Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.waren aber kalte Braten, Kuchen, Wein und mehr dergleichen; das verzehrten sie an einem Tische, den sie sich sauber decken ließen. Als solches der arme Edelmann am Ofen gesehen, hat er voll Neides zu seiner Frau gesagt: Sehet, wie sich das Bürgerpack traktiren kann! Den hat die Edelfrau aber getröstet mit den Worten: Dafür haben wir doch den hochgelobten Adel! Daher ist jenes Sprichwort entstanden. Dähnert, Pommersche Bibliothek, V. 5. S. 174. 126. Das neue Tief. Die Insel Rügen war früher mit dem festen Lande verbunden. Die jetzige Halbinsel Rügens, das Mönchgut genannt, soll nämlich mit Pommern zusammengehangen haben. Manche sagen zwar, es sey schon in den ältesten Zeiten davon getrennt gewesen; aber es war dies nur durch einen schmalen Strom, der soll, wie einige Leute sagen, so schmal gewesen seyn, daß zur Noth ein Mann herüber springen konnte. Andere dagegen behaupten, er sey wohl etwas breiter gewesen, aber gar nicht tief, so daß man dadurch einen Steg von Pferdeschädeln und anderen Knochen gemacht habe, über den man von Pommern nach Rügen habe gehen können. So viel ist gewiß, daß da, wo jetzt das neue Tief ist, vordem das trockne Land von Rügen war; man kann noch jetzt bei niedrigem und stillem Wasser unten auf dem Grunde des Meeres an einigen Stellen Eichen und Tannenbäume erblicken. Das wurde nun auf einmal anders in einer einzigen Nacht im Anfange des vierzehnten Jahrhunderts; man kann nicht einig darüber werden, ob es in den Jahren 1302, oder 1303, oder 1308, oder 1309 gewesen ist. In einem dieser Jahre soll es aber sicher vorgefallen seyn. Da entstand waren aber kalte Braten, Kuchen, Wein und mehr dergleichen; das verzehrten sie an einem Tische, den sie sich sauber decken ließen. Als solches der arme Edelmann am Ofen gesehen, hat er voll Neides zu seiner Frau gesagt: Sehet, wie sich das Bürgerpack traktiren kann! Den hat die Edelfrau aber getröstet mit den Worten: Dafür haben wir doch den hochgelobten Adel! Daher ist jenes Sprichwort entstanden. Dähnert, Pommersche Bibliothek, V. 5. S. 174. 126. Das neue Tief. Die Insel Rügen war früher mit dem festen Lande verbunden. Die jetzige Halbinsel Rügens, das Mönchgut genannt, soll nämlich mit Pommern zusammengehangen haben. Manche sagen zwar, es sey schon in den ältesten Zeiten davon getrennt gewesen; aber es war dies nur durch einen schmalen Strom, der soll, wie einige Leute sagen, so schmal gewesen seyn, daß zur Noth ein Mann herüber springen konnte. Andere dagegen behaupten, er sey wohl etwas breiter gewesen, aber gar nicht tief, so daß man dadurch einen Steg von Pferdeschädeln und anderen Knochen gemacht habe, über den man von Pommern nach Rügen habe gehen können. So viel ist gewiß, daß da, wo jetzt das neue Tief ist, vordem das trockne Land von Rügen war; man kann noch jetzt bei niedrigem und stillem Wasser unten auf dem Grunde des Meeres an einigen Stellen Eichen und Tannenbäume erblicken. Das wurde nun auf einmal anders in einer einzigen Nacht im Anfange des vierzehnten Jahrhunderts; man kann nicht einig darüber werden, ob es in den Jahren 1302, oder 1303, oder 1308, oder 1309 gewesen ist. In einem dieser Jahre soll es aber sicher vorgefallen seyn. Da entstand <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0197" n="165"/> waren aber kalte Braten, Kuchen, Wein und mehr dergleichen; das verzehrten sie an einem Tische, den sie sich sauber decken ließen.</p> <p>Als solches der arme Edelmann am Ofen gesehen, hat er voll Neides zu seiner Frau gesagt: Sehet, wie sich das Bürgerpack traktiren kann! Den hat die Edelfrau aber getröstet mit den Worten: Dafür haben wir doch den hochgelobten Adel!</p> <p>Daher ist jenes Sprichwort entstanden.</p> <listBibl> <bibl>Dähnert, Pommersche Bibliothek, V. 5. S. 174.</bibl><lb/> </listBibl> </div> <div n="2"> <head>126. Das neue Tief.</head><lb/> <p>Die Insel Rügen war früher mit dem festen Lande verbunden. Die jetzige Halbinsel Rügens, das Mönchgut genannt, soll nämlich mit Pommern zusammengehangen haben. Manche sagen zwar, es sey schon in den ältesten Zeiten davon getrennt gewesen; aber es war dies nur durch einen schmalen Strom, der soll, wie einige Leute sagen, so schmal gewesen seyn, daß zur Noth ein Mann herüber springen konnte. Andere dagegen behaupten, er sey wohl etwas breiter gewesen, aber gar nicht tief, so daß man dadurch einen Steg von Pferdeschädeln und anderen Knochen gemacht habe, über den man von Pommern nach Rügen habe gehen können. So viel ist gewiß, daß da, wo jetzt das neue Tief ist, vordem das trockne Land von Rügen war; man kann noch jetzt bei niedrigem und stillem Wasser unten auf dem Grunde des Meeres an einigen Stellen Eichen und Tannenbäume erblicken.</p> <p>Das wurde nun auf einmal anders in einer einzigen Nacht im Anfange des vierzehnten Jahrhunderts; man kann nicht einig darüber werden, ob es in den Jahren 1302, oder 1303, oder 1308, oder 1309 gewesen ist. In einem dieser Jahre soll es aber sicher vorgefallen seyn. Da entstand </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [165/0197]
waren aber kalte Braten, Kuchen, Wein und mehr dergleichen; das verzehrten sie an einem Tische, den sie sich sauber decken ließen.
Als solches der arme Edelmann am Ofen gesehen, hat er voll Neides zu seiner Frau gesagt: Sehet, wie sich das Bürgerpack traktiren kann! Den hat die Edelfrau aber getröstet mit den Worten: Dafür haben wir doch den hochgelobten Adel!
Daher ist jenes Sprichwort entstanden.
Dähnert, Pommersche Bibliothek, V. 5. S. 174.
126. Das neue Tief.
Die Insel Rügen war früher mit dem festen Lande verbunden. Die jetzige Halbinsel Rügens, das Mönchgut genannt, soll nämlich mit Pommern zusammengehangen haben. Manche sagen zwar, es sey schon in den ältesten Zeiten davon getrennt gewesen; aber es war dies nur durch einen schmalen Strom, der soll, wie einige Leute sagen, so schmal gewesen seyn, daß zur Noth ein Mann herüber springen konnte. Andere dagegen behaupten, er sey wohl etwas breiter gewesen, aber gar nicht tief, so daß man dadurch einen Steg von Pferdeschädeln und anderen Knochen gemacht habe, über den man von Pommern nach Rügen habe gehen können. So viel ist gewiß, daß da, wo jetzt das neue Tief ist, vordem das trockne Land von Rügen war; man kann noch jetzt bei niedrigem und stillem Wasser unten auf dem Grunde des Meeres an einigen Stellen Eichen und Tannenbäume erblicken.
Das wurde nun auf einmal anders in einer einzigen Nacht im Anfange des vierzehnten Jahrhunderts; man kann nicht einig darüber werden, ob es in den Jahren 1302, oder 1303, oder 1308, oder 1309 gewesen ist. In einem dieser Jahre soll es aber sicher vorgefallen seyn. Da entstand
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/197 |
Zitationshilfe: | Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/197>, abgerufen am 22.02.2025. |