Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

jetzt mit Buschwerk bewachsen ist, hat in früheren Zeiten ein Raubschloß gestanden, von welchem man noch hin und wieder Mauerwerk im Gebüsch auffindet. Der ganze Berg heißt deshalb auch noch der Burgwall. Die Räuber, die in diesem Raubschlosse gehauset, haben die Leichen der von ihnen Erschlagenen in den See geworfen, woher dieser auch den Namen erhalten haben soll. Die Ermordeten und die Mörder sollen noch jetzt in mancher Nacht um den See herumgehen, und es wagt sich in der Dunkelheit Niemand gern in die Gegend.

Vgl. Brüggemann, Beschreibung von Vor- und Hinterpommern, I. S. 230.

Eine andere Sage erzählt hierüber ausführlicher Folgendes: Der Leichensee liegt gerade in der Mitte von den Stellen, auf denen früher zwei Burgen gelegen haben, und wo noch jetzt die beiden Dörfer Lökenitz und Ramin sind. Diese beiden Burgen gehörten einem wüsten Raubritter, Namens Hans von Ramin. Der Randowfluß, der durch den See fließt, war damals noch schiffbar; es trug sich daher häufig zu, daß Schiffe durch den See kamen. Diesen paßte nun der Ritter mit seinem Raubgesindel von beiden Burgen aus auf, und er hatte eine sinnreiche Vorrichtung gemacht, wie er sie fangen könnte. Er hatte nämlich queer über den See zwei Ketten ziehen lassen, die ungefähr 50 Schritte von einander entfernt lagen, und zwei Zoll über dem Wasser ganz stramm angezogen waren. Wenn er nun ein Schiff von weitem ankommen sah, dann versteckte er sich mit seinen Leuten in dem Rohr und Schilfe am Ufer des Sees, und ließ die vordere Kette schlaff, so daß sie unter das Wasser ging. So wie aber das Schiff darüber weg war, zog er sie wieder straff an, und wie nun das Schiff zwischen den beiden Ketten festsaß und

jetzt mit Buschwerk bewachsen ist, hat in früheren Zeiten ein Raubschloß gestanden, von welchem man noch hin und wieder Mauerwerk im Gebüsch auffindet. Der ganze Berg heißt deshalb auch noch der Burgwall. Die Räuber, die in diesem Raubschlosse gehauset, haben die Leichen der von ihnen Erschlagenen in den See geworfen, woher dieser auch den Namen erhalten haben soll. Die Ermordeten und die Mörder sollen noch jetzt in mancher Nacht um den See herumgehen, und es wagt sich in der Dunkelheit Niemand gern in die Gegend.

Vgl. Brüggemann, Beschreibung von Vor- und Hinterpommern, I. S. 230.

Eine andere Sage erzählt hierüber ausführlicher Folgendes: Der Leichensee liegt gerade in der Mitte von den Stellen, auf denen früher zwei Burgen gelegen haben, und wo noch jetzt die beiden Dörfer Lökenitz und Ramin sind. Diese beiden Burgen gehörten einem wüsten Raubritter, Namens Hans von Ramin. Der Randowfluß, der durch den See fließt, war damals noch schiffbar; es trug sich daher häufig zu, daß Schiffe durch den See kamen. Diesen paßte nun der Ritter mit seinem Raubgesindel von beiden Burgen aus auf, und er hatte eine sinnreiche Vorrichtung gemacht, wie er sie fangen könnte. Er hatte nämlich queer über den See zwei Ketten ziehen lassen, die ungefähr 50 Schritte von einander entfernt lagen, und zwei Zoll über dem Wasser ganz stramm angezogen waren. Wenn er nun ein Schiff von weitem ankommen sah, dann versteckte er sich mit seinen Leuten in dem Rohr und Schilfe am Ufer des Sees, und ließ die vordere Kette schlaff, so daß sie unter das Wasser ging. So wie aber das Schiff darüber weg war, zog er sie wieder straff an, und wie nun das Schiff zwischen den beiden Ketten festsaß und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0235" n="203"/>
jetzt mit Buschwerk bewachsen ist, hat in früheren Zeiten ein Raubschloß gestanden, von welchem man noch hin und wieder Mauerwerk im Gebüsch auffindet. Der ganze Berg heißt deshalb auch noch der Burgwall. Die Räuber, die in diesem Raubschlosse gehauset, haben die Leichen der von ihnen Erschlagenen in den See geworfen, woher dieser auch den Namen erhalten haben soll. Die Ermordeten und die Mörder sollen noch jetzt in mancher Nacht um den See herumgehen, und es wagt sich in der Dunkelheit Niemand gern in die Gegend.</p>
          <listBibl>
            <bibl>Vgl. Brüggemann, Beschreibung von Vor- und Hinterpommern, I. S. 230.</bibl><lb/>
          </listBibl>
          <p>             Eine andere Sage erzählt hierüber ausführlicher Folgendes: Der Leichensee liegt gerade in der Mitte von den Stellen, auf denen früher zwei Burgen gelegen haben, und wo noch jetzt die beiden Dörfer Lökenitz und Ramin sind. Diese beiden Burgen gehörten einem wüsten Raubritter, Namens Hans von Ramin. Der Randowfluß, der durch den See fließt, war damals noch schiffbar; es trug sich daher häufig zu, daß Schiffe durch den See kamen. Diesen paßte nun der Ritter mit seinem Raubgesindel von beiden Burgen aus auf, und er hatte eine sinnreiche Vorrichtung gemacht, wie er sie fangen könnte. Er hatte nämlich queer über den See zwei Ketten ziehen lassen, die ungefähr 50 Schritte von einander entfernt lagen, und zwei Zoll über dem Wasser ganz stramm angezogen waren. Wenn er nun ein Schiff von weitem ankommen sah, dann versteckte er sich mit seinen Leuten in dem Rohr und Schilfe am Ufer des Sees, und ließ die vordere Kette schlaff, so daß sie unter das Wasser ging. So wie aber das Schiff darüber weg war, zog er sie wieder straff an, und wie nun das Schiff zwischen den beiden Ketten festsaß und
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0235] jetzt mit Buschwerk bewachsen ist, hat in früheren Zeiten ein Raubschloß gestanden, von welchem man noch hin und wieder Mauerwerk im Gebüsch auffindet. Der ganze Berg heißt deshalb auch noch der Burgwall. Die Räuber, die in diesem Raubschlosse gehauset, haben die Leichen der von ihnen Erschlagenen in den See geworfen, woher dieser auch den Namen erhalten haben soll. Die Ermordeten und die Mörder sollen noch jetzt in mancher Nacht um den See herumgehen, und es wagt sich in der Dunkelheit Niemand gern in die Gegend. Vgl. Brüggemann, Beschreibung von Vor- und Hinterpommern, I. S. 230. Eine andere Sage erzählt hierüber ausführlicher Folgendes: Der Leichensee liegt gerade in der Mitte von den Stellen, auf denen früher zwei Burgen gelegen haben, und wo noch jetzt die beiden Dörfer Lökenitz und Ramin sind. Diese beiden Burgen gehörten einem wüsten Raubritter, Namens Hans von Ramin. Der Randowfluß, der durch den See fließt, war damals noch schiffbar; es trug sich daher häufig zu, daß Schiffe durch den See kamen. Diesen paßte nun der Ritter mit seinem Raubgesindel von beiden Burgen aus auf, und er hatte eine sinnreiche Vorrichtung gemacht, wie er sie fangen könnte. Er hatte nämlich queer über den See zwei Ketten ziehen lassen, die ungefähr 50 Schritte von einander entfernt lagen, und zwei Zoll über dem Wasser ganz stramm angezogen waren. Wenn er nun ein Schiff von weitem ankommen sah, dann versteckte er sich mit seinen Leuten in dem Rohr und Schilfe am Ufer des Sees, und ließ die vordere Kette schlaff, so daß sie unter das Wasser ging. So wie aber das Schiff darüber weg war, zog er sie wieder straff an, und wie nun das Schiff zwischen den beiden Ketten festsaß und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • als Grundlage dienen die Editionsrichtlinien von Wikisource.
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Gesperrter Text wird kursiv
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Einzüge werden nicht übernommen
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Fußnoten der Vorlage sind fortlaufend nummeriert und folgen jeweils am Schluß des Textes.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/235
Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/235>, abgerufen am 24.11.2024.