ches auch von der kleinen Septime der Dominante gilt, auf die man so gekommen ist; ingleichen muß man in der harten Tonart, wenn man von der Sexte noch um einen halben Ton steiget, von da wieder in den nächsten halben Ton unter sich zurük.
Hiernächst sind in Absicht auf das Leichte und Gefällige des Gesanges die Würkungen der verschie- denen Arten gleichförmiger Fortschreitungen in Er- wegung zu ziehen. Diesen Namen geben wir den Fortschreitungen, die eine Zeitlang durch gleichnah- mige Jntervalle, nämlich durch Secunden, Terzen, Quarten u. s. f. geschehen. Diese sind allemal leich- ter, als die ungleichförmigen, oder springenden, da man jeden Schritt durch ein anderes Jntervall thut.
Die Fortschreitung durch diatonische Stuffen giebt dem Gesange die größte Faßlichkeit, und ist jedem Ohr angenehm. Sie hat auch für die Fugen be- sonders den Vortheil, daß der Hauptsaz dadurch von einem Gegensaz sich leicht auszeichnet, wie z. B.
[Abbildung]
Nur wird das herauf und herunter Rauschen von einen Ton bis in seine Octave, und von dieser zur Prime, als:
[Abbildung]
worin viele eine Schönheit zu suchen scheinen, zum Ekel. Aber Octavenläufe, die Stuffenweis wie- derholt werden, gefallen, wie z. B.
[Abbildung]
Nach der Stufenweis gehenden Fortschreitung kommt die, da die zweyte Stuffe wiederholt wird, als:
[Abbildung]
[Spaltenumbruch]
Mel
Auch dieses findet jeder Liebhaber gefällig. Aus solchen Secundenweis gehenden Fortschreitungen, die man auf unzählige Weisen verändern kann, ent- stehen tausenderley Arten von gefälligen Melodien, davon wir nur wenige Fälle anführen wollen.
[Abbildung]
Aber Stufenweis chromatisch fortzuschreiten, hat für bloße Liebhaber etwas mißfälliges, und muß nur da angebracht werden, wo der Ausdruk etwas fin- steres, oder gar schmerzhaftes erfodert: in Stüken von vergnügtem Charakter muß dieses gänzlich ver- mieden werden. Hingegen zum Poßirlichen in comi- schen Stüken, kann eine solche Fortschreitung, un- ter angenehme vermischt, gute Würkung thun.
Nach den Secunden sind die Terzenfortschreitun- gen angenehm und leicht, auch zur schnellen Be- stimmung der Tonart, wenn man von der Tonica eine Terz steigt, oder von ihrer Dominante eine Terz fällt, sehr dienlich. Man kann eine ganze
Folge
[Spaltenumbruch]
Mel
ches auch von der kleinen Septime der Dominante gilt, auf die man ſo gekommen iſt; ingleichen muß man in der harten Tonart, wenn man von der Sexte noch um einen halben Ton ſteiget, von da wieder in den naͤchſten halben Ton unter ſich zuruͤk.
Hiernaͤchſt ſind in Abſicht auf das Leichte und Gefaͤllige des Geſanges die Wuͤrkungen der verſchie- denen Arten gleichfoͤrmiger Fortſchreitungen in Er- wegung zu ziehen. Dieſen Namen geben wir den Fortſchreitungen, die eine Zeitlang durch gleichnah- mige Jntervalle, naͤmlich durch Secunden, Terzen, Quarten u. ſ. f. geſchehen. Dieſe ſind allemal leich- ter, als die ungleichfoͤrmigen, oder ſpringenden, da man jeden Schritt durch ein anderes Jntervall thut.
Die Fortſchreitung durch diatoniſche Stuffen giebt dem Geſange die groͤßte Faßlichkeit, und iſt jedem Ohr angenehm. Sie hat auch fuͤr die Fugen be- ſonders den Vortheil, daß der Hauptſaz dadurch von einem Gegenſaz ſich leicht auszeichnet, wie z. B.
[Abbildung]
Nur wird das herauf und herunter Rauſchen von einen Ton bis in ſeine Octave, und von dieſer zur Prime, als:
[Abbildung]
worin viele eine Schoͤnheit zu ſuchen ſcheinen, zum Ekel. Aber Octavenlaͤufe, die Stuffenweis wie- derholt werden, gefallen, wie z. B.
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Nach der Stufenweis gehenden Fortſchreitung kommt die, da die zweyte Stuffe wiederholt wird, als:
[Abbildung]
[Spaltenumbruch]
Mel
Auch dieſes findet jeder Liebhaber gefaͤllig. Aus ſolchen Secundenweis gehenden Fortſchreitungen, die man auf unzaͤhlige Weiſen veraͤndern kann, ent- ſtehen tauſenderley Arten von gefaͤlligen Melodien, davon wir nur wenige Faͤlle anfuͤhren wollen.
[Abbildung]
Aber Stufenweis chromatiſch fortzuſchreiten, hat fuͤr bloße Liebhaber etwas mißfaͤlliges, und muß nur da angebracht werden, wo der Ausdruk etwas fin- ſteres, oder gar ſchmerzhaftes erfodert: in Stuͤken von vergnuͤgtem Charakter muß dieſes gaͤnzlich ver- mieden werden. Hingegen zum Poßirlichen in comi- ſchen Stuͤken, kann eine ſolche Fortſchreitung, un- ter angenehme vermiſcht, gute Wuͤrkung thun.
Nach den Secunden ſind die Terzenfortſchreitun- gen angenehm und leicht, auch zur ſchnellen Be- ſtimmung der Tonart, wenn man von der Tonica eine Terz ſteigt, oder von ihrer Dominante eine Terz faͤllt, ſehr dienlich. Man kann eine ganze
Folge
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[756[738]/0173]
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ches auch von der kleinen Septime der Dominante
gilt, auf die man ſo gekommen iſt; ingleichen muß
man in der harten Tonart, wenn man von der
Sexte noch um einen halben Ton ſteiget, von da
wieder in den naͤchſten halben Ton unter ſich zuruͤk.
Hiernaͤchſt ſind in Abſicht auf das Leichte und
Gefaͤllige des Geſanges die Wuͤrkungen der verſchie-
denen Arten gleichfoͤrmiger Fortſchreitungen in Er-
wegung zu ziehen. Dieſen Namen geben wir den
Fortſchreitungen, die eine Zeitlang durch gleichnah-
mige Jntervalle, naͤmlich durch Secunden, Terzen,
Quarten u. ſ. f. geſchehen. Dieſe ſind allemal leich-
ter, als die ungleichfoͤrmigen, oder ſpringenden, da
man jeden Schritt durch ein anderes Jntervall thut.
Die Fortſchreitung durch diatoniſche Stuffen giebt
dem Geſange die groͤßte Faßlichkeit, und iſt jedem
Ohr angenehm. Sie hat auch fuͤr die Fugen be-
ſonders den Vortheil, daß der Hauptſaz dadurch von
einem Gegenſaz ſich leicht auszeichnet, wie z. B.
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Nur wird das herauf und herunter Rauſchen von
einen Ton bis in ſeine Octave, und von dieſer zur
Prime, als:
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worin viele eine Schoͤnheit zu ſuchen ſcheinen, zum
Ekel. Aber Octavenlaͤufe, die Stuffenweis wie-
derholt werden, gefallen, wie z. B.
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Nach der Stufenweis gehenden Fortſchreitung kommt
die, da die zweyte Stuffe wiederholt wird, als:
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Auch dieſes findet jeder Liebhaber gefaͤllig. Aus
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die man auf unzaͤhlige Weiſen veraͤndern kann, ent-
ſtehen tauſenderley Arten von gefaͤlligen Melodien,
davon wir nur wenige Faͤlle anfuͤhren wollen.
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Aber Stufenweis chromatiſch fortzuſchreiten, hat
fuͤr bloße Liebhaber etwas mißfaͤlliges, und muß nur
da angebracht werden, wo der Ausdruk etwas fin-
ſteres, oder gar ſchmerzhaftes erfodert: in Stuͤken
von vergnuͤgtem Charakter muß dieſes gaͤnzlich ver-
mieden werden. Hingegen zum Poßirlichen in comi-
ſchen Stuͤken, kann eine ſolche Fortſchreitung, un-
ter angenehme vermiſcht, gute Wuͤrkung thun.
Nach den Secunden ſind die Terzenfortſchreitun-
gen angenehm und leicht, auch zur ſchnellen Be-
ſtimmung der Tonart, wenn man von der Tonica
eine Terz ſteigt, oder von ihrer Dominante eine
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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 756[738]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/173>, abgerufen am 24.11.2024.
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