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Swedenborg, Emanuel: Auserlesene Schriften. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1776.

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Mercur etc.
Nachfolger, die Scholastiker, welche nicht
(ox cogitatione ad terminos, sed a terminis
ad cogitationes
) von den Gedanken zu den
Worten, sondern von den Worten zu den
Gedanken, und also auf einem widrign Weg
gehen; und viele von ihnen gelangen nicht
einmal zu den Gedanken, sondern bleiben
blos an den Worten hangen; wenn sie diese
anwenden, so geschieht es, entweder das was
sie wollen zu bestättigen, oder dem falschen
nach der Begierde zu überreden, den Schein
des wahren anzustreichen; deswegen sind ih-
nen ihre wissenschafftliche Dinge mehr Mit-
tel, toll und närrisch als klug zu werden, und
daher Finsterniß statt des Lichts. Jch rede-
te alsdann mit ihm von der analytischen Wis-
senschaft, und sagte, daß ein Knab in einer
halben Stunde mehr philosophisch, analytisch
und logicalisch rede, als er durch ein ganzes
Werk hätte beschreiben können, weil alles, was
zu einem Gedanken, und folglich zur mensch-
lichen Rede gehöret, analytisch ist, davon die
Gesetze aus der geistlichen Welt sind; und
wer nach der Kunst aus den Worten denken
will, der sey einem Dänzer nicht ungleich,
welcher aus der Wissenschaft der Bewegungs-
Fäserlein und Muskeln danzen lernen will:
wenn er nun unter dem Danzen immer dar-
an denken würde, so würde er alsdann kaum
einen Fuß bewegen können, und er bewegt
doch ohne jene Wissenschaft alle bewegende

Fäser-

Mercur ꝛc.
Nachfolger, die Scholaſtiker, welche nicht
(ox cogitatione ad terminos, ſed a terminis
ad cogitationes
) von den Gedanken zu den
Worten, ſondern von den Worten zu den
Gedanken, und alſo auf einem widrign Weg
gehen; und viele von ihnen gelangen nicht
einmal zu den Gedanken, ſondern bleiben
blos an den Worten hangen; wenn ſie dieſe
anwenden, ſo geſchieht es, entweder das was
ſie wollen zu beſtättigen, oder dem falſchen
nach der Begierde zu überreden, den Schein
des wahren anzuſtreichen; deswegen ſind ih-
nen ihre wiſſenſchafftliche Dinge mehr Mit-
tel, toll und närriſch als klug zu werden, und
daher Finſterniß ſtatt des Lichts. Jch rede-
te alsdann mit ihm von der analytiſchen Wiſ-
ſenſchaft, und ſagte, daß ein Knab in einer
halben Stunde mehr philoſophiſch, analytiſch
und logicaliſch rede, als er durch ein ganzes
Werk hätte beſchreiben können, weil alles, was
zu einem Gedanken, und folglich zur menſch-
lichen Rede gehöret, analytiſch iſt, davon die
Geſetze aus der geiſtlichen Welt ſind; und
wer nach der Kunſt aus den Worten denken
will, der ſey einem Dänzer nicht ungleich,
welcher aus der Wiſſenſchaft der Bewegungs-
Fäſerlein und Muskeln danzen lernen will:
wenn er nun unter dem Danzen immer dar-
an denken würde, ſo würde er alsdann kaum
einen Fuß bewegen können, und er bewegt
doch ohne jene Wiſſenſchaft alle bewegende

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[111/0115] Mercur ꝛc. Nachfolger, die Scholaſtiker, welche nicht (ox cogitatione ad terminos, ſed a terminis ad cogitationes) von den Gedanken zu den Worten, ſondern von den Worten zu den Gedanken, und alſo auf einem widrign Weg gehen; und viele von ihnen gelangen nicht einmal zu den Gedanken, ſondern bleiben blos an den Worten hangen; wenn ſie dieſe anwenden, ſo geſchieht es, entweder das was ſie wollen zu beſtättigen, oder dem falſchen nach der Begierde zu überreden, den Schein des wahren anzuſtreichen; deswegen ſind ih- nen ihre wiſſenſchafftliche Dinge mehr Mit- tel, toll und närriſch als klug zu werden, und daher Finſterniß ſtatt des Lichts. Jch rede- te alsdann mit ihm von der analytiſchen Wiſ- ſenſchaft, und ſagte, daß ein Knab in einer halben Stunde mehr philoſophiſch, analytiſch und logicaliſch rede, als er durch ein ganzes Werk hätte beſchreiben können, weil alles, was zu einem Gedanken, und folglich zur menſch- lichen Rede gehöret, analytiſch iſt, davon die Geſetze aus der geiſtlichen Welt ſind; und wer nach der Kunſt aus den Worten denken will, der ſey einem Dänzer nicht ungleich, welcher aus der Wiſſenſchaft der Bewegungs- Fäſerlein und Muskeln danzen lernen will: wenn er nun unter dem Danzen immer dar- an denken würde, ſo würde er alsdann kaum einen Fuß bewegen können, und er bewegt doch ohne jene Wiſſenſchaft alle bewegende Fäſer-

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Zitationshilfe: Swedenborg, Emanuel: Auserlesene Schriften. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1776, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/swedenborg_schriften03_1776/115>, abgerufen am 24.11.2024.