Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Calandsbrüderschaft befand, der sie gehört haben. Beide Schränke sind von mittler Größe, mit doppelten Thüren, und ruhen auf tischhohen Füßen. Die Thüren sind auswendig bemalt; auf der Einen steht ein Mann in vollem Priesterornate, mit einem Buche unter dem linken Arm, die rechte Hand zum Segensprechen aufgehoben. Auf der andern ist ein Mann in weltlicher Kleidung abgebildet, einen speerähnlichen Stab in der Hand, und vor sich einen Knaben, der ein Buch hält. In diesen Schränken liegen zwei Chorhemden, ein Meßgewand, eine Mütze, ein Calandsbeutel und ein kleines fein gesticktes Kissen, an den Enden wie eine Bratwurst zusammengebunden. Die Chorhemden und das Meßgewand sind von starker, schwerer Seide, und reich mit Gold in Gestalt von allerlei künstlichen Figuren durchwirkt. Auf dem einen Hemde ist in dieser Art der Erlöser am Kreuze mit den Aposteln dargestellt. Die Mütze ist von geblümtem seidenen Zeuge, an beiden Seiten aufgeschlagen, und glatt an den Kopf anschließend. Der Beutel ist reich gestickt. Er diente zum Tragen des Gebetbuchs, weshalb er auch gewöhnlich "Booksbeutel" genannt wurde. Das Alles ist das Ornat eines ehemaligen Calandsbruders.

Warum es in den Schränken noch aufbewahrt wird, weiß man nicht mehr. Aber so viel ist gewiß, daß es eine besondere Bewandniß damit haben muß, und daß Keiner ungestraft damit seinen Spott treiben darf. Das hat vor mehreren Jahren ein Bürgermeister in Stralsund erfahren. Der bekleidete sich einst aus Uebermuth mit diesem Ornate, ungeachtet ihn Alle warnten, und ihm vorhersagten, es werde ein Unglück daraus entstehen. Denn ein Bürgermeister von Stralsund ist etwas übermüthiger Natur. Aber am anderen Morgen fand man ihn todt in seinem Bette.

Vgl. Pommersche Provinzialblätter, von Haken, IV. S. 90. 91.

Calandsbrüderschaft befand, der sie gehört haben. Beide Schränke sind von mittler Größe, mit doppelten Thüren, und ruhen auf tischhohen Füßen. Die Thüren sind auswendig bemalt; auf der Einen steht ein Mann in vollem Priesterornate, mit einem Buche unter dem linken Arm, die rechte Hand zum Segensprechen aufgehoben. Auf der andern ist ein Mann in weltlicher Kleidung abgebildet, einen speerähnlichen Stab in der Hand, und vor sich einen Knaben, der ein Buch hält. In diesen Schränken liegen zwei Chorhemden, ein Meßgewand, eine Mütze, ein Calandsbeutel und ein kleines fein gesticktes Kissen, an den Enden wie eine Bratwurst zusammengebunden. Die Chorhemden und das Meßgewand sind von starker, schwerer Seide, und reich mit Gold in Gestalt von allerlei künstlichen Figuren durchwirkt. Auf dem einen Hemde ist in dieser Art der Erlöser am Kreuze mit den Aposteln dargestellt. Die Mütze ist von geblümtem seidenen Zeuge, an beiden Seiten aufgeschlagen, und glatt an den Kopf anschließend. Der Beutel ist reich gestickt. Er diente zum Tragen des Gebetbuchs, weshalb er auch gewöhnlich „Booksbeutel“ genannt wurde. Das Alles ist das Ornat eines ehemaligen Calandsbruders.

Warum es in den Schränken noch aufbewahrt wird, weiß man nicht mehr. Aber so viel ist gewiß, daß es eine besondere Bewandniß damit haben muß, und daß Keiner ungestraft damit seinen Spott treiben darf. Das hat vor mehreren Jahren ein Bürgermeister in Stralsund erfahren. Der bekleidete sich einst aus Uebermuth mit diesem Ornate, ungeachtet ihn Alle warnten, und ihm vorhersagten, es werde ein Unglück daraus entstehen. Denn ein Bürgermeister von Stralsund ist etwas übermüthiger Natur. Aber am anderen Morgen fand man ihn todt in seinem Bette.

Vgl. Pommersche Provinzialblätter, von Haken, IV. S. 90. 91.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0185" n="153"/>
Calandsbrüderschaft befand, der sie gehört haben. Beide Schränke sind von mittler Größe, mit doppelten Thüren, und ruhen auf tischhohen Füßen. Die Thüren sind auswendig bemalt; auf der Einen steht ein Mann in vollem Priesterornate, mit einem Buche unter dem linken Arm, die rechte Hand zum Segensprechen aufgehoben. Auf der andern ist ein Mann in weltlicher Kleidung abgebildet, einen speerähnlichen Stab in der Hand, und vor sich einen Knaben, der ein Buch hält. In diesen Schränken liegen zwei Chorhemden, ein Meßgewand, eine Mütze, ein Calandsbeutel und ein kleines fein gesticktes Kissen, an den Enden wie eine Bratwurst zusammengebunden. Die Chorhemden und das Meßgewand sind von starker, schwerer Seide, und reich mit Gold in Gestalt von allerlei künstlichen Figuren durchwirkt. Auf dem einen Hemde ist in dieser Art der Erlöser am Kreuze mit den Aposteln dargestellt. Die Mütze ist von geblümtem seidenen Zeuge, an beiden Seiten aufgeschlagen, und glatt an den Kopf anschließend. Der Beutel ist reich gestickt. Er diente zum Tragen des Gebetbuchs, weshalb er auch gewöhnlich &#x201E;Booksbeutel&#x201C; genannt wurde. Das Alles ist das Ornat eines ehemaligen Calandsbruders.</p>
          <p>Warum es in den Schränken noch aufbewahrt wird, weiß man nicht mehr. Aber so viel ist gewiß, daß es eine besondere Bewandniß damit haben muß, und daß Keiner ungestraft damit seinen Spott treiben darf. Das hat vor mehreren Jahren ein Bürgermeister in Stralsund erfahren. Der bekleidete sich einst aus Uebermuth mit diesem Ornate, ungeachtet ihn Alle warnten, und ihm vorhersagten, es werde ein Unglück daraus entstehen. Denn ein Bürgermeister von Stralsund ist etwas übermüthiger Natur. Aber am anderen Morgen fand man ihn todt in seinem Bette.</p>
          <listBibl>
            <bibl>Vgl. Pommersche Provinzialblätter, von Haken, IV. S. 90. 91.</bibl><lb/>
          </listBibl>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0185] Calandsbrüderschaft befand, der sie gehört haben. Beide Schränke sind von mittler Größe, mit doppelten Thüren, und ruhen auf tischhohen Füßen. Die Thüren sind auswendig bemalt; auf der Einen steht ein Mann in vollem Priesterornate, mit einem Buche unter dem linken Arm, die rechte Hand zum Segensprechen aufgehoben. Auf der andern ist ein Mann in weltlicher Kleidung abgebildet, einen speerähnlichen Stab in der Hand, und vor sich einen Knaben, der ein Buch hält. In diesen Schränken liegen zwei Chorhemden, ein Meßgewand, eine Mütze, ein Calandsbeutel und ein kleines fein gesticktes Kissen, an den Enden wie eine Bratwurst zusammengebunden. Die Chorhemden und das Meßgewand sind von starker, schwerer Seide, und reich mit Gold in Gestalt von allerlei künstlichen Figuren durchwirkt. Auf dem einen Hemde ist in dieser Art der Erlöser am Kreuze mit den Aposteln dargestellt. Die Mütze ist von geblümtem seidenen Zeuge, an beiden Seiten aufgeschlagen, und glatt an den Kopf anschließend. Der Beutel ist reich gestickt. Er diente zum Tragen des Gebetbuchs, weshalb er auch gewöhnlich „Booksbeutel“ genannt wurde. Das Alles ist das Ornat eines ehemaligen Calandsbruders. Warum es in den Schränken noch aufbewahrt wird, weiß man nicht mehr. Aber so viel ist gewiß, daß es eine besondere Bewandniß damit haben muß, und daß Keiner ungestraft damit seinen Spott treiben darf. Das hat vor mehreren Jahren ein Bürgermeister in Stralsund erfahren. Der bekleidete sich einst aus Uebermuth mit diesem Ornate, ungeachtet ihn Alle warnten, und ihm vorhersagten, es werde ein Unglück daraus entstehen. Denn ein Bürgermeister von Stralsund ist etwas übermüthiger Natur. Aber am anderen Morgen fand man ihn todt in seinem Bette. Vgl. Pommersche Provinzialblätter, von Haken, IV. S. 90. 91.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • als Grundlage dienen die Editionsrichtlinien von Wikisource.
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Gesperrter Text wird kursiv
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Einzüge werden nicht übernommen
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Fußnoten der Vorlage sind fortlaufend nummeriert und folgen jeweils am Schluß des Textes.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/185
Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/185>, abgerufen am 26.11.2024.