Swift, Jonathan: Des Herrn Dr. Jonathan Swifts wo nicht unverbesserlicher doch wohlgemeynter Unterricht für alle Arten unerfahrner Bedienten, aus vieljähriger sorgfältiger Aufmerksamkeit und Erfahrung zusammengetragen [Übers.]. Frankfurt u. a., 1748.Kleider an, und macht euch mit euren Bekannten bis neun oder zehn Uhr des Abends lustig. Aber speiset vorher. Lasset jederzeit zwischen euch und dem Kellner eine genaue Freundschaft seyn, denn euer beyder Nutze beruhet auf eurer Einigkeit. Der Kellner bedarf öfters eines stärkenden Leckerbißgens, und ihr noch öfterer eines guten kühlen Trunks. Seyd indessen behutsam mit ihm: denn er ist bisweilen ein unbeständiger Liebhaber, weil er den großen Vortheil hat, daß er die Mädgen mit einem Gläsgen Sekt, oder rothen Wein mit Zucker ankörnen kann. Wenn ihr eine Kalbsbrust bratet: so vergesset nicht, daß euer Schatz, der Kellner, gerne das beste Stückgen davon essen mag. Schaffet es daher bis an den Abend auf die Seite. Ihr könnt sagen: die Katze, oder der Hund sey damit fortgelaufen, oder ihr hättet gefunden, daß es verdorben, oder von den Fliegen betragen worden. Es siehet auch über dieses auf der Tafel eben so gut ohne dasselbe, als mit demselben aus. Wenn ihr die Gesellschaft lange auf die Mahlzeit warten laßt, und das Essen gar zu stark gekocht ist, welches gemeiniglich zu geschehen pfleget: so könnt ihr mit Recht eurer Frau die Schuld geben, die euch so übertrieben, das Essen hinaufzuschicken, daß ihr gezwungen, es zu sehr gekocht oder gebraten hinauf bringen zu lassen. Wenn euch euer Essen fast bey jeder Schüssel nicht geräth, was könnt ihr dafür? Ihr Kleider an, und macht euch mit euren Bekannten bis neun oder zehn Uhr des Abends lustig. Aber speiset vorher. Lasset jederzeit zwischen euch und dem Kellner eine genaue Freundschaft seyn, denn euer beyder Nutze beruhet auf eurer Einigkeit. Der Kellner bedarf öfters eines stärkenden Leckerbißgens, und ihr noch öfterer eines guten kühlen Trunks. Seyd indessen behutsam mit ihm: denn er ist bisweilen ein unbeständiger Liebhaber, weil er den großen Vortheil hat, daß er die Mädgen mit einem Gläsgen Sekt, oder rothen Wein mit Zucker ankörnen kann. Wenn ihr eine Kalbsbrust bratet: so vergesset nicht, daß euer Schatz, der Kellner, gerne das beste Stückgen davon essen mag. Schaffet es daher bis an den Abend auf die Seite. Ihr könnt sagen: die Katze, oder der Hund sey damit fortgelaufen, oder ihr hättet gefunden, daß es verdorben, oder von den Fliegen betragen worden. Es siehet auch über dieses auf der Tafel eben so gut ohne dasselbe, als mit demselben aus. Wenn ihr die Gesellschaft lange auf die Mahlzeit warten laßt, und das Essen gar zu stark gekocht ist, welches gemeiniglich zu geschehen pfleget: so könnt ihr mit Recht eurer Frau die Schuld geben, die euch so übertrieben, das Essen hinaufzuschicken, daß ihr gezwungen, es zu sehr gekocht oder gebraten hinauf bringen zu lassen. Wenn euch euer Essen fast bey jeder Schüssel nicht geräth, was könnt ihr dafür? Ihr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0068" n="52"/> Kleider an, und macht euch mit euren Bekannten bis neun oder zehn Uhr des Abends lustig. Aber speiset vorher.</p> <p>Lasset jederzeit zwischen euch und dem Kellner eine genaue Freundschaft seyn, denn euer beyder Nutze beruhet auf eurer Einigkeit. Der Kellner bedarf öfters eines stärkenden Leckerbißgens, und ihr noch öfterer eines guten kühlen Trunks. Seyd indessen behutsam mit ihm: denn er ist bisweilen ein unbeständiger Liebhaber, weil er den großen Vortheil hat, daß er die Mädgen mit einem Gläsgen Sekt, oder rothen Wein mit Zucker ankörnen kann.</p> <p>Wenn ihr eine Kalbsbrust bratet: so vergesset nicht, daß euer Schatz, der Kellner, gerne das beste Stückgen davon essen mag. Schaffet es daher bis an den Abend auf die Seite. Ihr könnt sagen: die Katze, oder der Hund sey damit fortgelaufen, oder ihr hättet gefunden, daß es verdorben, oder von den Fliegen betragen worden. Es siehet auch über dieses auf der Tafel eben so gut ohne dasselbe, als mit demselben aus.</p> <p>Wenn ihr die Gesellschaft lange auf die Mahlzeit warten laßt, und das Essen gar zu stark gekocht ist, welches gemeiniglich zu geschehen pfleget: so könnt ihr mit Recht eurer Frau die Schuld geben, die euch so übertrieben, das Essen hinaufzuschicken, daß ihr gezwungen, es zu sehr gekocht oder gebraten hinauf bringen zu lassen.</p> <p>Wenn euch euer Essen fast bey jeder Schüssel nicht geräth, was könnt ihr dafür? Ihr </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [52/0068]
Kleider an, und macht euch mit euren Bekannten bis neun oder zehn Uhr des Abends lustig. Aber speiset vorher.
Lasset jederzeit zwischen euch und dem Kellner eine genaue Freundschaft seyn, denn euer beyder Nutze beruhet auf eurer Einigkeit. Der Kellner bedarf öfters eines stärkenden Leckerbißgens, und ihr noch öfterer eines guten kühlen Trunks. Seyd indessen behutsam mit ihm: denn er ist bisweilen ein unbeständiger Liebhaber, weil er den großen Vortheil hat, daß er die Mädgen mit einem Gläsgen Sekt, oder rothen Wein mit Zucker ankörnen kann.
Wenn ihr eine Kalbsbrust bratet: so vergesset nicht, daß euer Schatz, der Kellner, gerne das beste Stückgen davon essen mag. Schaffet es daher bis an den Abend auf die Seite. Ihr könnt sagen: die Katze, oder der Hund sey damit fortgelaufen, oder ihr hättet gefunden, daß es verdorben, oder von den Fliegen betragen worden. Es siehet auch über dieses auf der Tafel eben so gut ohne dasselbe, als mit demselben aus.
Wenn ihr die Gesellschaft lange auf die Mahlzeit warten laßt, und das Essen gar zu stark gekocht ist, welches gemeiniglich zu geschehen pfleget: so könnt ihr mit Recht eurer Frau die Schuld geben, die euch so übertrieben, das Essen hinaufzuschicken, daß ihr gezwungen, es zu sehr gekocht oder gebraten hinauf bringen zu lassen.
Wenn euch euer Essen fast bey jeder Schüssel nicht geräth, was könnt ihr dafür? Ihr
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Zitationshilfe: | Swift, Jonathan: Des Herrn Dr. Jonathan Swifts wo nicht unverbesserlicher doch wohlgemeynter Unterricht für alle Arten unerfahrner Bedienten, aus vieljähriger sorgfältiger Aufmerksamkeit und Erfahrung zusammengetragen [Übers.]. Frankfurt u. a., 1748, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/swift_unterricht_1748/68>, abgerufen am 16.02.2025. |