Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch]

Mel
anstatt des geraden genommen worden ist, durch
andre Mittel nur unvollkommen verbessert worden,
und daß daher dem Gesange doch noch eine merk-
liche Unvollkommenheit anklebt. Sollte es einem
in allen Künsten des Sazes erfahrnen Tonsezer ge-
lingen, in 3/8 Takt, der seiner Natur nach fröhlich
ist, den traurigen Ausdruk zu erreichen; so wird
ein feines Ohr den Zwang wol merken, und der
Ausdruk wird immer schwächer seyn, als wenn ein
gerader Takt wäre gewählt worden. Erst wenn
alles übrige, was zum metrischen des Gesanges ge-
höret, mit der Gattung des Takts übereinstimmt,
thut dieser seine rechte Würkung.

5. Allerdings aber thut die besondere Art des Tak-
tes, welches der fünfte Punkt ist, der hier in Betrach-
tung kommt, noch mehr zum Ausdruk. Es macht
in dem Gang eines Menschen einen großen Unter-
schied, wenn seine Schritte durch mehr, oder durch
wemger kleine Rükungen geschehen. Von den ge-
raden Takten ist der von sanfter und ruhiger,
als der von , der, nach Beschaffenheit der Bewe-
gung mehr Ernsthaftigkeit und auch mehr Fröhlich-
keit ausdruken kann, als jener. Von ungeraden
Takten kann der von 3/4 zu mancherley Ausdruk,
vom edlen Anstand sanfter, bis zum Ungestühm hef-
tiger Leidenschaften gebraucht werden, nachdem die
übrigen Umstände besonders die Rükungen, die Län-
gen und die Accente der Töne, damit verbunden
werden. Der von 3/8 ist der größten Fröhlichkeit fä-
hig, und hat allezeit etwas lustiges. Deswegen
sind auch die meisten fröhlichen Tänze aller Völker in
dieser Taktart gesezt. Der von schiket sich vor-
züglich zum Ausdruk eines sanften unschuldigen Ver-
gnügens, weil er in das Lustige des 3/8 Takts durch
Verdoppelung der Anzahl der kleineren Rükungen
auf jedem Schritt, wieder etwas von dem Ernst des
geraden Takts einmischt.

6. Die größte Kraft aber scheinet doch in dem
rhythmischen des Taktes zu liegen, wodurch er bey
derselben Anzahl der kleinen Haupttheile, vermittelst
der verschiedenen Stellung der langen und kurzen,
der nachdrüklichen und leichten Töne, und der un-
tergemischten kleinern Eintheilungen, eine erstaun-
liche Mannigfaltigkeit bekommt, und wodurch ein
und eben dieselbe Taktart in ihren Füßen eine große
Ungleichheit der Charakter erhält, welches der
sechste von den zum Ausdruke nöthigen Punkte ist.
Was für beträchtliche Veränderungen des Charak-
[Spaltenumbruch]

Mel
ters daher entstehen, sieht man am deutlichsten, wenn
man die verschiedenen Tanzmelodien von 3/4 Takt mit
einander vergleicht. Darum ist dem Tonsezer zur
Wahrheit des Ausdruks nichts so wesentlich nöthig,
als das feine Gefühl von der Würkung der rhythmi-
schen Veränderungen des Taktes. Hier wären sehr
viele Beobachtungen zu machen; wir wollen nur we-
nige zum Beyspiele anführen, die uns von einem Mei-
ster in der Kunst mitgetheilt worden sind. Gleiche
Takttheile, wie: [Abbildung] , da der erste allezeit
seinen natürlichen Accent, der andere seine Leichtig-
keit behält, unterscheiden sich durch mehr Ernst und
Würde, als ungleiche, wie: [Abbildung] oder:
[Abbildung] . Dieser Schritt [Abbildung] ist leb-
haft; aber noch weit mehr dieser: [Abbildung] und
wenn drey oder gar vier kurze Töne zwischen län-
gern stehen, so hat der Schritt großen Nachdruk
zur Fröhlichkeit, wie diese: [Abbildung] , oder
[Abbildung] . Eine oder zwey kurze und leichte
Töne, vor einem langen und durch den Accent
nachdrüklichen, als: [Abbildung] oder [Abbildung] ,
drüken etwas wildes und ungestühmes aus; sehr
schwerfällig aber ist diese Eintheilung [Abbildung] .
Wenn wesentlich kurze Töne sehr lang gemacht wer-
den, wie hier: [Abbildung] so giebt dieses dem
Gang etwas wiederspenstiges, und anfahrendes.
Es ist sehr zu wünschen, daß ein Tonsezer, der, bey
recht feinem Gefühl, eine weniger ausschweifende
Phantasie besizet, als Voßius, sich die Mühe gebe
die besten Melodien in der Absicht zu untersuchen,
seine Beobachtungen über die Kraft des Rhythmus
bekannt zu machen.

7. Endlich kommt in Absicht auf den Ausdruk auch
der siebende Punkt, oder die Behandlung der rhyth-
mischen Einschnitte in Betrachtung. Das Wesent-
lichste, was in Absicht auf die Schönheit hierüber
zu sagen ist, kann aus dem, was in dem Art. Glied
angemerkt worden, hergeleitet werden. Wir über-
lassen dem, der sich vorgenommen hat, den Me-
lodiensaz nach ächten Grundsäzen zu studiren, die
Anwendung jener Anmerkungen, auf den Gesang
zu machen. Sie wird ihm, bey dem gehörigen
Nachdenken nicht schweer werden. Hier merken
wir nur noch überhaupt an, daß ganz kleine Glie-
der, oder Einschnitte, sich besser zu leichten und tän-

deln-

[Spaltenumbruch]

Mel
anſtatt des geraden genommen worden iſt, durch
andre Mittel nur unvollkommen verbeſſert worden,
und daß daher dem Geſange doch noch eine merk-
liche Unvollkommenheit anklebt. Sollte es einem
in allen Kuͤnſten des Sazes erfahrnen Tonſezer ge-
lingen, in ⅜ Takt, der ſeiner Natur nach froͤhlich
iſt, den traurigen Ausdruk zu erreichen; ſo wird
ein feines Ohr den Zwang wol merken, und der
Ausdruk wird immer ſchwaͤcher ſeyn, als wenn ein
gerader Takt waͤre gewaͤhlt worden. Erſt wenn
alles uͤbrige, was zum metriſchen des Geſanges ge-
hoͤret, mit der Gattung des Takts uͤbereinſtimmt,
thut dieſer ſeine rechte Wuͤrkung.

5. Allerdings aber thut die beſondere Art des Tak-
tes, welches der fuͤnfte Punkt iſt, der hier in Betrach-
tung kommt, noch mehr zum Ausdruk. Es macht
in dem Gang eines Menſchen einen großen Unter-
ſchied, wenn ſeine Schritte durch mehr, oder durch
wemger kleine Ruͤkungen geſchehen. Von den ge-
raden Takten iſt der von ſanfter und ruhiger,
als der von , der, nach Beſchaffenheit der Bewe-
gung mehr Ernſthaftigkeit und auch mehr Froͤhlich-
keit ausdruken kann, als jener. Von ungeraden
Takten kann der von ¾ zu mancherley Ausdruk,
vom edlen Anſtand ſanfter, bis zum Ungeſtuͤhm hef-
tiger Leidenſchaften gebraucht werden, nachdem die
uͤbrigen Umſtaͤnde beſonders die Ruͤkungen, die Laͤn-
gen und die Accente der Toͤne, damit verbunden
werden. Der von ⅜ iſt der groͤßten Froͤhlichkeit faͤ-
hig, und hat allezeit etwas luſtiges. Deswegen
ſind auch die meiſten froͤhlichen Taͤnze aller Voͤlker in
dieſer Taktart geſezt. Der von ſchiket ſich vor-
zuͤglich zum Ausdruk eines ſanften unſchuldigen Ver-
gnuͤgens, weil er in das Luſtige des ⅜ Takts durch
Verdoppelung der Anzahl der kleineren Ruͤkungen
auf jedem Schritt, wieder etwas von dem Ernſt des
geraden Takts einmiſcht.

6. Die groͤßte Kraft aber ſcheinet doch in dem
rhythmiſchen des Taktes zu liegen, wodurch er bey
derſelben Anzahl der kleinen Haupttheile, vermittelſt
der verſchiedenen Stellung der langen und kurzen,
der nachdruͤklichen und leichten Toͤne, und der un-
tergemiſchten kleinern Eintheilungen, eine erſtaun-
liche Mannigfaltigkeit bekommt, und wodurch ein
und eben dieſelbe Taktart in ihren Fuͤßen eine große
Ungleichheit der Charakter erhaͤlt, welches der
ſechste von den zum Ausdruke noͤthigen Punkte iſt.
Was fuͤr betraͤchtliche Veraͤnderungen des Charak-
[Spaltenumbruch]

Mel
ters daher entſtehen, ſieht man am deutlichſten, wenn
man die verſchiedenen Tanzmelodien von ¾ Takt mit
einander vergleicht. Darum iſt dem Tonſezer zur
Wahrheit des Ausdruks nichts ſo weſentlich noͤthig,
als das feine Gefuͤhl von der Wuͤrkung der rhythmi-
ſchen Veraͤnderungen des Taktes. Hier waͤren ſehr
viele Beobachtungen zu machen; wir wollen nur we-
nige zum Beyſpiele anfuͤhren, die uns von einem Mei-
ſter in der Kunſt mitgetheilt worden ſind. Gleiche
Takttheile, wie: [Abbildung] , da der erſte allezeit
ſeinen natuͤrlichen Accent, der andere ſeine Leichtig-
keit behaͤlt, unterſcheiden ſich durch mehr Ernſt und
Wuͤrde, als ungleiche, wie: [Abbildung] oder:
[Abbildung] . Dieſer Schritt [Abbildung] iſt leb-
haft; aber noch weit mehr dieſer: [Abbildung] und
wenn drey oder gar vier kurze Toͤne zwiſchen laͤn-
gern ſtehen, ſo hat der Schritt großen Nachdruk
zur Froͤhlichkeit, wie dieſe: [Abbildung] , oder
[Abbildung] . Eine oder zwey kurze und leichte
Toͤne, vor einem langen und durch den Accent
nachdruͤklichen, als: [Abbildung] oder [Abbildung] ,
druͤken etwas wildes und ungeſtuͤhmes aus; ſehr
ſchwerfaͤllig aber iſt dieſe Eintheilung [Abbildung] .
Wenn weſentlich kurze Toͤne ſehr lang gemacht wer-
den, wie hier: [Abbildung] ſo giebt dieſes dem
Gang etwas wiederſpenſtiges, und anfahrendes.
Es iſt ſehr zu wuͤnſchen, daß ein Tonſezer, der, bey
recht feinem Gefuͤhl, eine weniger ausſchweifende
Phantaſie beſizet, als Voßius, ſich die Muͤhe gebe
die beſten Melodien in der Abſicht zu unterſuchen,
ſeine Beobachtungen uͤber die Kraft des Rhythmus
bekannt zu machen.

7. Endlich kommt in Abſicht auf den Ausdruk auch
der ſiebende Punkt, oder die Behandlung der rhyth-
miſchen Einſchnitte in Betrachtung. Das Weſent-
lichſte, was in Abſicht auf die Schoͤnheit hieruͤber
zu ſagen iſt, kann aus dem, was in dem Art. Glied
angemerkt worden, hergeleitet werden. Wir uͤber-
laſſen dem, der ſich vorgenommen hat, den Me-
lodienſaz nach aͤchten Grundſaͤzen zu ſtudiren, die
Anwendung jener Anmerkungen, auf den Geſang
zu machen. Sie wird ihm, bey dem gehoͤrigen
Nachdenken nicht ſchweer werden. Hier merken
wir nur noch uͤberhaupt an, daß ganz kleine Glie-
der, oder Einſchnitte, ſich beſſer zu leichten und taͤn-

deln-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0170" n="753[735]"/><cb/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Mel</hi></fw><lb/>
an&#x017F;tatt des geraden genommen worden i&#x017F;t, durch<lb/>
andre Mittel nur unvollkommen verbe&#x017F;&#x017F;ert worden,<lb/>
und daß daher dem Ge&#x017F;ange doch noch eine merk-<lb/>
liche Unvollkommenheit anklebt. Sollte es einem<lb/>
in allen Ku&#x0364;n&#x017F;ten des Sazes erfahrnen Ton&#x017F;ezer ge-<lb/>
lingen, in &#x215C; Takt, der &#x017F;einer Natur nach fro&#x0364;hlich<lb/>
i&#x017F;t, den traurigen Ausdruk zu erreichen; &#x017F;o wird<lb/>
ein feines Ohr den Zwang wol merken, und der<lb/>
Ausdruk wird immer &#x017F;chwa&#x0364;cher &#x017F;eyn, als wenn ein<lb/>
gerader Takt wa&#x0364;re gewa&#x0364;hlt worden. Er&#x017F;t wenn<lb/>
alles u&#x0364;brige, was zum metri&#x017F;chen des Ge&#x017F;anges ge-<lb/>
ho&#x0364;ret, mit der Gattung des Takts u&#x0364;berein&#x017F;timmt,<lb/>
thut die&#x017F;er &#x017F;eine rechte Wu&#x0364;rkung.</p><lb/>
          <p>5. Allerdings aber thut die be&#x017F;ondere Art des Tak-<lb/>
tes, welches der fu&#x0364;nfte Punkt i&#x017F;t, der hier in Betrach-<lb/>
tung kommt, noch mehr zum Ausdruk. Es macht<lb/>
in dem Gang eines Men&#x017F;chen einen großen Unter-<lb/>
&#x017F;chied, wenn &#x017F;eine Schritte durch mehr, oder durch<lb/>
wemger kleine Ru&#x0364;kungen ge&#x017F;chehen. Von den ge-<lb/>
raden Takten i&#x017F;t der von <formula notation="TeX">\frac{2}{4}</formula> &#x017F;anfter und ruhiger,<lb/>
als der von <formula notation="TeX">\frac{4}{4}</formula>, der, nach Be&#x017F;chaffenheit der Bewe-<lb/>
gung mehr Ern&#x017F;thaftigkeit und auch mehr Fro&#x0364;hlich-<lb/>
keit ausdruken kann, als jener. Von ungeraden<lb/>
Takten kann der von ¾ zu mancherley Ausdruk,<lb/>
vom edlen An&#x017F;tand &#x017F;anfter, bis zum Unge&#x017F;tu&#x0364;hm hef-<lb/>
tiger Leiden&#x017F;chaften gebraucht werden, nachdem die<lb/>
u&#x0364;brigen Um&#x017F;ta&#x0364;nde be&#x017F;onders die Ru&#x0364;kungen, die La&#x0364;n-<lb/>
gen und die Accente der To&#x0364;ne, damit verbunden<lb/>
werden. Der von &#x215C; i&#x017F;t der gro&#x0364;ßten Fro&#x0364;hlichkeit fa&#x0364;-<lb/>
hig, und hat allezeit etwas lu&#x017F;tiges. Deswegen<lb/>
&#x017F;ind auch die mei&#x017F;ten fro&#x0364;hlichen Ta&#x0364;nze aller Vo&#x0364;lker in<lb/>
die&#x017F;er Taktart ge&#x017F;ezt. Der von <formula notation="TeX">\frac{6}{8}</formula> &#x017F;chiket &#x017F;ich vor-<lb/>
zu&#x0364;glich zum Ausdruk eines &#x017F;anften un&#x017F;chuldigen Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gens, weil er in das Lu&#x017F;tige des &#x215C; Takts durch<lb/>
Verdoppelung der Anzahl der kleineren Ru&#x0364;kungen<lb/>
auf jedem Schritt, wieder etwas von dem Ern&#x017F;t des<lb/>
geraden Takts einmi&#x017F;cht.</p><lb/>
          <p>6. Die gro&#x0364;ßte Kraft aber &#x017F;cheinet doch in dem<lb/>
rhythmi&#x017F;chen des Taktes zu liegen, wodurch er bey<lb/>
der&#x017F;elben Anzahl der kleinen Haupttheile, vermittel&#x017F;t<lb/>
der ver&#x017F;chiedenen Stellung der langen und kurzen,<lb/>
der nachdru&#x0364;klichen und leichten To&#x0364;ne, und der un-<lb/>
tergemi&#x017F;chten kleinern Eintheilungen, eine er&#x017F;taun-<lb/>
liche Mannigfaltigkeit bekommt, und wodurch ein<lb/>
und eben die&#x017F;elbe Taktart in ihren Fu&#x0364;ßen eine große<lb/>
Ungleichheit der Charakter erha&#x0364;lt, welches der<lb/>
&#x017F;echste von den zum Ausdruke no&#x0364;thigen Punkte i&#x017F;t.<lb/>
Was fu&#x0364;r betra&#x0364;chtliche Vera&#x0364;nderungen des Charak-<lb/><cb/>
<fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Mel</hi></fw><lb/>
ters daher ent&#x017F;tehen, &#x017F;ieht man am deutlich&#x017F;ten, wenn<lb/>
man die ver&#x017F;chiedenen Tanzmelodien von ¾ Takt mit<lb/>
einander vergleicht. Darum i&#x017F;t dem Ton&#x017F;ezer zur<lb/>
Wahrheit des Ausdruks nichts &#x017F;o we&#x017F;entlich no&#x0364;thig,<lb/>
als das feine Gefu&#x0364;hl von der Wu&#x0364;rkung der rhythmi-<lb/>
&#x017F;chen Vera&#x0364;nderungen des Taktes. Hier wa&#x0364;ren &#x017F;ehr<lb/>
viele Beobachtungen zu machen; wir wollen nur we-<lb/>
nige zum Bey&#x017F;piele anfu&#x0364;hren, die uns von einem Mei-<lb/>
&#x017F;ter in der Kun&#x017F;t mitgetheilt worden &#x017F;ind. Gleiche<lb/>
Takttheile, wie: <figure/>, da der er&#x017F;te allezeit<lb/>
&#x017F;einen natu&#x0364;rlichen Accent, der andere &#x017F;eine Leichtig-<lb/>
keit beha&#x0364;lt, unter&#x017F;cheiden &#x017F;ich durch mehr Ern&#x017F;t und<lb/>
Wu&#x0364;rde, als ungleiche, wie: <figure/> oder:<lb/><figure/>. Die&#x017F;er Schritt <figure/> i&#x017F;t leb-<lb/>
haft; aber noch weit mehr die&#x017F;er: <figure/> und<lb/>
wenn drey oder gar vier kurze To&#x0364;ne zwi&#x017F;chen la&#x0364;n-<lb/>
gern &#x017F;tehen, &#x017F;o hat der Schritt großen Nachdruk<lb/>
zur Fro&#x0364;hlichkeit, wie die&#x017F;e: <figure/>, oder<lb/><figure/>. Eine oder zwey kurze und leichte<lb/>
To&#x0364;ne, vor einem langen und durch den Accent<lb/>
nachdru&#x0364;klichen, als: <figure/> oder <figure/>,<lb/>
dru&#x0364;ken etwas wildes und unge&#x017F;tu&#x0364;hmes aus; &#x017F;ehr<lb/>
&#x017F;chwerfa&#x0364;llig aber i&#x017F;t die&#x017F;e Eintheilung <figure/>.<lb/>
Wenn we&#x017F;entlich kurze To&#x0364;ne &#x017F;ehr lang gemacht wer-<lb/>
den, wie hier: <figure/> &#x017F;o giebt die&#x017F;es dem<lb/>
Gang etwas wieder&#x017F;pen&#x017F;tiges, und anfahrendes.<lb/>
Es i&#x017F;t &#x017F;ehr zu wu&#x0364;n&#x017F;chen, daß ein Ton&#x017F;ezer, der, bey<lb/>
recht feinem Gefu&#x0364;hl, eine weniger aus&#x017F;chweifende<lb/>
Phanta&#x017F;ie be&#x017F;izet, als <hi rendition="#fr">Voßius,</hi> &#x017F;ich die Mu&#x0364;he gebe<lb/>
die be&#x017F;ten Melodien in der Ab&#x017F;icht zu unter&#x017F;uchen,<lb/>
&#x017F;eine Beobachtungen u&#x0364;ber die Kraft des Rhythmus<lb/>
bekannt zu machen.</p><lb/>
          <p>7. Endlich kommt in Ab&#x017F;icht auf den Ausdruk auch<lb/>
der &#x017F;iebende Punkt, oder die Behandlung der rhyth-<lb/>
mi&#x017F;chen Ein&#x017F;chnitte in Betrachtung. Das We&#x017F;ent-<lb/>
lich&#x017F;te, was in Ab&#x017F;icht auf die Scho&#x0364;nheit hieru&#x0364;ber<lb/>
zu &#x017F;agen i&#x017F;t, kann aus dem, was in dem Art. <hi rendition="#fr">Glied</hi><lb/>
angemerkt worden, hergeleitet werden. Wir u&#x0364;ber-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en dem, der &#x017F;ich vorgenommen hat, den Me-<lb/>
lodien&#x017F;az nach a&#x0364;chten Grund&#x017F;a&#x0364;zen zu &#x017F;tudiren, die<lb/>
Anwendung jener Anmerkungen, auf den Ge&#x017F;ang<lb/>
zu machen. Sie wird ihm, bey dem geho&#x0364;rigen<lb/>
Nachdenken nicht &#x017F;chweer werden. Hier merken<lb/>
wir nur noch u&#x0364;berhaupt an, daß ganz kleine Glie-<lb/>
der, oder Ein&#x017F;chnitte, &#x017F;ich be&#x017F;&#x017F;er zu leichten und ta&#x0364;n-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">deln-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[753[735]/0170] Mel Mel anſtatt des geraden genommen worden iſt, durch andre Mittel nur unvollkommen verbeſſert worden, und daß daher dem Geſange doch noch eine merk- liche Unvollkommenheit anklebt. Sollte es einem in allen Kuͤnſten des Sazes erfahrnen Tonſezer ge- lingen, in ⅜ Takt, der ſeiner Natur nach froͤhlich iſt, den traurigen Ausdruk zu erreichen; ſo wird ein feines Ohr den Zwang wol merken, und der Ausdruk wird immer ſchwaͤcher ſeyn, als wenn ein gerader Takt waͤre gewaͤhlt worden. Erſt wenn alles uͤbrige, was zum metriſchen des Geſanges ge- hoͤret, mit der Gattung des Takts uͤbereinſtimmt, thut dieſer ſeine rechte Wuͤrkung. 5. Allerdings aber thut die beſondere Art des Tak- tes, welches der fuͤnfte Punkt iſt, der hier in Betrach- tung kommt, noch mehr zum Ausdruk. Es macht in dem Gang eines Menſchen einen großen Unter- ſchied, wenn ſeine Schritte durch mehr, oder durch wemger kleine Ruͤkungen geſchehen. Von den ge- raden Takten iſt der von [FORMEL] ſanfter und ruhiger, als der von [FORMEL], der, nach Beſchaffenheit der Bewe- gung mehr Ernſthaftigkeit und auch mehr Froͤhlich- keit ausdruken kann, als jener. Von ungeraden Takten kann der von ¾ zu mancherley Ausdruk, vom edlen Anſtand ſanfter, bis zum Ungeſtuͤhm hef- tiger Leidenſchaften gebraucht werden, nachdem die uͤbrigen Umſtaͤnde beſonders die Ruͤkungen, die Laͤn- gen und die Accente der Toͤne, damit verbunden werden. Der von ⅜ iſt der groͤßten Froͤhlichkeit faͤ- hig, und hat allezeit etwas luſtiges. Deswegen ſind auch die meiſten froͤhlichen Taͤnze aller Voͤlker in dieſer Taktart geſezt. Der von [FORMEL] ſchiket ſich vor- zuͤglich zum Ausdruk eines ſanften unſchuldigen Ver- gnuͤgens, weil er in das Luſtige des ⅜ Takts durch Verdoppelung der Anzahl der kleineren Ruͤkungen auf jedem Schritt, wieder etwas von dem Ernſt des geraden Takts einmiſcht. 6. Die groͤßte Kraft aber ſcheinet doch in dem rhythmiſchen des Taktes zu liegen, wodurch er bey derſelben Anzahl der kleinen Haupttheile, vermittelſt der verſchiedenen Stellung der langen und kurzen, der nachdruͤklichen und leichten Toͤne, und der un- tergemiſchten kleinern Eintheilungen, eine erſtaun- liche Mannigfaltigkeit bekommt, und wodurch ein und eben dieſelbe Taktart in ihren Fuͤßen eine große Ungleichheit der Charakter erhaͤlt, welches der ſechste von den zum Ausdruke noͤthigen Punkte iſt. Was fuͤr betraͤchtliche Veraͤnderungen des Charak- ters daher entſtehen, ſieht man am deutlichſten, wenn man die verſchiedenen Tanzmelodien von ¾ Takt mit einander vergleicht. Darum iſt dem Tonſezer zur Wahrheit des Ausdruks nichts ſo weſentlich noͤthig, als das feine Gefuͤhl von der Wuͤrkung der rhythmi- ſchen Veraͤnderungen des Taktes. Hier waͤren ſehr viele Beobachtungen zu machen; wir wollen nur we- nige zum Beyſpiele anfuͤhren, die uns von einem Mei- ſter in der Kunſt mitgetheilt worden ſind. Gleiche Takttheile, wie: [Abbildung] , da der erſte allezeit ſeinen natuͤrlichen Accent, der andere ſeine Leichtig- keit behaͤlt, unterſcheiden ſich durch mehr Ernſt und Wuͤrde, als ungleiche, wie: [Abbildung] oder: [Abbildung] . Dieſer Schritt [Abbildung] iſt leb- haft; aber noch weit mehr dieſer: [Abbildung] und wenn drey oder gar vier kurze Toͤne zwiſchen laͤn- gern ſtehen, ſo hat der Schritt großen Nachdruk zur Froͤhlichkeit, wie dieſe: [Abbildung] , oder [Abbildung] . Eine oder zwey kurze und leichte Toͤne, vor einem langen und durch den Accent nachdruͤklichen, als: [Abbildung] oder [Abbildung] , druͤken etwas wildes und ungeſtuͤhmes aus; ſehr ſchwerfaͤllig aber iſt dieſe Eintheilung [Abbildung] . Wenn weſentlich kurze Toͤne ſehr lang gemacht wer- den, wie hier: [Abbildung] ſo giebt dieſes dem Gang etwas wiederſpenſtiges, und anfahrendes. Es iſt ſehr zu wuͤnſchen, daß ein Tonſezer, der, bey recht feinem Gefuͤhl, eine weniger ausſchweifende Phantaſie beſizet, als Voßius, ſich die Muͤhe gebe die beſten Melodien in der Abſicht zu unterſuchen, ſeine Beobachtungen uͤber die Kraft des Rhythmus bekannt zu machen. 7. Endlich kommt in Abſicht auf den Ausdruk auch der ſiebende Punkt, oder die Behandlung der rhyth- miſchen Einſchnitte in Betrachtung. Das Weſent- lichſte, was in Abſicht auf die Schoͤnheit hieruͤber zu ſagen iſt, kann aus dem, was in dem Art. Glied angemerkt worden, hergeleitet werden. Wir uͤber- laſſen dem, der ſich vorgenommen hat, den Me- lodienſaz nach aͤchten Grundſaͤzen zu ſtudiren, die Anwendung jener Anmerkungen, auf den Geſang zu machen. Sie wird ihm, bey dem gehoͤrigen Nachdenken nicht ſchweer werden. Hier merken wir nur noch uͤberhaupt an, daß ganz kleine Glie- der, oder Einſchnitte, ſich beſſer zu leichten und taͤn- deln-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/170
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 753[735]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/170>, abgerufen am 24.11.2024.