Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

sah, wie geschwinde das Werk dem Bösen von der Hand ging, da gerieth er in große Angst; doch, klug wie er war, besann er sich auf eine List, und er fing an zu krähen, wie ein Hahn, damit der Teufel glauben solle, der Hahn habe wirklich gekrähet, und solle seine Arbeit fallen lassen, bevor sie fertig sey. Aber der Teufel merkte die List, und sagte lachend zu ihm: Die Stimme kenne ich, Schäfer; der Hahn verdirbt mir mein Werk noch nicht. Und nun arbeitete er nur desto emsiger weiter, daß der Damm schon bald fertig war, und dem Schäfer immer banger wurde. Der besann sich vergebens auf ein anderes Mittel, den Klauen des Satans zu entgehen. Es wollte ihm nichts einfallen. Da fing er zuletzt in seiner Todesangst so laut und schreiend an zu krähen, daß es natürlich lautete, als wenn ein Hahn den regnenden Morgen ankündigt. Und der Teufel glaubte, das sey ein wirklicher Hahn, der gekrähet. Er rief: das ist der rothe Hahn, und warf zornig den Baum, den er gerade gefaßt hatte, mitten in den See hinein und verschwand eilig unter Blitz und Donner.

Andere sagen, dies letzte Krähen sey von der Mutter des Schäfers geschehen, welcher sich dieser in seiner Angst entdeckt, und welcher es, weil sie eine sehr gottesfürchtige Frau gewesen, gelungen sey, den Teufel zu bethören.

Der Damm, welcher auf solche Weise nicht fertig geworden, geht wie eine schmale Landzunge in den See hinein.

Freyberg, Pommersche Sagen, S. 70-74.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
234. Der Teufelsdamm im Naugarder See.

Wenn das Wasser in dem See bei Naugard ruhig ist, so sieht man darin einen Damm, der bis gerade in die Mitte des Sees hineingeht. Derselbe soll auf folgende

sah, wie geschwinde das Werk dem Bösen von der Hand ging, da gerieth er in große Angst; doch, klug wie er war, besann er sich auf eine List, und er fing an zu krähen, wie ein Hahn, damit der Teufel glauben solle, der Hahn habe wirklich gekrähet, und solle seine Arbeit fallen lassen, bevor sie fertig sey. Aber der Teufel merkte die List, und sagte lachend zu ihm: Die Stimme kenne ich, Schäfer; der Hahn verdirbt mir mein Werk noch nicht. Und nun arbeitete er nur desto emsiger weiter, daß der Damm schon bald fertig war, und dem Schäfer immer banger wurde. Der besann sich vergebens auf ein anderes Mittel, den Klauen des Satans zu entgehen. Es wollte ihm nichts einfallen. Da fing er zuletzt in seiner Todesangst so laut und schreiend an zu krähen, daß es natürlich lautete, als wenn ein Hahn den regnenden Morgen ankündigt. Und der Teufel glaubte, das sey ein wirklicher Hahn, der gekrähet. Er rief: das ist der rothe Hahn, und warf zornig den Baum, den er gerade gefaßt hatte, mitten in den See hinein und verschwand eilig unter Blitz und Donner.

Andere sagen, dies letzte Krähen sey von der Mutter des Schäfers geschehen, welcher sich dieser in seiner Angst entdeckt, und welcher es, weil sie eine sehr gottesfürchtige Frau gewesen, gelungen sey, den Teufel zu bethören.

Der Damm, welcher auf solche Weise nicht fertig geworden, geht wie eine schmale Landzunge in den See hinein.

Freyberg, Pommersche Sagen, S. 70-74.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
234. Der Teufelsdamm im Naugarder See.

Wenn das Wasser in dem See bei Naugard ruhig ist, so sieht man darin einen Damm, der bis gerade in die Mitte des Sees hineingeht. Derselbe soll auf folgende

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0308" n="276"/>
sah, wie geschwinde das Werk dem Bösen von der Hand ging, da gerieth er in große Angst; doch, klug wie er war, besann er sich auf eine List, und er fing an zu krähen, wie ein Hahn, damit der Teufel glauben solle, der Hahn habe wirklich gekrähet, und solle seine Arbeit fallen lassen, bevor sie fertig sey. Aber der Teufel merkte die List, und sagte lachend zu ihm: <hi rendition="#g">Die</hi> Stimme kenne ich, Schäfer; <hi rendition="#g">der</hi> Hahn verdirbt mir mein Werk noch nicht. Und nun arbeitete er nur desto emsiger weiter, daß der Damm schon bald fertig war, und dem Schäfer immer banger wurde. Der besann sich vergebens auf ein anderes Mittel, den Klauen des Satans zu entgehen. Es wollte ihm nichts einfallen. Da fing er zuletzt in seiner Todesangst so laut und schreiend an zu krähen, daß es natürlich lautete, als wenn ein Hahn den regnenden Morgen ankündigt. Und der Teufel glaubte, das sey ein wirklicher Hahn, der gekrähet. Er rief: das ist der rothe Hahn, und warf zornig den Baum, den er gerade gefaßt hatte, mitten in den See hinein und verschwand eilig unter Blitz und Donner.</p>
          <p>Andere sagen, dies letzte Krähen sey von der Mutter des Schäfers geschehen, welcher sich dieser in seiner Angst entdeckt, und welcher es, weil sie eine sehr gottesfürchtige Frau gewesen, gelungen sey, den Teufel zu bethören.</p>
          <p>Der Damm, welcher auf solche Weise nicht fertig geworden, geht wie eine schmale Landzunge in den See hinein.</p>
          <listBibl>
            <bibl>Freyberg, Pommersche Sagen, S. 70-74.</bibl><lb/>
            <bibl>Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.</bibl><lb/>
          </listBibl>
        </div>
        <div n="2">
          <head>234. Der Teufelsdamm im Naugarder See.</head><lb/>
          <p>Wenn das Wasser in dem See bei Naugard ruhig ist, so sieht man darin einen Damm, der bis gerade in die Mitte des Sees hineingeht. Derselbe soll auf folgende
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0308] sah, wie geschwinde das Werk dem Bösen von der Hand ging, da gerieth er in große Angst; doch, klug wie er war, besann er sich auf eine List, und er fing an zu krähen, wie ein Hahn, damit der Teufel glauben solle, der Hahn habe wirklich gekrähet, und solle seine Arbeit fallen lassen, bevor sie fertig sey. Aber der Teufel merkte die List, und sagte lachend zu ihm: Die Stimme kenne ich, Schäfer; der Hahn verdirbt mir mein Werk noch nicht. Und nun arbeitete er nur desto emsiger weiter, daß der Damm schon bald fertig war, und dem Schäfer immer banger wurde. Der besann sich vergebens auf ein anderes Mittel, den Klauen des Satans zu entgehen. Es wollte ihm nichts einfallen. Da fing er zuletzt in seiner Todesangst so laut und schreiend an zu krähen, daß es natürlich lautete, als wenn ein Hahn den regnenden Morgen ankündigt. Und der Teufel glaubte, das sey ein wirklicher Hahn, der gekrähet. Er rief: das ist der rothe Hahn, und warf zornig den Baum, den er gerade gefaßt hatte, mitten in den See hinein und verschwand eilig unter Blitz und Donner. Andere sagen, dies letzte Krähen sey von der Mutter des Schäfers geschehen, welcher sich dieser in seiner Angst entdeckt, und welcher es, weil sie eine sehr gottesfürchtige Frau gewesen, gelungen sey, den Teufel zu bethören. Der Damm, welcher auf solche Weise nicht fertig geworden, geht wie eine schmale Landzunge in den See hinein. Freyberg, Pommersche Sagen, S. 70-74. Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte. 234. Der Teufelsdamm im Naugarder See. Wenn das Wasser in dem See bei Naugard ruhig ist, so sieht man darin einen Damm, der bis gerade in die Mitte des Sees hineingeht. Derselbe soll auf folgende

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • als Grundlage dienen die Editionsrichtlinien von Wikisource.
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Gesperrter Text wird kursiv
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Einzüge werden nicht übernommen
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Fußnoten der Vorlage sind fortlaufend nummeriert und folgen jeweils am Schluß des Textes.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/308
Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/308>, abgerufen am 22.11.2024.