Model auf die Säule, und 4 auf das Gebälk: die beyden hohen Ordnungen sind von 24 Modeln, da- von das Gebälk vier, die Säule 20 Model hoch ist. Einige Baumeister geben jeder Ordnung eine be- sondere Höhe, so daß von der toscanischen bis zur corinthischen, jede um einige Model höher wird. Denn sezet unser Baumeister auch für die niedrigen Ordnungen die Säulenweite von 5, und für die höhern von 6 Modeln, als die schiklichste, fest. (*)
Hernach giebt Goldmann auch jeder ihren besonde- ren, nicht blos durch zufällige Zierrathen bestimmten, sondern über ihr ganzes Ansehen sich erstrekenden Cha- rakter, wodurch fünferley sich sehr gut von einander auszeichnende Arten der Gebäude in Absicht auf den darin herrschenden Geschmak, oder Ton entstehen. Denn nach den Ordnungen muß sich auch alles übrige, was zur Verziehrung gehöret, richten. Für die zwey schlechtern Ordnungen nihmt er zu kleinern Gliedern bloße Riemlein, in den zierlichen sezet er noch Reiflein daran. Der toscanischen Ordnung, als der einfachesten und schlechtesten, giebt er wenige, auch größtentheils platte Glieder mit geringen Aus- laufungen, und erlaubet gar nichts geschniztes da- ran. Sie schiket sich also für die einfachesten Ge- bäude, wo blos das Nothdürftige zur Festigkeit und zu Befriedigung des Auges gesucht wird; für Kir- chen auf Dörfern und geringen Städten, für Por- tale an Gärten, und für gemeine Wohnhäuser. Die toscanische Ordnung scheinet die Aelteste von al- len zu seyn, und durch einigen Zuwachs der Zier- lichkeit, den die Dorier ihr gegeben, scheinet die zweyte, oder dorische Ordnung entstanden zu seyn.
Jhr Charakter soll nach Goldmann in einer männ- lichen Pracht bestehen, die noch nichts zierliches sucht, aber durchaus Fleiß und einfachen Reich- thum zeiget. Darum giebt er ihr mehr Glieder, als der vorgehenden, macht sie aber meistentheils stark. Die Säulen vertragen kein Schnizwerk; am Fries des Gebälkes stehen die Balkenköpfe et- was hervor, und sind mit Dreyschlizen ausgehauen; die Metopen können glatt gelassen, oder mit bedeu- tendem, aber einfachem Schnizwerk verziehrt werden. Sie schiket sich für Gebäude, die vorzüglich den Charakter der Stärke und des Maßiven, aber mit einer etwas ernsthaften Pracht anzeigen sollen; zu prächtigen Magazinen; Gerichtshöfen, Zeughäusern, Rathhäusern, großen und prächtigen Stadtthoren.
[Spaltenumbruch]
Ord
Die dritte, oder jonische Ordnung, wird von Goldmann als das Mittel zwischen den schlechten und zierlichen gehalten. Sie verbindet in der That Einfalt mit feinem, zierlichem Wesen. Sie hat Schne- ken und kleineres Schnizwerk an dem Knauff der Säule, und sein Dekel ist nicht mehr vierekicht son- dern ausgeschweift. Der Fries des Gebälkes kann glatt, oder mit feinem Schnizwerk geziehrt seyn. Ueber dem Fries giebt unser Baumeister ihr glatte, aber unten ausgeschweifte Sparrenköpfe. Jhr Hauptcharakter scheinet einfache, bescheidene An- nehmlichkeit zu seyn. Die Griechen brauchten sie vorzüglich zu ihren Tempeln, und auch gegenwär- tig wird sie vielfältig zu Kirchen gebraucht; sie schiket sich auch zu Lusthäusern großer Herren, und zu schönen Landhäusern.
Dieses sind die verschiedenen Charaktere der drey niedrigen Ordnungen. Die Römische, von den zwey höhern die erste, erweket das Gefühl einer an- sehnlichen, schlanken, schönen, aber noch nicht in allem Reichthum des Puzes und der Zierlichkeit erscheinenden Gestalt. Der Knauff der Säule hat zwey über einander stehende Reyhen von schönem Laubwerk, und an den Eken Schneken nach joni- scher Art. Ueber dem Fries erscheinen mit Laubwerk ausgeschnizte Sparrenköpfe. Durchaus hat sie mehrere und feinere Glieder von mannigfaltigerer Form, als die vorhergehende. Sie schiket sich nur zu ganz großen öffentlichen Gebäuden, die sich durch edle Pracht, aber noch nicht durch den höchsten Grad der Zierlichkeit, auszeichnen sollen. Zu Hauptkir- chen in großen Städten, zu hohen Triumphbögen, und zu Palästen der Landesherren, und öffentlichen Nationalgebäuden. Man muß doch gestehen, daß der Knauff der römischen Säule, ob er gleich sonst ziemlich gut das Mittel, zwischen der schönen Ein- falt des jonischen, und der höchst zierlichen Schön- heit des Corinthischen hält, noch etwas schweerfäl- liges habe, welches vermuthlich die Ursach ist, wa- rum einige Neuere wenig darauf halten.
Die corinthische Ordnung verbindet mit einen hohen und schlanken Ansehen den Reichthum der Pracht und Zierlichkeit. Der Knauff der Säule pranget mit drey übereinanderstehenden Reyhen des schönsten Laubwerks, das in der Natur zu sehen ist, aus dem sich unter dem Dekel viele in Schnekenform gewundene Auswüchfe der Stiehle, paarweis heraus drängen. Ueber dem Fries stehen schön geschnizte
Dielen-
(*) S. Säulen- weite.
[Spaltenumbruch]
Ord
Model auf die Saͤule, und 4 auf das Gebaͤlk: die beyden hohen Ordnungen ſind von 24 Modeln, da- von das Gebaͤlk vier, die Saͤule 20 Model hoch iſt. Einige Baumeiſter geben jeder Ordnung eine be- ſondere Hoͤhe, ſo daß von der toscaniſchen bis zur corinthiſchen, jede um einige Model hoͤher wird. Denn ſezet unſer Baumeiſter auch fuͤr die niedrigen Ordnungen die Saͤulenweite von 5, und fuͤr die hoͤhern von 6 Modeln, als die ſchiklichſte, feſt. (*)
Hernach giebt Goldmann auch jeder ihren beſonde- ren, nicht blos durch zufaͤllige Zierrathen beſtimmten, ſondern uͤber ihr ganzes Anſehen ſich erſtrekenden Cha- rakter, wodurch fuͤnferley ſich ſehr gut von einander auszeichnende Arten der Gebaͤude in Abſicht auf den darin herrſchenden Geſchmak, oder Ton entſtehen. Denn nach den Ordnungen muß ſich auch alles uͤbrige, was zur Verziehrung gehoͤret, richten. Fuͤr die zwey ſchlechtern Ordnungen nihmt er zu kleinern Gliedern bloße Riemlein, in den zierlichen ſezet er noch Reiflein daran. Der toscaniſchen Ordnung, als der einfacheſten und ſchlechteſten, giebt er wenige, auch groͤßtentheils platte Glieder mit geringen Aus- laufungen, und erlaubet gar nichts geſchniztes da- ran. Sie ſchiket ſich alſo fuͤr die einfacheſten Ge- baͤude, wo blos das Nothduͤrftige zur Feſtigkeit und zu Befriedigung des Auges geſucht wird; fuͤr Kir- chen auf Doͤrfern und geringen Staͤdten, fuͤr Por- tale an Gaͤrten, und fuͤr gemeine Wohnhaͤuſer. Die toscaniſche Ordnung ſcheinet die Aelteſte von al- len zu ſeyn, und durch einigen Zuwachs der Zier- lichkeit, den die Dorier ihr gegeben, ſcheinet die zweyte, oder doriſche Ordnung entſtanden zu ſeyn.
Jhr Charakter ſoll nach Goldmann in einer maͤnn- lichen Pracht beſtehen, die noch nichts zierliches ſucht, aber durchaus Fleiß und einfachen Reich- thum zeiget. Darum giebt er ihr mehr Glieder, als der vorgehenden, macht ſie aber meiſtentheils ſtark. Die Saͤulen vertragen kein Schnizwerk; am Fries des Gebaͤlkes ſtehen die Balkenkoͤpfe et- was hervor, und ſind mit Dreyſchlizen ausgehauen; die Metopen koͤnnen glatt gelaſſen, oder mit bedeu- tendem, aber einfachem Schnizwerk verziehrt werden. Sie ſchiket ſich fuͤr Gebaͤude, die vorzuͤglich den Charakter der Staͤrke und des Maßiven, aber mit einer etwas ernſthaften Pracht anzeigen ſollen; zu praͤchtigen Magazinen; Gerichtshoͤfen, Zeughaͤuſern, Rathhaͤuſern, großen und praͤchtigen Stadtthoren.
[Spaltenumbruch]
Ord
Die dritte, oder joniſche Ordnung, wird von Goldmann als das Mittel zwiſchen den ſchlechten und zierlichen gehalten. Sie verbindet in der That Einfalt mit feinem, zierlichem Weſen. Sie hat Schne- ken und kleineres Schnizwerk an dem Knauff der Saͤule, und ſein Dekel iſt nicht mehr vierekicht ſon- dern ausgeſchweift. Der Fries des Gebaͤlkes kann glatt, oder mit feinem Schnizwerk geziehrt ſeyn. Ueber dem Fries giebt unſer Baumeiſter ihr glatte, aber unten ausgeſchweifte Sparrenkoͤpfe. Jhr Hauptcharakter ſcheinet einfache, beſcheidene An- nehmlichkeit zu ſeyn. Die Griechen brauchten ſie vorzuͤglich zu ihren Tempeln, und auch gegenwaͤr- tig wird ſie vielfaͤltig zu Kirchen gebraucht; ſie ſchiket ſich auch zu Luſthaͤuſern großer Herren, und zu ſchoͤnen Landhaͤuſern.
Dieſes ſind die verſchiedenen Charaktere der drey niedrigen Ordnungen. Die Roͤmiſche, von den zwey hoͤhern die erſte, erweket das Gefuͤhl einer an- ſehnlichen, ſchlanken, ſchoͤnen, aber noch nicht in allem Reichthum des Puzes und der Zierlichkeit erſcheinenden Geſtalt. Der Knauff der Saͤule hat zwey uͤber einander ſtehende Reyhen von ſchoͤnem Laubwerk, und an den Eken Schneken nach joni- ſcher Art. Ueber dem Fries erſcheinen mit Laubwerk ausgeſchnizte Sparrenkoͤpfe. Durchaus hat ſie mehrere und feinere Glieder von mannigfaltigerer Form, als die vorhergehende. Sie ſchiket ſich nur zu ganz großen oͤffentlichen Gebaͤuden, die ſich durch edle Pracht, aber noch nicht durch den hoͤchſten Grad der Zierlichkeit, auszeichnen ſollen. Zu Hauptkir- chen in großen Staͤdten, zu hohen Triumphboͤgen, und zu Palaͤſten der Landesherren, und oͤffentlichen Nationalgebaͤuden. Man muß doch geſtehen, daß der Knauff der roͤmiſchen Saͤule, ob er gleich ſonſt ziemlich gut das Mittel, zwiſchen der ſchoͤnen Ein- falt des joniſchen, und der hoͤchſt zierlichen Schoͤn- heit des Corinthiſchen haͤlt, noch etwas ſchweerfaͤl- liges habe, welches vermuthlich die Urſach iſt, wa- rum einige Neuere wenig darauf halten.
Die corinthiſche Ordnung verbindet mit einen hohen und ſchlanken Anſehen den Reichthum der Pracht und Zierlichkeit. Der Knauff der Saͤule pranget mit drey uͤbereinanderſtehenden Reyhen des ſchoͤnſten Laubwerks, das in der Natur zu ſehen iſt, aus dem ſich unter dem Dekel viele in Schnekenform gewundene Auswuͤchfe der Stiehle, paarweis heraus draͤngen. Ueber dem Fries ſtehen ſchoͤn geſchnizte
Dielen-
(*) S. Saͤulen- weite.
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[858[840]/0275]
Ord
Ord
Model auf die Saͤule, und 4 auf das Gebaͤlk: die
beyden hohen Ordnungen ſind von 24 Modeln, da-
von das Gebaͤlk vier, die Saͤule 20 Model hoch iſt.
Einige Baumeiſter geben jeder Ordnung eine be-
ſondere Hoͤhe, ſo daß von der toscaniſchen bis zur
corinthiſchen, jede um einige Model hoͤher wird.
Denn ſezet unſer Baumeiſter auch fuͤr die niedrigen
Ordnungen die Saͤulenweite von 5, und fuͤr die
hoͤhern von 6 Modeln, als die ſchiklichſte, feſt. (*)
Hernach giebt Goldmann auch jeder ihren beſonde-
ren, nicht blos durch zufaͤllige Zierrathen beſtimmten,
ſondern uͤber ihr ganzes Anſehen ſich erſtrekenden Cha-
rakter, wodurch fuͤnferley ſich ſehr gut von einander
auszeichnende Arten der Gebaͤude in Abſicht auf den
darin herrſchenden Geſchmak, oder Ton entſtehen.
Denn nach den Ordnungen muß ſich auch alles uͤbrige,
was zur Verziehrung gehoͤret, richten. Fuͤr die
zwey ſchlechtern Ordnungen nihmt er zu kleinern
Gliedern bloße Riemlein, in den zierlichen ſezet er
noch Reiflein daran. Der toscaniſchen Ordnung,
als der einfacheſten und ſchlechteſten, giebt er wenige,
auch groͤßtentheils platte Glieder mit geringen Aus-
laufungen, und erlaubet gar nichts geſchniztes da-
ran. Sie ſchiket ſich alſo fuͤr die einfacheſten Ge-
baͤude, wo blos das Nothduͤrftige zur Feſtigkeit und
zu Befriedigung des Auges geſucht wird; fuͤr Kir-
chen auf Doͤrfern und geringen Staͤdten, fuͤr Por-
tale an Gaͤrten, und fuͤr gemeine Wohnhaͤuſer.
Die toscaniſche Ordnung ſcheinet die Aelteſte von al-
len zu ſeyn, und durch einigen Zuwachs der Zier-
lichkeit, den die Dorier ihr gegeben, ſcheinet die
zweyte, oder doriſche Ordnung entſtanden zu ſeyn.
Jhr Charakter ſoll nach Goldmann in einer maͤnn-
lichen Pracht beſtehen, die noch nichts zierliches
ſucht, aber durchaus Fleiß und einfachen Reich-
thum zeiget. Darum giebt er ihr mehr Glieder,
als der vorgehenden, macht ſie aber meiſtentheils
ſtark. Die Saͤulen vertragen kein Schnizwerk;
am Fries des Gebaͤlkes ſtehen die Balkenkoͤpfe et-
was hervor, und ſind mit Dreyſchlizen ausgehauen;
die Metopen koͤnnen glatt gelaſſen, oder mit bedeu-
tendem, aber einfachem Schnizwerk verziehrt werden.
Sie ſchiket ſich fuͤr Gebaͤude, die vorzuͤglich den
Charakter der Staͤrke und des Maßiven, aber mit
einer etwas ernſthaften Pracht anzeigen ſollen; zu
praͤchtigen Magazinen; Gerichtshoͤfen, Zeughaͤuſern,
Rathhaͤuſern, großen und praͤchtigen Stadtthoren.
Die dritte, oder joniſche Ordnung, wird von
Goldmann als das Mittel zwiſchen den ſchlechten
und zierlichen gehalten. Sie verbindet in der That
Einfalt mit feinem, zierlichem Weſen. Sie hat Schne-
ken und kleineres Schnizwerk an dem Knauff der
Saͤule, und ſein Dekel iſt nicht mehr vierekicht ſon-
dern ausgeſchweift. Der Fries des Gebaͤlkes kann
glatt, oder mit feinem Schnizwerk geziehrt ſeyn.
Ueber dem Fries giebt unſer Baumeiſter ihr glatte,
aber unten ausgeſchweifte Sparrenkoͤpfe. Jhr
Hauptcharakter ſcheinet einfache, beſcheidene An-
nehmlichkeit zu ſeyn. Die Griechen brauchten ſie
vorzuͤglich zu ihren Tempeln, und auch gegenwaͤr-
tig wird ſie vielfaͤltig zu Kirchen gebraucht; ſie
ſchiket ſich auch zu Luſthaͤuſern großer Herren, und
zu ſchoͤnen Landhaͤuſern.
Dieſes ſind die verſchiedenen Charaktere der drey
niedrigen Ordnungen. Die Roͤmiſche, von den
zwey hoͤhern die erſte, erweket das Gefuͤhl einer an-
ſehnlichen, ſchlanken, ſchoͤnen, aber noch nicht in
allem Reichthum des Puzes und der Zierlichkeit
erſcheinenden Geſtalt. Der Knauff der Saͤule hat
zwey uͤber einander ſtehende Reyhen von ſchoͤnem
Laubwerk, und an den Eken Schneken nach joni-
ſcher Art. Ueber dem Fries erſcheinen mit Laubwerk
ausgeſchnizte Sparrenkoͤpfe. Durchaus hat ſie
mehrere und feinere Glieder von mannigfaltigerer
Form, als die vorhergehende. Sie ſchiket ſich nur
zu ganz großen oͤffentlichen Gebaͤuden, die ſich durch
edle Pracht, aber noch nicht durch den hoͤchſten Grad
der Zierlichkeit, auszeichnen ſollen. Zu Hauptkir-
chen in großen Staͤdten, zu hohen Triumphboͤgen,
und zu Palaͤſten der Landesherren, und oͤffentlichen
Nationalgebaͤuden. Man muß doch geſtehen, daß
der Knauff der roͤmiſchen Saͤule, ob er gleich ſonſt
ziemlich gut das Mittel, zwiſchen der ſchoͤnen Ein-
falt des joniſchen, und der hoͤchſt zierlichen Schoͤn-
heit des Corinthiſchen haͤlt, noch etwas ſchweerfaͤl-
liges habe, welches vermuthlich die Urſach iſt, wa-
rum einige Neuere wenig darauf halten.
Die corinthiſche Ordnung verbindet mit einen
hohen und ſchlanken Anſehen den Reichthum der
Pracht und Zierlichkeit. Der Knauff der Saͤule
pranget mit drey uͤbereinanderſtehenden Reyhen des
ſchoͤnſten Laubwerks, das in der Natur zu ſehen iſt,
aus dem ſich unter dem Dekel viele in Schnekenform
gewundene Auswuͤchfe der Stiehle, paarweis heraus
draͤngen. Ueber dem Fries ſtehen ſchoͤn geſchnizte
Dielen-
(*) S.
Saͤulen-
weite.
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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 858[840]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/275>, abgerufen am 28.11.2024.
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