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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Pet
Petitsmaitres.
(Kupferstecherkunst.)

Unter diesem Namen, verstehen die französischen
Liebhaber der Kupfersammlungen die Kupferstecher
aus der ersten Zeit dieser Kunst, die sie auch sonst
vieux maitres, die alten Meister nennen. Den
Namen Petitsmaitres haben sie ihnen darum gegeben,
weil sie meistentheils ganz kleine Stüke verfertiget
haben. Die Werke der kleinen Meister, die gegen-
wärtig ziemlich selten werden, sind nicht blos zur
Historie der Kunst, sondern gar oft auch ihres inner-
lichen Werthes halber sehr schäzbar. Meistentheils
sind sie, sie seyen in Kupfer gestochen, oder in Holz
geschnitten, überaus fein und nett gearbeitet; viele
sind aber auch wegen der sehr guten Zeichnung, schö-
nen Erfindung, guten Anordnung und wegen des
richtigen Ausdruks der Charaktere, sehr schäzbar.
Die Folge dieser kleinen Meister fängt von der Mitte
des XV Jahrhunderts an, und geht bis gegen das
Ende des XVI. Die meisten dieser Meister waren
Deutsche, die besten aus Oberdeutschland und der
Schweiz. Darum sollte eine gute Sammlung der
kleinen Meister vornehmlich einem Deutschen schäzbar
seyn; da sie ein unverwerfliches Zeugnis giebt, daß
die Deutschen nicht nur die ersten und fleißigsten
Bearbeiter der Kupferstecher und Holzschnittkunst
gewesen; sondern, daß überhaupt, wie sich Christ
ausdrükt (*) die rechte und wahre Weise der Mah-
lerey beynahe eher und besser im Elsaß, in Schwa-
ben, in Franken und in der Schweiz, als in Jtalien
ist geübt worden. Unsers großen Albrecht Dürers,
dessen Verdienste bekannt genug sind, nicht zu ge-
denken, wird man schweerlich von Künstlern der er-
sten Zeit außerhalb Deutschland so viel und so gute
Werke einer ächten Zeichnung und Anordnung zu-
sammen bringen, als die Sammlung der kleinen
deutschen Meister enthält. Unter diesen aber be-
haupten die drey Schweizer Albrecht Altorser, Jobst
Amman
und besonders Tobias Stimmer, einen vor-
züglichen Rang.

Zur Belustigung des Lesers, will ich hier noch
anmerken, daß die französischen Kunstliebhaber ver-
schiedene Namen der deutschen kleinen Meister auf
sehr poßirliche Weise verstellen. Martin Schön heißt
oft le beau Martin, auch Martin Scon. Sebald
Beham,
ein Nürnberger, wird insgemein Hisbins
genannt, weil sein Zeichen auf den Kupfern die Buch-
staben H S B in einander geschlungen enthält.

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Pfe
Pfeiler.
(Baukunst.)

Bedeutet jeden langen aufrecht stehenden maßiven
aber dabey unverziehrten Körper, der zum unter-
stüzen, oder tragen einer Last gesezt ist. Gewölber,
Bogen, Deken großer Säle, hangende Bodendä-
cher, werden vielfältig durch untergesezte Pfeiler ge-
stüzt und getragen. Ehe man in der Baukunst auf
Schönheit dachte, wurd jeder Baum, jede gemauerte
Stüze da gebraucht, wo man nachher zierlich ge-
formte Säulen brauchte. Der Pfeiler ist als die
erste rohe Säule der noch nicht verschönerten Bau-
kunst anzusehen. Da er niemals zur Zierde, son-
dern immer zur Nothdurft gebraucht wird, so haben
die Baumeister weder über seine Gestalt, noch über
seine Verhältnisse Regeln gegeben. Man hat run-
de, vierekigte und mehrekigte Pfeiler. Sie sind
nach ihrer Dike merklich in der Länge verschieden,
verjüngen sich aber nicht, wie die Säulen, wenig-
stens sehr selten, obgleich Skamozzi sie immer ver-
jüngt hat.

Um aber doch das Nothwendigste dabey zu beob-
achten, damit das Aug auch da, wo es eben keine
Zierlichkeit sucht, nichts Anstößiges finde, giebt man
in guten Gebäuden den Pfeilern einen Fuß, und
oben einen Gesims, auf welchen die Last zu liegen
kommt; beyde platt und ohne Glieder, zugleich aber
überschreitet man die Verhältnisse nicht so, daß die
Pfeiler zu dünne und der Last nicht gewachsen, auch
nicht zu dike und von übermäßiger Stärke scheinen.

Pfeiler sind überhaupt nach Verhältniß der Höhe
diker, als Säulen, tragen also mehr, und werden
da gebraucht, wo die Säulen zu schwach wären;
besonders wo Kreuzgewölber zu unterstüzen sind.
Man findet in verschiedenen so genannten gothischen
Gebäuden Pfeiler, die aus viel an und in einander
gesezten Säulen bestehen, deren zwar jede ihren
Knauff hat, alle zusammen aber, um einen einzigen
Pfeiler zu machen, über den Knäufen noch durch
ein allgemeines Band, das den Knauf oder Kopf
des Pfeilers vorstellt, verbunden werden, und eben
so auf einem gemeinschaftlichen Fuß stehen, ob schon
jede Säule für sich ihren Fuß hat.

Jn Bogenstellungen werden die Pfeiler, welche
die Bogen tragen mit Säulen oder Pilastern ver-
ziehret, wie in der davon gegebenen Zeichnung zu
sehen ist. (*) Die neueren Stadtthore in Berlin ha-
ben statt der Pfosten darin die Thorangel befestiget

sind,
(*) S.
Christs
Auslegung
der Mono-
gramma-
num S. 68.
(*) S.
Bogenstel-
lung.
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Pet
Petitsmaitres.
(Kupferſtecherkunſt.)

Unter dieſem Namen, verſtehen die franzoͤſiſchen
Liebhaber der Kupferſammlungen die Kupferſtecher
aus der erſten Zeit dieſer Kunſt, die ſie auch ſonſt
vieux maitres, die alten Meiſter nennen. Den
Namen Petitsmaitres haben ſie ihnen darum gegeben,
weil ſie meiſtentheils ganz kleine Stuͤke verfertiget
haben. Die Werke der kleinen Meiſter, die gegen-
waͤrtig ziemlich ſelten werden, ſind nicht blos zur
Hiſtorie der Kunſt, ſondern gar oft auch ihres inner-
lichen Werthes halber ſehr ſchaͤzbar. Meiſtentheils
ſind ſie, ſie ſeyen in Kupfer geſtochen, oder in Holz
geſchnitten, uͤberaus fein und nett gearbeitet; viele
ſind aber auch wegen der ſehr guten Zeichnung, ſchoͤ-
nen Erfindung, guten Anordnung und wegen des
richtigen Ausdruks der Charaktere, ſehr ſchaͤzbar.
Die Folge dieſer kleinen Meiſter faͤngt von der Mitte
des XV Jahrhunderts an, und geht bis gegen das
Ende des XVI. Die meiſten dieſer Meiſter waren
Deutſche, die beſten aus Oberdeutſchland und der
Schweiz. Darum ſollte eine gute Sammlung der
kleinen Meiſter vornehmlich einem Deutſchen ſchaͤzbar
ſeyn; da ſie ein unverwerfliches Zeugnis giebt, daß
die Deutſchen nicht nur die erſten und fleißigſten
Bearbeiter der Kupferſtecher und Holzſchnittkunſt
geweſen; ſondern, daß uͤberhaupt, wie ſich Chriſt
ausdruͤkt (*) die rechte und wahre Weiſe der Mah-
lerey beynahe eher und beſſer im Elſaß, in Schwa-
ben, in Franken und in der Schweiz, als in Jtalien
iſt geuͤbt worden. Unſers großen Albrecht Duͤrers,
deſſen Verdienſte bekannt genug ſind, nicht zu ge-
denken, wird man ſchweerlich von Kuͤnſtlern der er-
ſten Zeit außerhalb Deutſchland ſo viel und ſo gute
Werke einer aͤchten Zeichnung und Anordnung zu-
ſammen bringen, als die Sammlung der kleinen
deutſchen Meiſter enthaͤlt. Unter dieſen aber be-
haupten die drey Schweizer Albrecht Altorſer, Jobſt
Amman
und beſonders Tobias Stimmer, einen vor-
zuͤglichen Rang.

Zur Beluſtigung des Leſers, will ich hier noch
anmerken, daß die franzoͤſiſchen Kunſtliebhaber ver-
ſchiedene Namen der deutſchen kleinen Meiſter auf
ſehr poßirliche Weiſe verſtellen. Martin Schoͤn heißt
oft le beau Martin, auch Martin Scon. Sebald
Beham,
ein Nuͤrnberger, wird insgemein Hisbins
genannt, weil ſein Zeichen auf den Kupfern die Buch-
ſtaben H S B in einander geſchlungen enthaͤlt.

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Pfe
Pfeiler.
(Baukunſt.)

Bedeutet jeden langen aufrecht ſtehenden maßiven
aber dabey unverziehrten Koͤrper, der zum unter-
ſtuͤzen, oder tragen einer Laſt geſezt iſt. Gewoͤlber,
Bogen, Deken großer Saͤle, hangende Bodendaͤ-
cher, werden vielfaͤltig durch untergeſezte Pfeiler ge-
ſtuͤzt und getragen. Ehe man in der Baukunſt auf
Schoͤnheit dachte, wurd jeder Baum, jede gemauerte
Stuͤze da gebraucht, wo man nachher zierlich ge-
formte Saͤulen brauchte. Der Pfeiler iſt als die
erſte rohe Saͤule der noch nicht verſchoͤnerten Bau-
kunſt anzuſehen. Da er niemals zur Zierde, ſon-
dern immer zur Nothdurft gebraucht wird, ſo haben
die Baumeiſter weder uͤber ſeine Geſtalt, noch uͤber
ſeine Verhaͤltniſſe Regeln gegeben. Man hat run-
de, vierekigte und mehrekigte Pfeiler. Sie ſind
nach ihrer Dike merklich in der Laͤnge verſchieden,
verjuͤngen ſich aber nicht, wie die Saͤulen, wenig-
ſtens ſehr ſelten, obgleich Skamozzi ſie immer ver-
juͤngt hat.

Um aber doch das Nothwendigſte dabey zu beob-
achten, damit das Aug auch da, wo es eben keine
Zierlichkeit ſucht, nichts Anſtoͤßiges finde, giebt man
in guten Gebaͤuden den Pfeilern einen Fuß, und
oben einen Geſims, auf welchen die Laſt zu liegen
kommt; beyde platt und ohne Glieder, zugleich aber
uͤberſchreitet man die Verhaͤltniſſe nicht ſo, daß die
Pfeiler zu duͤnne und der Laſt nicht gewachſen, auch
nicht zu dike und von uͤbermaͤßiger Staͤrke ſcheinen.

Pfeiler ſind uͤberhaupt nach Verhaͤltniß der Hoͤhe
diker, als Saͤulen, tragen alſo mehr, und werden
da gebraucht, wo die Saͤulen zu ſchwach waͤren;
beſonders wo Kreuzgewoͤlber zu unterſtuͤzen ſind.
Man findet in verſchiedenen ſo genannten gothiſchen
Gebaͤuden Pfeiler, die aus viel an und in einander
geſezten Saͤulen beſtehen, deren zwar jede ihren
Knauff hat, alle zuſammen aber, um einen einzigen
Pfeiler zu machen, uͤber den Knaͤufen noch durch
ein allgemeines Band, das den Knauf oder Kopf
des Pfeilers vorſtellt, verbunden werden, und eben
ſo auf einem gemeinſchaftlichen Fuß ſtehen, ob ſchon
jede Saͤule fuͤr ſich ihren Fuß hat.

Jn Bogenſtellungen werden die Pfeiler, welche
die Bogen tragen mit Saͤulen oder Pilaſtern ver-
ziehret, wie in der davon gegebenen Zeichnung zu
ſehen iſt. (*) Die neueren Stadtthore in Berlin ha-
ben ſtatt der Pfoſten darin die Thorangel befeſtiget

ſind,
(*) S.
Chriſts
Auslegung
der Mono-
gramma-
num S. 68.
(*) S.
Bogenſtel-
lung.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 900[882]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/317>, abgerufen am 27.11.2024.