Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
209. Prinzessin Swanvithe.

Bei der Stadt Garz auf Rügen befindet sich ein See, neben welchem früher ein Schloß der heidnischen Könige gestanden hat. Als dieses Schloß vor vielen Jahren von den Christen genommen und zerstört ist, hat darin ein alter Heidenkönig gelebt, der ist sehr reich gewesen, und so geizig, daß er immer bei seinen Schätzen von Gold und Edelsteinen gelegen hat, die er in einem großen Saale tief unter dem Schlosse aufgehäuft hatte. Darin wühlte er Tag und Nacht umher, und als das Schloß von den Christen zerstört wurde, da lag er auch darin verschüttet, so daß er eines elenden Hungertodes sterben mußte. Darauf, weil seine Seele von dem irdischen Gute nicht scheiden konnte, wurde er in einen schwarzen Hund verwandelt, der nun immerwährend die Goldhaufen bewachen muß. Zuweilen sieht man ihn auch in seiner menschlichen Gestalt, mit Helm und Panzer angethan, auf einem Schimmel über die Stadt und über den See reiten; manchmal hat er dabei anstatt des Helmes eine goldene Krone auf. Andere haben ihn auch wohl in der Nacht im Garzer Holze an dem Wege nach Poseritz gesehen, wie er mit einer schwarzen Pudelmütze auf dem Kopfe und einem weißen Stocke in der Hand herumwandelt.

Wie nun dieser alte Heidenkönig erlöset werden kann, das mag folgende Geschichte erzählen.

Viele Jahre nachher begab es sich, daß in Bergen ein König von Rügen wohnte, der eine schöne Tochter hatte, Swanvithe geheißen. Zu der kamen viele fremde Prinzen, um sie zu freien. Sie wollte aber keinen von ihnen, als den Prinzen Peter von Dänemark, der ein feiner und stattlicher Mann war, und ihr ausnehmend wohl gefiel. Der wurde also ihr verlobter Bräutigam, und es sollte

209. Prinzessin Swanvithe.

Bei der Stadt Garz auf Rügen befindet sich ein See, neben welchem früher ein Schloß der heidnischen Könige gestanden hat. Als dieses Schloß vor vielen Jahren von den Christen genommen und zerstört ist, hat darin ein alter Heidenkönig gelebt, der ist sehr reich gewesen, und so geizig, daß er immer bei seinen Schätzen von Gold und Edelsteinen gelegen hat, die er in einem großen Saale tief unter dem Schlosse aufgehäuft hatte. Darin wühlte er Tag und Nacht umher, und als das Schloß von den Christen zerstört wurde, da lag er auch darin verschüttet, so daß er eines elenden Hungertodes sterben mußte. Darauf, weil seine Seele von dem irdischen Gute nicht scheiden konnte, wurde er in einen schwarzen Hund verwandelt, der nun immerwährend die Goldhaufen bewachen muß. Zuweilen sieht man ihn auch in seiner menschlichen Gestalt, mit Helm und Panzer angethan, auf einem Schimmel über die Stadt und über den See reiten; manchmal hat er dabei anstatt des Helmes eine goldene Krone auf. Andere haben ihn auch wohl in der Nacht im Garzer Holze an dem Wege nach Poseritz gesehen, wie er mit einer schwarzen Pudelmütze auf dem Kopfe und einem weißen Stocke in der Hand herumwandelt.

Wie nun dieser alte Heidenkönig erlöset werden kann, das mag folgende Geschichte erzählen.

Viele Jahre nachher begab es sich, daß in Bergen ein König von Rügen wohnte, der eine schöne Tochter hatte, Swanvithe geheißen. Zu der kamen viele fremde Prinzen, um sie zu freien. Sie wollte aber keinen von ihnen, als den Prinzen Peter von Dänemark, der ein feiner und stattlicher Mann war, und ihr ausnehmend wohl gefiel. Der wurde also ihr verlobter Bräutigam, und es sollte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0276" n="244"/>
        <div n="2">
          <head>209. Prinzessin Swanvithe.</head><lb/>
          <p>Bei der Stadt Garz auf Rügen befindet sich ein See, neben welchem früher ein Schloß der heidnischen Könige gestanden hat. Als dieses Schloß vor vielen Jahren von den Christen genommen und zerstört ist, hat darin ein alter Heidenkönig gelebt, der ist sehr reich gewesen, und so geizig, daß er immer bei seinen Schätzen von Gold und Edelsteinen gelegen hat, die er in einem großen Saale tief unter dem Schlosse aufgehäuft hatte. Darin wühlte er Tag und Nacht umher, und als das Schloß von den Christen zerstört wurde, da lag er auch darin verschüttet, so daß er eines elenden Hungertodes sterben mußte. Darauf, weil seine Seele von dem irdischen Gute nicht scheiden konnte, wurde er in einen schwarzen Hund verwandelt, der nun immerwährend die Goldhaufen bewachen muß. Zuweilen sieht man ihn auch in seiner menschlichen Gestalt, mit Helm und Panzer angethan, auf einem Schimmel über die Stadt und über den See reiten; manchmal hat er dabei anstatt des Helmes eine goldene Krone auf. Andere haben ihn auch wohl in der Nacht im Garzer Holze an dem Wege nach Poseritz gesehen, wie er mit einer schwarzen Pudelmütze auf dem Kopfe und einem weißen Stocke in der Hand herumwandelt.</p>
          <p>Wie nun dieser alte Heidenkönig erlöset werden kann, das mag folgende Geschichte erzählen.</p>
          <p>Viele Jahre nachher begab es sich, daß in Bergen ein König von Rügen wohnte, der eine schöne Tochter hatte, Swanvithe geheißen. Zu der kamen viele fremde Prinzen, um sie zu freien. Sie wollte aber keinen von ihnen, als den Prinzen Peter von Dänemark, der ein feiner und stattlicher Mann war, und ihr ausnehmend wohl gefiel. Der wurde also ihr verlobter Bräutigam, und es sollte
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[244/0276] 209. Prinzessin Swanvithe. Bei der Stadt Garz auf Rügen befindet sich ein See, neben welchem früher ein Schloß der heidnischen Könige gestanden hat. Als dieses Schloß vor vielen Jahren von den Christen genommen und zerstört ist, hat darin ein alter Heidenkönig gelebt, der ist sehr reich gewesen, und so geizig, daß er immer bei seinen Schätzen von Gold und Edelsteinen gelegen hat, die er in einem großen Saale tief unter dem Schlosse aufgehäuft hatte. Darin wühlte er Tag und Nacht umher, und als das Schloß von den Christen zerstört wurde, da lag er auch darin verschüttet, so daß er eines elenden Hungertodes sterben mußte. Darauf, weil seine Seele von dem irdischen Gute nicht scheiden konnte, wurde er in einen schwarzen Hund verwandelt, der nun immerwährend die Goldhaufen bewachen muß. Zuweilen sieht man ihn auch in seiner menschlichen Gestalt, mit Helm und Panzer angethan, auf einem Schimmel über die Stadt und über den See reiten; manchmal hat er dabei anstatt des Helmes eine goldene Krone auf. Andere haben ihn auch wohl in der Nacht im Garzer Holze an dem Wege nach Poseritz gesehen, wie er mit einer schwarzen Pudelmütze auf dem Kopfe und einem weißen Stocke in der Hand herumwandelt. Wie nun dieser alte Heidenkönig erlöset werden kann, das mag folgende Geschichte erzählen. Viele Jahre nachher begab es sich, daß in Bergen ein König von Rügen wohnte, der eine schöne Tochter hatte, Swanvithe geheißen. Zu der kamen viele fremde Prinzen, um sie zu freien. Sie wollte aber keinen von ihnen, als den Prinzen Peter von Dänemark, der ein feiner und stattlicher Mann war, und ihr ausnehmend wohl gefiel. Der wurde also ihr verlobter Bräutigam, und es sollte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • als Grundlage dienen die Editionsrichtlinien von Wikisource.
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Gesperrter Text wird kursiv
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Einzüge werden nicht übernommen
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Fußnoten der Vorlage sind fortlaufend nummeriert und folgen jeweils am Schluß des Textes.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/276
Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/276>, abgerufen am 25.11.2024.