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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Nai
heit ziehet. Ein jeder empfindlicher Leser wird eine
zärtliche Gewogenheit gegen Sunith fühlen, da sie
ihrer Mutter mit einer so edlen Offenherzigkeit ihre
geheimsten Gedanken entdeket, und sich gar keine
Mühe giebt, durch besonders ausgesuchte Worte
ihre Neigung zu beschönigen oder zu deken, als ob
sie sich heimlich bewußt wäre, daß sie verborgen blei-
ben sollte. Ja wie erhaben wird sie durch das auf-
richtige Geständniß, das sie dem Dison von der Liebe,
die sie zu ihm getragen, macht? Sie darf sich nicht
scheuen einem Liebhaber, den sie eben izt unwürdig
findt, ihre vorige Neigung zu ihm zu gestehen, weil
sie sich auf die Stärke ihres Herzens verlassen kann,
welches durch ein solches Geständniß von dem Haß
gegen die Laster ihres Liebhabers nichts nachließ.
Die Briefe einer Peruvianerin find vornehmlich
wegen ihrer Naivete unvergleichlich schön. Man
glaubt die sanfte Stimme der Natur zu hören,
wenn Zilia redet. Wir sehen in die innersten Gänge
ihres zärtlichen Herzens, wir sind bey der Entwik-
lung ihrer Gedanken, wir nehmen alle ihre Empfin-
dungen an. Wir weinen wie sie weint, und in
der äußersten Bangigkeit ihres Schmerzens, glau-
ben wir, wie sie, einen Anfang der Vernichtung
zu fühlen. Unser Gedächtniß sagt uns, daß wir in
der Liebe, in der Traurigkeit, in der Verwundrung
oder Bestürzung, in einem angenehmen Hayn, u. s. w.
wie sie empfunden haben; wir wundern uns nur,
daß sie die zarten Empfindungen beschreiben kann,
die wir für nahmenlos gehalten, weil wir sie nicht
so lebhaft und mit so vieler Apperception fühlten,
als sie. Dann eben diejenigen Personen, bey de-
nen am meisten Naivete ist, haben für das Schöne
und Freudige sowohl als für das Unangenehme die
stärkste Empfindlichkeit; und weil sie wenig äusser-
liche Zerstreuungen, und viel innerlichen Frieden
haben, so wendet sich die Schärfe ihres Geistes
mehr auf sich selbst, sie gehen mehr mit ihren eige-
nen Gedanken um, sie hören ihre leisesten Regun-
gen, und können in ihren Vorstellungen ungestörter
und weiter fortgehen, als andre. Daher sind auch
Personen von dieser Art allemal Original. Zwar
ein jeder Mensch würde sich gar merklich, als Origi-
nal vor den andern ausnehmen, wenn nicht Ver-
stellung, Zwang, Nachahmung, Moden und der-
gleichen unter uns so gemein und in gewissem Maaß
unvermeidlich wären. Wo nun keine Verstellung,
keine Nachäffung, keine Furcht vor Mißdeutung, --
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ist, da kann es nicht fehlen, eine solche freye Seele
muß in ihren Empfindungen und Urtheilen sehr viel
eigenes äußern. Die Unwissenheit ist noch eine Be-
schaffenheit, die mit der Naivete mehr oder weniger
verbunden ist. Diese Unwissenheit ist zum Theil glük-
lich, sie ist ein Mangel an häßlichen Auswüchsen, oder
überflüßigen und der angebornen Schönheit hinder-
lichen Zierrathen -- zum Theil ist sie eine Leerheit,
die der Geist mit einigen Mißvergnügen in sich füh-
let, und sich daher bestrebt, sie auszufüllen. Des-
wegen sind naive Personen allezeit neugierig, wie
wir dieses an Miltons Eva, an Zilia, Sunith oder
Dina sehen können.

Es ist nothwendig mit dem Naiven in Sitten
und Gemüthsbewegungen verbunden, daß die Per-
sonen welche so glüklich sind, gleichsam unter den
Flügeln der Natur zu leben, von einer großen
Menge Sachen und Nahmen, welche leztere zum
Theil nichts, zum Theil nichts gutes bezeichnen,
gar nichts wissen. Jhre Sprache muß daher viel
kürzer und eigentlicher seyn, als die unsrige. Sie
wissen nichts von einer unzählbaren Menge über-
flüßiger Nothwendigkeiten, nichts von eben so vie-
len Wörtern die man erfinden mußte, böse Neigun-
gen und Absichten zu masquiren, oder wenigstens
das Ohr mit dem Laster zu versöhnen. Sie nen-
nen die Dinge mit ihrem rechten Nahmen, ihre
Reden haben mehr Kürze, ihre Säze mehr Rundung,
und überhaupt ihre Gedanken ganz besondere Wen-
dungen. Dieses ist die vornehmste Ursach, warum
die Sprache der Naivete so einfältig, eigentlich und
ausdrukend ist; so wie sie, als ein wahrhaftes Bild
ihres schönen Herzens, nett bey allem Mangel an
Schmuk, und edel bey aller Nachläßigkeit ist. Ue-
brigens würde man sich irren, wenn man dieser
einfältigen Sprache alle Metaphern und Figuren
nehmen wollte. Das Herz und die Affecten haben
ihre eigne Figuren, und je naiver eine Person ist,
desto lebhafter wird sie ihren Affect von sich geben,
weil er gut ist, und sie sich nicht scheuen darf, ihn
sehen zu lassen.

Woher kommt es, daß die moralische Naivete,
einer Zilia z. E. oder der siegenden Sunith, uns so
stark und bis zur Entzükung gefällt? Ohne Zwei-
fel daher, weil nichts schöners ist, als die wahre
Unschuld einer Seele, die sich immer entblößen darf,
ohne beschämt zu werden. Ein solcher Anblick muß
nothwendig unserem moralischen Sinn mehr Ver-

gnügen
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Nai
heit ziehet. Ein jeder empfindlicher Leſer wird eine
zaͤrtliche Gewogenheit gegen Sunith fuͤhlen, da ſie
ihrer Mutter mit einer ſo edlen Offenherzigkeit ihre
geheimſten Gedanken entdeket, und ſich gar keine
Muͤhe giebt, durch beſonders ausgeſuchte Worte
ihre Neigung zu beſchoͤnigen oder zu deken, als ob
ſie ſich heimlich bewußt waͤre, daß ſie verborgen blei-
ben ſollte. Ja wie erhaben wird ſie durch das auf-
richtige Geſtaͤndniß, das ſie dem Diſon von der Liebe,
die ſie zu ihm getragen, macht? Sie darf ſich nicht
ſcheuen einem Liebhaber, den ſie eben izt unwuͤrdig
findt, ihre vorige Neigung zu ihm zu geſtehen, weil
ſie ſich auf die Staͤrke ihres Herzens verlaſſen kann,
welches durch ein ſolches Geſtaͤndniß von dem Haß
gegen die Laſter ihres Liebhabers nichts nachließ.
Die Briefe einer Peruvianerin find vornehmlich
wegen ihrer Naivete unvergleichlich ſchoͤn. Man
glaubt die ſanfte Stimme der Natur zu hoͤren,
wenn Zilia redet. Wir ſehen in die innerſten Gaͤnge
ihres zaͤrtlichen Herzens, wir ſind bey der Entwik-
lung ihrer Gedanken, wir nehmen alle ihre Empfin-
dungen an. Wir weinen wie ſie weint, und in
der aͤußerſten Bangigkeit ihres Schmerzens, glau-
ben wir, wie ſie, einen Anfang der Vernichtung
zu fuͤhlen. Unſer Gedaͤchtniß ſagt uns, daß wir in
der Liebe, in der Traurigkeit, in der Verwundrung
oder Beſtuͤrzung, in einem angenehmen Hayn, u. ſ. w.
wie ſie empfunden haben; wir wundern uns nur,
daß ſie die zarten Empfindungen beſchreiben kann,
die wir fuͤr nahmenlos gehalten, weil wir ſie nicht
ſo lebhaft und mit ſo vieler Apperception fuͤhlten,
als ſie. Dann eben diejenigen Perſonen, bey de-
nen am meiſten Naivete iſt, haben fuͤr das Schoͤne
und Freudige ſowohl als fuͤr das Unangenehme die
ſtaͤrkſte Empfindlichkeit; und weil ſie wenig aͤuſſer-
liche Zerſtreuungen, und viel innerlichen Frieden
haben, ſo wendet ſich die Schaͤrfe ihres Geiſtes
mehr auf ſich ſelbſt, ſie gehen mehr mit ihren eige-
nen Gedanken um, ſie hoͤren ihre leiſeſten Regun-
gen, und koͤnnen in ihren Vorſtellungen ungeſtoͤrter
und weiter fortgehen, als andre. Daher ſind auch
Perſonen von dieſer Art allemal Original. Zwar
ein jeder Menſch wuͤrde ſich gar merklich, als Origi-
nal vor den andern ausnehmen, wenn nicht Ver-
ſtellung, Zwang, Nachahmung, Moden und der-
gleichen unter uns ſo gemein und in gewiſſem Maaß
unvermeidlich waͤren. Wo nun keine Verſtellung,
keine Nachaͤffung, keine Furcht vor Mißdeutung, —
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Nai
iſt, da kann es nicht fehlen, eine ſolche freye Seele
muß in ihren Empfindungen und Urtheilen ſehr viel
eigenes aͤußern. Die Unwiſſenheit iſt noch eine Be-
ſchaffenheit, die mit der Naivete mehr oder weniger
verbunden iſt. Dieſe Unwiſſenheit iſt zum Theil gluͤk-
lich, ſie iſt ein Mangel an haͤßlichen Auswuͤchſen, oder
uͤberfluͤßigen und der angebornen Schoͤnheit hinder-
lichen Zierrathen — zum Theil iſt ſie eine Leerheit,
die der Geiſt mit einigen Mißvergnuͤgen in ſich fuͤh-
let, und ſich daher beſtrebt, ſie auszufuͤllen. Des-
wegen ſind naive Perſonen allezeit neugierig, wie
wir dieſes an Miltons Eva, an Zilia, Sunith oder
Dina ſehen koͤnnen.

Es iſt nothwendig mit dem Naiven in Sitten
und Gemuͤthsbewegungen verbunden, daß die Per-
ſonen welche ſo gluͤklich ſind, gleichſam unter den
Fluͤgeln der Natur zu leben, von einer großen
Menge Sachen und Nahmen, welche leztere zum
Theil nichts, zum Theil nichts gutes bezeichnen,
gar nichts wiſſen. Jhre Sprache muß daher viel
kuͤrzer und eigentlicher ſeyn, als die unſrige. Sie
wiſſen nichts von einer unzaͤhlbaren Menge uͤber-
fluͤßiger Nothwendigkeiten, nichts von eben ſo vie-
len Woͤrtern die man erfinden mußte, boͤſe Neigun-
gen und Abſichten zu masquiren, oder wenigſtens
das Ohr mit dem Laſter zu verſoͤhnen. Sie nen-
nen die Dinge mit ihrem rechten Nahmen, ihre
Reden haben mehr Kuͤrze, ihre Saͤze mehr Rundung,
und uͤberhaupt ihre Gedanken ganz beſondere Wen-
dungen. Dieſes iſt die vornehmſte Urſach, warum
die Sprache der Naivete ſo einfaͤltig, eigentlich und
ausdrukend iſt; ſo wie ſie, als ein wahrhaftes Bild
ihres ſchoͤnen Herzens, nett bey allem Mangel an
Schmuk, und edel bey aller Nachlaͤßigkeit iſt. Ue-
brigens wuͤrde man ſich irren, wenn man dieſer
einfaͤltigen Sprache alle Metaphern und Figuren
nehmen wollte. Das Herz und die Affecten haben
ihre eigne Figuren, und je naiver eine Perſon iſt,
deſto lebhafter wird ſie ihren Affect von ſich geben,
weil er gut iſt, und ſie ſich nicht ſcheuen darf, ihn
ſehen zu laſſen.

Woher kommt es, daß die moraliſche Naivete,
einer Zilia z. E. oder der ſiegenden Sunith, uns ſo
ſtark und bis zur Entzuͤkung gefaͤllt? Ohne Zwei-
fel daher, weil nichts ſchoͤners iſt, als die wahre
Unſchuld einer Seele, die ſich immer entbloͤßen darf,
ohne beſchaͤmt zu werden. Ein ſolcher Anblick muß
nothwendig unſerem moraliſchen Sinn mehr Ver-

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[807[789]/0224] Nai Nai heit ziehet. Ein jeder empfindlicher Leſer wird eine zaͤrtliche Gewogenheit gegen Sunith fuͤhlen, da ſie ihrer Mutter mit einer ſo edlen Offenherzigkeit ihre geheimſten Gedanken entdeket, und ſich gar keine Muͤhe giebt, durch beſonders ausgeſuchte Worte ihre Neigung zu beſchoͤnigen oder zu deken, als ob ſie ſich heimlich bewußt waͤre, daß ſie verborgen blei- ben ſollte. Ja wie erhaben wird ſie durch das auf- richtige Geſtaͤndniß, das ſie dem Diſon von der Liebe, die ſie zu ihm getragen, macht? Sie darf ſich nicht ſcheuen einem Liebhaber, den ſie eben izt unwuͤrdig findt, ihre vorige Neigung zu ihm zu geſtehen, weil ſie ſich auf die Staͤrke ihres Herzens verlaſſen kann, welches durch ein ſolches Geſtaͤndniß von dem Haß gegen die Laſter ihres Liebhabers nichts nachließ. Die Briefe einer Peruvianerin find vornehmlich wegen ihrer Naivete unvergleichlich ſchoͤn. Man glaubt die ſanfte Stimme der Natur zu hoͤren, wenn Zilia redet. Wir ſehen in die innerſten Gaͤnge ihres zaͤrtlichen Herzens, wir ſind bey der Entwik- lung ihrer Gedanken, wir nehmen alle ihre Empfin- dungen an. Wir weinen wie ſie weint, und in der aͤußerſten Bangigkeit ihres Schmerzens, glau- ben wir, wie ſie, einen Anfang der Vernichtung zu fuͤhlen. Unſer Gedaͤchtniß ſagt uns, daß wir in der Liebe, in der Traurigkeit, in der Verwundrung oder Beſtuͤrzung, in einem angenehmen Hayn, u. ſ. w. wie ſie empfunden haben; wir wundern uns nur, daß ſie die zarten Empfindungen beſchreiben kann, die wir fuͤr nahmenlos gehalten, weil wir ſie nicht ſo lebhaft und mit ſo vieler Apperception fuͤhlten, als ſie. Dann eben diejenigen Perſonen, bey de- nen am meiſten Naivete iſt, haben fuͤr das Schoͤne und Freudige ſowohl als fuͤr das Unangenehme die ſtaͤrkſte Empfindlichkeit; und weil ſie wenig aͤuſſer- liche Zerſtreuungen, und viel innerlichen Frieden haben, ſo wendet ſich die Schaͤrfe ihres Geiſtes mehr auf ſich ſelbſt, ſie gehen mehr mit ihren eige- nen Gedanken um, ſie hoͤren ihre leiſeſten Regun- gen, und koͤnnen in ihren Vorſtellungen ungeſtoͤrter und weiter fortgehen, als andre. Daher ſind auch Perſonen von dieſer Art allemal Original. Zwar ein jeder Menſch wuͤrde ſich gar merklich, als Origi- nal vor den andern ausnehmen, wenn nicht Ver- ſtellung, Zwang, Nachahmung, Moden und der- gleichen unter uns ſo gemein und in gewiſſem Maaß unvermeidlich waͤren. Wo nun keine Verſtellung, keine Nachaͤffung, keine Furcht vor Mißdeutung, — iſt, da kann es nicht fehlen, eine ſolche freye Seele muß in ihren Empfindungen und Urtheilen ſehr viel eigenes aͤußern. Die Unwiſſenheit iſt noch eine Be- ſchaffenheit, die mit der Naivete mehr oder weniger verbunden iſt. Dieſe Unwiſſenheit iſt zum Theil gluͤk- lich, ſie iſt ein Mangel an haͤßlichen Auswuͤchſen, oder uͤberfluͤßigen und der angebornen Schoͤnheit hinder- lichen Zierrathen — zum Theil iſt ſie eine Leerheit, die der Geiſt mit einigen Mißvergnuͤgen in ſich fuͤh- let, und ſich daher beſtrebt, ſie auszufuͤllen. Des- wegen ſind naive Perſonen allezeit neugierig, wie wir dieſes an Miltons Eva, an Zilia, Sunith oder Dina ſehen koͤnnen. Es iſt nothwendig mit dem Naiven in Sitten und Gemuͤthsbewegungen verbunden, daß die Per- ſonen welche ſo gluͤklich ſind, gleichſam unter den Fluͤgeln der Natur zu leben, von einer großen Menge Sachen und Nahmen, welche leztere zum Theil nichts, zum Theil nichts gutes bezeichnen, gar nichts wiſſen. Jhre Sprache muß daher viel kuͤrzer und eigentlicher ſeyn, als die unſrige. Sie wiſſen nichts von einer unzaͤhlbaren Menge uͤber- fluͤßiger Nothwendigkeiten, nichts von eben ſo vie- len Woͤrtern die man erfinden mußte, boͤſe Neigun- gen und Abſichten zu masquiren, oder wenigſtens das Ohr mit dem Laſter zu verſoͤhnen. Sie nen- nen die Dinge mit ihrem rechten Nahmen, ihre Reden haben mehr Kuͤrze, ihre Saͤze mehr Rundung, und uͤberhaupt ihre Gedanken ganz beſondere Wen- dungen. Dieſes iſt die vornehmſte Urſach, warum die Sprache der Naivete ſo einfaͤltig, eigentlich und ausdrukend iſt; ſo wie ſie, als ein wahrhaftes Bild ihres ſchoͤnen Herzens, nett bey allem Mangel an Schmuk, und edel bey aller Nachlaͤßigkeit iſt. Ue- brigens wuͤrde man ſich irren, wenn man dieſer einfaͤltigen Sprache alle Metaphern und Figuren nehmen wollte. Das Herz und die Affecten haben ihre eigne Figuren, und je naiver eine Perſon iſt, deſto lebhafter wird ſie ihren Affect von ſich geben, weil er gut iſt, und ſie ſich nicht ſcheuen darf, ihn ſehen zu laſſen. Woher kommt es, daß die moraliſche Naivete, einer Zilia z. E. oder der ſiegenden Sunith, uns ſo ſtark und bis zur Entzuͤkung gefaͤllt? Ohne Zwei- fel daher, weil nichts ſchoͤners iſt, als die wahre Unſchuld einer Seele, die ſich immer entbloͤßen darf, ohne beſchaͤmt zu werden. Ein ſolcher Anblick muß nothwendig unſerem moraliſchen Sinn mehr Ver- gnuͤgen G g g g g 3

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 807[789]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/224>, abgerufen am 22.11.2024.