-Piet, sagte Jener, gleichmüthig hinblickend.

Hat nur eine Hand breit Bord, bemerkte Frau Sara, so schwer ist seine Ladung. Aber ich mach' sie ihm heute nicht leichter — kann seine Enten nicht brauchen.

Während diese vernünftigen Bemerkungen gemacht wurden, kam ein schlankes Mädchen durch das Gärtchen gelaufen, sprang im Fluge über die niedrige bunte Staketerie und war mit einigen Sätzen indem entengefüllten Boote; es drohte zu kippen — darauf nicht achtend, fiel das Mädchen der alten, sehr ordentlich gekleideten Mutter Lora um den Hals, zerknitterte ihr dabei die steife Halskrause und Haube, ohne sich dadurch abhalten zu lassen, die Alte mit ungestümer Herzlichkeit zu küssen. — Es war Galinda; hastig fragend und schwatzend,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:22:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:22:21Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/27>, abgerufen am 21.11.2024.