Suppius, Christoph Eusebius: Oden und Lieder. Gotha, 1749.Oden und Lieder. Durchlauchtigste! darf ich erwehnen Welch unaussprechlich grosses Sehnen Mich Wasser-Nymphe näher bringt? So wie nach bitterlichem Weinen Ein zarter Säugling beym Erscheinen Der Mutter voller Unschuld springt, So ist mir eben wiederfahren, Als diesen Morgen Sie von mir zu sehen waren. Als mich ohnlängst das Waldhorn weckte, Verwirrtes Jagd-Geschrey erschreckte, Verkroch ich mich für Furcht ins Rohr, Jedoch steckt ich, wiewohl verstohlen, Bey manchem kurzen Odemholen Aus Neubegier den Hals hervor, Und als ich meine Fürstin sahe, Wie froh! - - Doch wußt ich selbst nicht, wie mir selbst geschahe. Seitdem nun ist es nicht geschehen, Ein Angesicht noch eins zu sehen, Das lauter Mutter-Herz verspricht; Mich dünkt, ich sah es dazumahlen So huldreich und so lieblich strahlen, Wie eines Engels Angesicht, Ach! möcht es eine Fügung schicken, Jn meiner Grott einmahl die Fürstin zu erblicken! Da sähen Sie in hohlen Steinen Ein schwaches Licht durch Ritzen scheinen, Und diese graue Finsterniß Zeigt Muschelschalen, kleine Schnecken An
Oden und Lieder. Durchlauchtigſte! darf ich erwehnen Welch unausſprechlich groſſes Sehnen Mich Waſſer-Nymphe naͤher bringt? So wie nach bitterlichem Weinen Ein zarter Saͤugling beym Erſcheinen Der Mutter voller Unſchuld ſpringt, So iſt mir eben wiederfahren, Als dieſen Morgen Sie von mir zu ſehen waren. Als mich ohnlaͤngſt das Waldhorn weckte, Verwirrtes Jagd-Geſchrey erſchreckte, Verkroch ich mich fuͤr Furcht ins Rohr, Jedoch ſteckt ich, wiewohl verſtohlen, Bey manchem kurzen Odemholen Aus Neubegier den Hals hervor, Und als ich meine Fuͤrſtin ſahe, Wie froh! ‒ ‒ Doch wußt ich ſelbſt nicht, wie mir ſelbſt geſchahe. Seitdem nun iſt es nicht geſchehen, Ein Angeſicht noch eins zu ſehen, Das lauter Mutter-Herz verſpricht; Mich duͤnkt, ich ſah es dazumahlen So huldreich und ſo lieblich ſtrahlen, Wie eines Engels Angeſicht, Ach! moͤcht es eine Fuͤgung ſchicken, Jn meiner Grott einmahl die Fuͤrſtin zu erblicken! Da ſaͤhen Sie in hohlen Steinen Ein ſchwaches Licht durch Ritzen ſcheinen, Und dieſe graue Finſterniß Zeigt Muſchelſchalen, kleine Schnecken An
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Oden und Lieder.
Durchlauchtigſte! darf ich erwehnen
Welch unausſprechlich groſſes Sehnen
Mich Waſſer-Nymphe naͤher bringt?
So wie nach bitterlichem Weinen
Ein zarter Saͤugling beym Erſcheinen
Der Mutter voller Unſchuld ſpringt,
So iſt mir eben wiederfahren,
Als dieſen Morgen Sie von mir zu ſehen waren.
Als mich ohnlaͤngſt das Waldhorn weckte,
Verwirrtes Jagd-Geſchrey erſchreckte,
Verkroch ich mich fuͤr Furcht ins Rohr,
Jedoch ſteckt ich, wiewohl verſtohlen,
Bey manchem kurzen Odemholen
Aus Neubegier den Hals hervor,
Und als ich meine Fuͤrſtin ſahe,
Wie froh! ‒ ‒ Doch wußt ich ſelbſt nicht, wie mir
ſelbſt geſchahe.
Seitdem nun iſt es nicht geſchehen,
Ein Angeſicht noch eins zu ſehen,
Das lauter Mutter-Herz verſpricht;
Mich duͤnkt, ich ſah es dazumahlen
So huldreich und ſo lieblich ſtrahlen,
Wie eines Engels Angeſicht,
Ach! moͤcht es eine Fuͤgung ſchicken,
Jn meiner Grott einmahl die Fuͤrſtin zu erblicken!
Da ſaͤhen Sie in hohlen Steinen
Ein ſchwaches Licht durch Ritzen ſcheinen,
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Zitationshilfe: | Suppius, Christoph Eusebius: Oden und Lieder. Gotha, 1749, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suppius_oden_1749/35>, abgerufen am 16.07.2024. |