Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Suppius, Christoph Eusebius: Oden und Lieder. Gotha, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweytes Buch.
Den, der die Liebe selbsten ist,
Muß hier der Falschheit Kuß verrathen,
Der Mund spricht freundlich: Sey gegrüßt;
Das Herz zeigt mörderische Thaten,
Die Schande, die sie roth gemacht,
Bedeckt die Dunkelheit der Nacht,
Sie hat auch Theil an keinem Lichte.
Verräther! sey der That nicht froh,
Du lieferst deinen Meister so,
Doch dich zugleich vor das Gerichte.
Weg, Schwerd, mit deiner Mordbegier!
O! fahre doch in deine Scheide!
Schreyt man: Philister über dir,
Die Sanftmuth winkt; getrost, man leide!
Auf dessen Wollen gleich geschicht,
Wenn Er ein Wort: Es werde! spricht,
Der wird gefangen weggeführet;
Nur nach, du Jhm getreue Schaar,
Blut ist es, Leiden, Noth, Gefahr,
Womit Er jetzt die Seinen zieret.
Was? wollt ihr fliehn? ihr Jünger, halt!
Wo wollt ihr hin? zurück! zurücke!
Verlasst den Meister nicht so bald,
Entzieht euch nicht der Gnaden-Blicke;
Sie fliehn! Der Hirte fühlt den Schlag,
Dieß ist sein grosser Leidens-Tag,
Daran zerstreuet sich die Heerde;
O! bricht noch nicht der Morgen an,
Daß Er sie wieder sammlen kann,
Damit das Wort erfüllet werde!
Hört!
Zweytes Buch.
Den, der die Liebe ſelbſten iſt,
Muß hier der Falſchheit Kuß verrathen,
Der Mund ſpricht freundlich: Sey gegruͤßt;
Das Herz zeigt moͤrderiſche Thaten,
Die Schande, die ſie roth gemacht,
Bedeckt die Dunkelheit der Nacht,
Sie hat auch Theil an keinem Lichte.
Verraͤther! ſey der That nicht froh,
Du lieferſt deinen Meiſter ſo,
Doch dich zugleich vor das Gerichte.
Weg, Schwerd, mit deiner Mordbegier!
O! fahre doch in deine Scheide!
Schreyt man: Philiſter uͤber dir,
Die Sanftmuth winkt; getroſt, man leide!
Auf deſſen Wollen gleich geſchicht,
Wenn Er ein Wort: Es werde! ſpricht,
Der wird gefangen weggefuͤhret;
Nur nach, du Jhm getreue Schaar,
Blut iſt es, Leiden, Noth, Gefahr,
Womit Er jetzt die Seinen zieret.
Was? wollt ihr fliehn? ihr Juͤnger, halt!
Wo wollt ihr hin? zuruͤck! zuruͤcke!
Verlaſſt den Meiſter nicht ſo bald,
Entzieht euch nicht der Gnaden-Blicke;
Sie fliehn! Der Hirte fuͤhlt den Schlag,
Dieß iſt ſein groſſer Leidens-Tag,
Daran zerſtreuet ſich die Heerde;
O! bricht noch nicht der Morgen an,
Daß Er ſie wieder ſammlen kann,
Damit das Wort erfuͤllet werde!
Hoͤrt!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0106" n="86"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zweytes Buch.</hi> </fw><lb/>
            <lg n="8">
              <l>Den, der die Liebe &#x017F;elb&#x017F;ten i&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Muß hier der Fal&#x017F;chheit Kuß verrathen,</l><lb/>
              <l>Der Mund &#x017F;pricht freundlich: Sey gegru&#x0364;ßt;</l><lb/>
              <l>Das Herz zeigt mo&#x0364;rderi&#x017F;che Thaten,</l><lb/>
              <l>Die Schande, die &#x017F;ie roth gemacht,</l><lb/>
              <l>Bedeckt die Dunkelheit der Nacht,</l><lb/>
              <l>Sie hat auch Theil an keinem Lichte.</l><lb/>
              <l>Verra&#x0364;ther! &#x017F;ey der That nicht froh,</l><lb/>
              <l>Du liefer&#x017F;t deinen Mei&#x017F;ter &#x017F;o,</l><lb/>
              <l>Doch dich zugleich vor das Gerichte.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="9">
              <l>Weg, Schwerd, mit deiner Mordbegier!</l><lb/>
              <l>O! fahre doch in deine Scheide!</l><lb/>
              <l>Schreyt man: Phili&#x017F;ter u&#x0364;ber dir,</l><lb/>
              <l>Die Sanftmuth winkt; getro&#x017F;t, man leide!</l><lb/>
              <l>Auf de&#x017F;&#x017F;en Wollen gleich ge&#x017F;chicht,</l><lb/>
              <l>Wenn Er ein Wort: Es werde! &#x017F;pricht,</l><lb/>
              <l>Der wird gefangen weggefu&#x0364;hret;</l><lb/>
              <l>Nur nach, du Jhm getreue Schaar,</l><lb/>
              <l>Blut i&#x017F;t es, Leiden, Noth, Gefahr,</l><lb/>
              <l>Womit Er jetzt die Seinen zieret.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="10">
              <l>Was? wollt ihr fliehn? ihr Ju&#x0364;nger, halt!</l><lb/>
              <l>Wo wollt ihr hin? zuru&#x0364;ck! zuru&#x0364;cke!</l><lb/>
              <l>Verla&#x017F;&#x017F;t den Mei&#x017F;ter nicht &#x017F;o bald,</l><lb/>
              <l>Entzieht euch nicht der Gnaden-Blicke;</l><lb/>
              <l>Sie fliehn! Der Hirte fu&#x0364;hlt den Schlag,</l><lb/>
              <l>Dieß i&#x017F;t &#x017F;ein gro&#x017F;&#x017F;er Leidens-Tag,</l><lb/>
              <l>Daran zer&#x017F;treuet &#x017F;ich die Heerde;</l><lb/>
              <l>O! bricht noch nicht der Morgen an,</l><lb/>
              <l>Daß Er &#x017F;ie wieder &#x017F;ammlen kann,</l><lb/>
              <l>Damit das Wort erfu&#x0364;llet werde!</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Ho&#x0364;rt!</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0106] Zweytes Buch. Den, der die Liebe ſelbſten iſt, Muß hier der Falſchheit Kuß verrathen, Der Mund ſpricht freundlich: Sey gegruͤßt; Das Herz zeigt moͤrderiſche Thaten, Die Schande, die ſie roth gemacht, Bedeckt die Dunkelheit der Nacht, Sie hat auch Theil an keinem Lichte. Verraͤther! ſey der That nicht froh, Du lieferſt deinen Meiſter ſo, Doch dich zugleich vor das Gerichte. Weg, Schwerd, mit deiner Mordbegier! O! fahre doch in deine Scheide! Schreyt man: Philiſter uͤber dir, Die Sanftmuth winkt; getroſt, man leide! Auf deſſen Wollen gleich geſchicht, Wenn Er ein Wort: Es werde! ſpricht, Der wird gefangen weggefuͤhret; Nur nach, du Jhm getreue Schaar, Blut iſt es, Leiden, Noth, Gefahr, Womit Er jetzt die Seinen zieret. Was? wollt ihr fliehn? ihr Juͤnger, halt! Wo wollt ihr hin? zuruͤck! zuruͤcke! Verlaſſt den Meiſter nicht ſo bald, Entzieht euch nicht der Gnaden-Blicke; Sie fliehn! Der Hirte fuͤhlt den Schlag, Dieß iſt ſein groſſer Leidens-Tag, Daran zerſtreuet ſich die Heerde; O! bricht noch nicht der Morgen an, Daß Er ſie wieder ſammlen kann, Damit das Wort erfuͤllet werde! Hoͤrt!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/suppius_oden_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/suppius_oden_1749/106
Zitationshilfe: Suppius, Christoph Eusebius: Oden und Lieder. Gotha, 1749, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suppius_oden_1749/106>, abgerufen am 27.11.2024.