Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Als ich die kleine Galinda in Amsterdam vom Mynheer Verkolyn bekam, um sie in den Zorgenhof zu transportiren, da habe ich erfahren, wer des Mädchens Vater und Mutter ist, und daß dies bis jetzt außer wir und Mynheer Verkolyn Niemand weiß, ist ein Zeichen, daß Herr Verkolyn und der Piet schweigen können. Dem Buchhalter wurde heiß im Kopf und Herzen. Das wichtigste Familiengeheimniß und Geschäftsinteresse seines Hauses lag in der Hand dieses unscheinbaren Entenjägers, -- der aber ein fester Ehrenmann im strengsten Sinne war und Vertrauen verdiente. Baldus fühlte sich überwältigt von der unerwarteten Wichtigkeit des Geschäfts; dazu drückte ihn das Bewußtsein, daß hier sein Principal nicht im ganz ehrenhaften Lichte erscheine. In diesem Drange widerstreitender Einwirkungen verlor der bedachtsame Buchhalter den Stützpunkt, worauf seine leicht gebauten Hoffnungen sich gründeten. Sich die Schweißtropfen von der Stirn mit seinem Vattisttuch wischend, seufzte er: Es ist eine verdeukerte Commission, in Heirathsnegotien zu arbeiten. Aber ich sollte doch meinen, lieber Piet, der Baas im Zorgenhof wird nachgeben und lieber in die Heirath mit meines Principals Pflegetochter willigen, als den Scandal erleben, daß Bertold auf dem Schaffot sein Meisterstück macht? Da kenne ich den alten Zorg besser; ehe der sich von seinem Kinde etwas abzwingen ließe, und noch Als ich die kleine Galinda in Amsterdam vom Mynheer Verkolyn bekam, um sie in den Zorgenhof zu transportiren, da habe ich erfahren, wer des Mädchens Vater und Mutter ist, und daß dies bis jetzt außer wir und Mynheer Verkolyn Niemand weiß, ist ein Zeichen, daß Herr Verkolyn und der Piet schweigen können. Dem Buchhalter wurde heiß im Kopf und Herzen. Das wichtigste Familiengeheimniß und Geschäftsinteresse seines Hauses lag in der Hand dieses unscheinbaren Entenjägers, — der aber ein fester Ehrenmann im strengsten Sinne war und Vertrauen verdiente. Baldus fühlte sich überwältigt von der unerwarteten Wichtigkeit des Geschäfts; dazu drückte ihn das Bewußtsein, daß hier sein Principal nicht im ganz ehrenhaften Lichte erscheine. In diesem Drange widerstreitender Einwirkungen verlor der bedachtsame Buchhalter den Stützpunkt, worauf seine leicht gebauten Hoffnungen sich gründeten. Sich die Schweißtropfen von der Stirn mit seinem Vattisttuch wischend, seufzte er: Es ist eine verdeukerte Commission, in Heirathsnegotien zu arbeiten. Aber ich sollte doch meinen, lieber Piet, der Baas im Zorgenhof wird nachgeben und lieber in die Heirath mit meines Principals Pflegetochter willigen, als den Scandal erleben, daß Bertold auf dem Schaffot sein Meisterstück macht? Da kenne ich den alten Zorg besser; ehe der sich von seinem Kinde etwas abzwingen ließe, und noch <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <pb facs="#f0102"/> <p>Als ich die kleine Galinda in Amsterdam vom Mynheer Verkolyn bekam, um sie in den Zorgenhof zu transportiren, da habe ich erfahren, wer des Mädchens Vater und Mutter ist, und daß dies bis jetzt außer wir und Mynheer Verkolyn Niemand weiß, ist ein Zeichen, daß Herr Verkolyn und der Piet schweigen können.</p><lb/> <p>Dem Buchhalter wurde heiß im Kopf und Herzen. Das wichtigste Familiengeheimniß und Geschäftsinteresse seines Hauses lag in der Hand dieses unscheinbaren Entenjägers, — der aber ein fester Ehrenmann im strengsten Sinne war und Vertrauen verdiente. Baldus fühlte sich überwältigt von der unerwarteten Wichtigkeit des Geschäfts; dazu drückte ihn das Bewußtsein, daß hier sein Principal nicht im ganz ehrenhaften Lichte erscheine. In diesem Drange widerstreitender Einwirkungen verlor der bedachtsame Buchhalter den Stützpunkt, worauf seine leicht gebauten Hoffnungen sich gründeten. Sich die Schweißtropfen von der Stirn mit seinem Vattisttuch wischend, seufzte er:</p><lb/> <p>Es ist eine verdeukerte Commission, in Heirathsnegotien zu arbeiten. Aber ich sollte doch meinen, lieber Piet, der Baas im Zorgenhof wird nachgeben und lieber in die Heirath mit meines Principals Pflegetochter willigen, als den Scandal erleben, daß Bertold auf dem Schaffot sein Meisterstück macht?</p><lb/> <p>Da kenne ich den alten Zorg besser; ehe der sich von seinem Kinde etwas abzwingen ließe, und noch<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0102]
Als ich die kleine Galinda in Amsterdam vom Mynheer Verkolyn bekam, um sie in den Zorgenhof zu transportiren, da habe ich erfahren, wer des Mädchens Vater und Mutter ist, und daß dies bis jetzt außer wir und Mynheer Verkolyn Niemand weiß, ist ein Zeichen, daß Herr Verkolyn und der Piet schweigen können.
Dem Buchhalter wurde heiß im Kopf und Herzen. Das wichtigste Familiengeheimniß und Geschäftsinteresse seines Hauses lag in der Hand dieses unscheinbaren Entenjägers, — der aber ein fester Ehrenmann im strengsten Sinne war und Vertrauen verdiente. Baldus fühlte sich überwältigt von der unerwarteten Wichtigkeit des Geschäfts; dazu drückte ihn das Bewußtsein, daß hier sein Principal nicht im ganz ehrenhaften Lichte erscheine. In diesem Drange widerstreitender Einwirkungen verlor der bedachtsame Buchhalter den Stützpunkt, worauf seine leicht gebauten Hoffnungen sich gründeten. Sich die Schweißtropfen von der Stirn mit seinem Vattisttuch wischend, seufzte er:
Es ist eine verdeukerte Commission, in Heirathsnegotien zu arbeiten. Aber ich sollte doch meinen, lieber Piet, der Baas im Zorgenhof wird nachgeben und lieber in die Heirath mit meines Principals Pflegetochter willigen, als den Scandal erleben, daß Bertold auf dem Schaffot sein Meisterstück macht?
Da kenne ich den alten Zorg besser; ehe der sich von seinem Kinde etwas abzwingen ließe, und noch
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Zitationshilfe: | Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/102>, abgerufen am 22.07.2024. |