Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Swedenborg, Emanuel: Auserlesene Schriften. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Vom Himmel.
empfinden, was wahr und gut, und daher falsch
und böse sey, sondern blos in der Einbildung ste-
hen, was andre sagten, sey wahr und gut, oder
falsch und böse, und solches hernach mit helsen
bekräftigen; diese, weil sie das Wahre nicht aus
dem Wahren, sondern aus dem Munde eines an-
dern sehen, können eben so wohl das Falsche als
das Wahre erwischen, es auch wohl glauben, und
es wohl gar so lange bekräftigen, bis es endlich
wie Wahrheit zu seyn scheinet; denn was bekräf-
tigt wird, das nimmt den Anschein der Wahrheit
an sich; und es ist nichts vorhanden, das nicht
bekräftigt werden könnte: deren ihr Jnners ist
sonst nicht, als nur von unten eröffnet, ihr Aeus-
seres aber ist so weit, als sie sich bestärkt haben,
aufgethan; weswegen das Licht, woraus sie se-
hen, nicht das Licht des Himmels, sondern das
Licht der Welt ist, so man das natürliche Licht
nennet; denn in diesem Lichte können die Falsch-
heiten wie Wahrheiten leuchten, ja wohl gar,
wenn sie bekräftigt werden, schimmern, aber nicht
in dem Lichte des Himmels. Von dieser Art sind
nun die, so weniger Erkänntnis haben, und we-
niger weise sind, die sich also sehr bestärkt, hin-
gegen die mehr Erkänntnis haben, und weise sind,
sind solche, die sich wenig bestärkt haben. Hier-
aus erhellet, was die unächte Erkänntnis und
Weisheit sey. Allein von solcher Art sind dieje-
nigen nicht, welche wohl in der Kindheit dafür
gehalten, das, was sie von den Lehrern gehöret,
sey wahr, wenn sie aber in der Jugend, da sie

aus

Vom Himmel.
empfinden, was wahr und gut, und daher falſch
und boͤſe ſey, ſondern blos in der Einbildung ſte-
hen, was andre ſagten, ſey wahr und gut, oder
falſch und boͤſe, und ſolches hernach mit helſen
bekraͤftigen; dieſe, weil ſie das Wahre nicht aus
dem Wahren, ſondern aus dem Munde eines an-
dern ſehen, koͤnnen eben ſo wohl das Falſche als
das Wahre erwiſchen, es auch wohl glauben, und
es wohl gar ſo lange bekraͤftigen, bis es endlich
wie Wahrheit zu ſeyn ſcheinet; denn was bekraͤf-
tigt wird, das nimmt den Anſchein der Wahrheit
an ſich; und es iſt nichts vorhanden, das nicht
bekraͤftigt werden koͤnnte: deren ihr Jnners iſt
ſonſt nicht, als nur von unten eroͤffnet, ihr Aeuſ-
ſeres aber iſt ſo weit, als ſie ſich beſtaͤrkt haben,
aufgethan; weswegen das Licht, woraus ſie ſe-
hen, nicht das Licht des Himmels, ſondern das
Licht der Welt iſt, ſo man das natuͤrliche Licht
nennet; denn in dieſem Lichte koͤnnen die Falſch-
heiten wie Wahrheiten leuchten, ja wohl gar,
wenn ſie bekraͤftigt werden, ſchimmern, aber nicht
in dem Lichte des Himmels. Von dieſer Art ſind
nun die, ſo weniger Erkaͤnntnis haben, und we-
niger weiſe ſind, die ſich alſo ſehr beſtaͤrkt, hin-
gegen die mehr Erkaͤnntnis haben, und weiſe ſind,
ſind ſolche, die ſich wenig beſtaͤrkt haben. Hier-
aus erhellet, was die unaͤchte Erkaͤnntnis und
Weisheit ſey. Allein von ſolcher Art ſind dieje-
nigen nicht, welche wohl in der Kindheit dafuͤr
gehalten, das, was ſie von den Lehrern gehoͤret,
ſey wahr, wenn ſie aber in der Jugend, da ſie

aus
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0062" n="63"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vom Himmel.</hi></fw><lb/>
empfinden, was wahr und gut, und daher fal&#x017F;ch<lb/>
und bo&#x0364;&#x017F;e &#x017F;ey, &#x017F;ondern blos in der Einbildung &#x017F;te-<lb/>
hen, was andre &#x017F;agten, &#x017F;ey wahr und gut, oder<lb/>
fal&#x017F;ch und bo&#x0364;&#x017F;e, und &#x017F;olches hernach mit hel&#x017F;en<lb/>
bekra&#x0364;ftigen; die&#x017F;e, weil &#x017F;ie das Wahre nicht aus<lb/>
dem Wahren, &#x017F;ondern aus dem Munde eines an-<lb/>
dern &#x017F;ehen, ko&#x0364;nnen eben &#x017F;o wohl das Fal&#x017F;che als<lb/>
das Wahre erwi&#x017F;chen, es auch wohl glauben, und<lb/>
es wohl gar &#x017F;o lange bekra&#x0364;ftigen, bis es endlich<lb/>
wie Wahrheit zu &#x017F;eyn &#x017F;cheinet; denn was bekra&#x0364;f-<lb/>
tigt wird, das nimmt den An&#x017F;chein der Wahrheit<lb/>
an &#x017F;ich; und es i&#x017F;t nichts vorhanden, das nicht<lb/>
bekra&#x0364;ftigt werden ko&#x0364;nnte: deren ihr Jnners i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t nicht, als nur von unten ero&#x0364;ffnet, ihr Aeu&#x017F;-<lb/>
&#x017F;eres aber i&#x017F;t &#x017F;o weit, als &#x017F;ie &#x017F;ich be&#x017F;ta&#x0364;rkt haben,<lb/>
aufgethan; weswegen das Licht, woraus &#x017F;ie &#x017F;e-<lb/>
hen, nicht das Licht des Himmels, &#x017F;ondern das<lb/>
Licht der Welt i&#x017F;t, &#x017F;o man das natu&#x0364;rliche Licht<lb/>
nennet; denn in die&#x017F;em Lichte ko&#x0364;nnen die Fal&#x017F;ch-<lb/>
heiten wie Wahrheiten leuchten, ja wohl gar,<lb/>
wenn &#x017F;ie bekra&#x0364;ftigt werden, &#x017F;chimmern, aber nicht<lb/>
in dem Lichte des Himmels. Von die&#x017F;er Art &#x017F;ind<lb/>
nun die, &#x017F;o weniger Erka&#x0364;nntnis haben, und we-<lb/>
niger wei&#x017F;e &#x017F;ind, die &#x017F;ich al&#x017F;o &#x017F;ehr be&#x017F;ta&#x0364;rkt, hin-<lb/>
gegen die mehr Erka&#x0364;nntnis haben, und wei&#x017F;e &#x017F;ind,<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;olche, die &#x017F;ich wenig be&#x017F;ta&#x0364;rkt haben. Hier-<lb/>
aus erhellet, was die una&#x0364;chte Erka&#x0364;nntnis und<lb/>
Weisheit &#x017F;ey. Allein von &#x017F;olcher Art &#x017F;ind dieje-<lb/>
nigen nicht, welche wohl in der Kindheit dafu&#x0364;r<lb/>
gehalten, das, was &#x017F;ie von den Lehrern geho&#x0364;ret,<lb/>
&#x017F;ey wahr, wenn &#x017F;ie aber in der Jugend, da &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">aus</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0062] Vom Himmel. empfinden, was wahr und gut, und daher falſch und boͤſe ſey, ſondern blos in der Einbildung ſte- hen, was andre ſagten, ſey wahr und gut, oder falſch und boͤſe, und ſolches hernach mit helſen bekraͤftigen; dieſe, weil ſie das Wahre nicht aus dem Wahren, ſondern aus dem Munde eines an- dern ſehen, koͤnnen eben ſo wohl das Falſche als das Wahre erwiſchen, es auch wohl glauben, und es wohl gar ſo lange bekraͤftigen, bis es endlich wie Wahrheit zu ſeyn ſcheinet; denn was bekraͤf- tigt wird, das nimmt den Anſchein der Wahrheit an ſich; und es iſt nichts vorhanden, das nicht bekraͤftigt werden koͤnnte: deren ihr Jnners iſt ſonſt nicht, als nur von unten eroͤffnet, ihr Aeuſ- ſeres aber iſt ſo weit, als ſie ſich beſtaͤrkt haben, aufgethan; weswegen das Licht, woraus ſie ſe- hen, nicht das Licht des Himmels, ſondern das Licht der Welt iſt, ſo man das natuͤrliche Licht nennet; denn in dieſem Lichte koͤnnen die Falſch- heiten wie Wahrheiten leuchten, ja wohl gar, wenn ſie bekraͤftigt werden, ſchimmern, aber nicht in dem Lichte des Himmels. Von dieſer Art ſind nun die, ſo weniger Erkaͤnntnis haben, und we- niger weiſe ſind, die ſich alſo ſehr beſtaͤrkt, hin- gegen die mehr Erkaͤnntnis haben, und weiſe ſind, ſind ſolche, die ſich wenig beſtaͤrkt haben. Hier- aus erhellet, was die unaͤchte Erkaͤnntnis und Weisheit ſey. Allein von ſolcher Art ſind dieje- nigen nicht, welche wohl in der Kindheit dafuͤr gehalten, das, was ſie von den Lehrern gehoͤret, ſey wahr, wenn ſie aber in der Jugend, da ſie aus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/swedenborg_schriften02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/swedenborg_schriften02_1776/62
Zitationshilfe: Swedenborg, Emanuel: Auserlesene Schriften. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1776, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/swedenborg_schriften02_1776/62>, abgerufen am 24.11.2024.