Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.ihren Schiffen über den See nach Sassenburg zu bringen. Wie sie aber mitten auf dem Wasser waren, da erhob sich auf einmal ein schrecklicher Sturm, der ihre Schiffe gegen einander trieb, daß sie eins das andere zerschellten und zerbrachen, und die Sachsen einen erbärmlichen Tod in den Wellen fanden. Die Glocken gingen mit ihnen zu Grunde. Die Leute sagen, von den Glocken allein sey dieses Unglück hergekommen, denn die hätten nicht von den Wenden lassen und den Sachsen dienen wollen; darum wären sie lieber in dem See zu Grunde gegangen. Sie liegen noch unten in dem Wasser, und es kann sie Niemand heraufholen. Zu gewissen Zeiten kann man sie dort hören; sie singen dann, wie mit menschlichen Stimmen, ein Klagelied, daß sie da unten auf dem Grunde liegen müssen, und nicht zu den Wenden zurückkönnen. Mündlich. 283. Der Geist des Bürgermeisters Rubenow. Vor ungefähr 400 Jahren hat in Greifswald ein Bürgermeister gelebt, Namens Doctor Heinrich Rubenow. Demselben hat die Stadt zwar Vieles zu verdanken gehabt, indem es besonders seinen Bemühungen gelang, daß die Universität nach Greifswald kam. Er war aber auch von unruhigem und rachsüchtigem Gemüthe, so daß er die Stadt in viele Streitigkeiten verwickelte, und mancherlei Ungemach über sie brachte. Wenn er dann zur Verantwortung gezogen wurde, so wußte er sich immer herauszureden, und er wurde aus einem Angeklagten ein Ankläger. So ließ er noch zuletzt den anderen Bürgermeister, Diedrich von Dörpten, als einen Aufrührer zum Tode verurtheilen und auf offenem Markte hinrichten. Auf solche Weise hatte er sich viele Feinde gemacht, und sein Ende war, daß er im Jahre 1462 auf jämmerliche Weise ermordet ihren Schiffen über den See nach Sassenburg zu bringen. Wie sie aber mitten auf dem Wasser waren, da erhob sich auf einmal ein schrecklicher Sturm, der ihre Schiffe gegen einander trieb, daß sie eins das andere zerschellten und zerbrachen, und die Sachsen einen erbärmlichen Tod in den Wellen fanden. Die Glocken gingen mit ihnen zu Grunde. Die Leute sagen, von den Glocken allein sey dieses Unglück hergekommen, denn die hätten nicht von den Wenden lassen und den Sachsen dienen wollen; darum wären sie lieber in dem See zu Grunde gegangen. Sie liegen noch unten in dem Wasser, und es kann sie Niemand heraufholen. Zu gewissen Zeiten kann man sie dort hören; sie singen dann, wie mit menschlichen Stimmen, ein Klagelied, daß sie da unten auf dem Grunde liegen müssen, und nicht zu den Wenden zurückkönnen. Mündlich. 283. Der Geist des Bürgermeisters Rubenow. Vor ungefähr 400 Jahren hat in Greifswald ein Bürgermeister gelebt, Namens Doctor Heinrich Rubenow. Demselben hat die Stadt zwar Vieles zu verdanken gehabt, indem es besonders seinen Bemühungen gelang, daß die Universität nach Greifswald kam. Er war aber auch von unruhigem und rachsüchtigem Gemüthe, so daß er die Stadt in viele Streitigkeiten verwickelte, und mancherlei Ungemach über sie brachte. Wenn er dann zur Verantwortung gezogen wurde, so wußte er sich immer herauszureden, und er wurde aus einem Angeklagten ein Ankläger. So ließ er noch zuletzt den anderen Bürgermeister, Diedrich von Dörpten, als einen Aufrührer zum Tode verurtheilen und auf offenem Markte hinrichten. Auf solche Weise hatte er sich viele Feinde gemacht, und sein Ende war, daß er im Jahre 1462 auf jämmerliche Weise ermordet <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0365" n="333"/> ihren Schiffen über den See nach Sassenburg zu bringen. 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ihren Schiffen über den See nach Sassenburg zu bringen. Wie sie aber mitten auf dem Wasser waren, da erhob sich auf einmal ein schrecklicher Sturm, der ihre Schiffe gegen einander trieb, daß sie eins das andere zerschellten und zerbrachen, und die Sachsen einen erbärmlichen Tod in den Wellen fanden. Die Glocken gingen mit ihnen zu Grunde. Die Leute sagen, von den Glocken allein sey dieses Unglück hergekommen, denn die hätten nicht von den Wenden lassen und den Sachsen dienen wollen; darum wären sie lieber in dem See zu Grunde gegangen. Sie liegen noch unten in dem Wasser, und es kann sie Niemand heraufholen. Zu gewissen Zeiten kann man sie dort hören; sie singen dann, wie mit menschlichen Stimmen, ein Klagelied, daß sie da unten auf dem Grunde liegen müssen, und nicht zu den Wenden zurückkönnen.
Mündlich.
283. Der Geist des Bürgermeisters Rubenow.
Vor ungefähr 400 Jahren hat in Greifswald ein Bürgermeister gelebt, Namens Doctor Heinrich Rubenow. Demselben hat die Stadt zwar Vieles zu verdanken gehabt, indem es besonders seinen Bemühungen gelang, daß die Universität nach Greifswald kam. Er war aber auch von unruhigem und rachsüchtigem Gemüthe, so daß er die Stadt in viele Streitigkeiten verwickelte, und mancherlei Ungemach über sie brachte. Wenn er dann zur Verantwortung gezogen wurde, so wußte er sich immer herauszureden, und er wurde aus einem Angeklagten ein Ankläger. So ließ er noch zuletzt den anderen Bürgermeister, Diedrich von Dörpten, als einen Aufrührer zum Tode verurtheilen und auf offenem Markte hinrichten. Auf solche Weise hatte er sich viele Feinde gemacht, und sein Ende war, daß er im Jahre 1462 auf jämmerliche Weise ermordet
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Zitationshilfe: | Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/365>, abgerufen am 16.02.2025. |