die Dichtigkeit der Dünste auf derselben Höhe anzeige. Ferner sey B der äusserste Punkt des Horizonts.
Nun stelle man sich vor, daß ein wol erleuch- teter Körper, von welcher Farbe man will, in E, ein anderer von eben der Farbe und Erleuchtung in C gesehen werde, ein dritter aber in F, und man wolle wissen, wie viel jeder dieser Gegenstände von der Lebhaftigkeit seiner natürlichen Farbe verlieren werde. Weil blos die Menge der Dünfte, durch welche die Lichtstrahlen fallen, die Ursache dieser ver- minderten Lebhaftigkeit ist, so därf man nur für jeden Stand F, E und C diese Menge bestimmen. Man sieht aber sogleich, daß sie in jedem Stande von zwey Größen abhängt, nämlich von der Ent- fernung A F, A E, A C, und denn von der Höhe N F, B E, B C, aber mit dem Unterschied, daß die Entfernung zur Vermehrung, die Höhe aber zur Vermindrung derselben beyträgt.
Dieses genau und geometrisch zu bestimmen, würde eine ziemlich schweere Rechnung erfodern: ohngefähr aber erkennet man, wie die Schwächung der Farbe, in so fern sie in jeder horizontalen Entfer- nung von der Höhe abhängt, könnte berechnet wer- den. Für die Höhe E oder G würde man ohnge- sehr die Linie L M nehmen müssen, wenn L der Mit- telpunkt der Schweere der Figur A G H I wäre; für die Höhe C aber, Linie l m, wenn l der Mittel- punkt der Schweere der ganzen Figur A D K I wäre. Diesem zufolge müßte die Vermindrung der Lebhaf- tigkeit der Farbe für den Ort F durch A F x L M; für den Ort E, durch A E x L M und für den Ort C durch A C x l m ausgedrukt werden, das ist, für jeden Ort müßte die Entfernung durch die für seine Höhe sich passende Linie L M multiplicirt werden. Doch könnte diese Regel nicht auf die nahe am Scheitelpunkt stehenden Gegenstände angewendet werden. Aber dergleichen kommen auch in Ge- mählden nicht vor.
Es läßt sich absehen, daß nach einer genauen Berechnung der Sache, endlich für den Mahler leicht zufassende Regeln für diesen Punkt der Luft- perspektiv, aus der Theorie würden können gezogen werden. Niemand würde dieses besser thun können, als Herr Lambert; daher zu wünschen ist, daß er sich dieser Arbeit unterziehen möchte. Diese Negeln würden also dem Mahler anzeigen, wie viel graues er der natürlichen Farbe jedes Gegenstandes beymi- [Spaltenumbruch]
Luf
schen müßte, um die Farbe so heraus zu bringen, wie sie sich in jedem Abstand des Körpers zeiget. Mit dem Gebrauch des Farbenregisters verbunden, würden sie dem Mahler auch zeigen, in was für einer Entfernung vom Auge, jeder Körper seine Farbe verliehrt und die Luftfarbe, die blaulicht grau ist, annihmt.
Von dieser Schwächung der Farben hängt auch die, in gleichem Maaße abnehmende, Schwächung des Lichts und der Schatten ab, welches der zweyte Hauptpunkt der Luftperspektiv ist, der einen großen Einfluß auf die körperliche Gestalt der Dinge hat. Um dieses deutlich zu begreifen, bedenke man nur, daß die körperliche, oder stereometrische Rundung einer Kugel in einer gewissen Entfernung sich völlig verliehrt, und daß die Kugel dem Aug daselbst blos wie ein runder Teller vorkommt. Man seze in der vorhergehenden Figur ein Aug in a, dem die Kugel bey b in ihrer völligen Rundung erscheinet; so wür- de dieselbe Kugel bey c schon flacher, bey d noch flacher, bey e noch flacher und bey f ganz flach er- scheinen. Dieses geschieht, so bald die aus der Figur der Kugel entstehenden Schattirungen ihrer Farbe unmerklich werden. Eben dieses wiederfährt jedem Körper, und jeder Gruppe, und die nahen Ge- genstände eines Gemähldes müssen mehr herausste- hende Höhe (Relief) haben, als die entferntern. Die- ses ist ein sehr wichtiger Punkt der Luftperspektiv, den nicht blos der Landschaftmahler, sondern auch Historien- und der Portraitmahler genau studiren müssen. Vergeblich würde man die Regeln der Li- nienperspektiv beobachten, wenn man diese ver- säumte: was die Zeichnung in die Ferne setzte, wür- de die Erhabenheit der Figuren und die Lebhaftigkeit der Farben, wieder nahe bringen, und entfernte Menschen würden in der Landschaft, wie nahe Zwerge aussehen.
Endlich ist auch die Würkung der Entfernung auf die Mittelfarben und Wiederscheine in Betrachtung zu ziehen. Da wo die Hauptfarben schon merk- lich geschwächt werden, müssen die Tinten der Mittelfarben und die Wiederscheine schon ganz wegfallen.
Dieses kann hinlänglich seyn, um jeden zu über- zeugen, wie wichtig das Studium der Luftperspek- tiv für jeden Mahler sey, und wie viel zu bearbei- ten wäre, um diesen Theil der Kunst so vollkom- men zu machen, als die Linienperspektiv ist. Man
muß
[Spaltenumbruch]
Luf
die Dichtigkeit der Duͤnſte auf derſelben Hoͤhe anzeige. Ferner ſey B der aͤuſſerſte Punkt des Horizonts.
Nun ſtelle man ſich vor, daß ein wol erleuch- teter Koͤrper, von welcher Farbe man will, in E, ein anderer von eben der Farbe und Erleuchtung in C geſehen werde, ein dritter aber in F, und man wolle wiſſen, wie viel jeder dieſer Gegenſtaͤnde von der Lebhaftigkeit ſeiner natuͤrlichen Farbe verlieren werde. Weil blos die Menge der Duͤnfte, durch welche die Lichtſtrahlen fallen, die Urſache dieſer ver- minderten Lebhaftigkeit iſt, ſo daͤrf man nur fuͤr jeden Stand F, E und C dieſe Menge beſtimmen. Man ſieht aber ſogleich, daß ſie in jedem Stande von zwey Groͤßen abhaͤngt, naͤmlich von der Ent- fernung A F, A E, A C, und denn von der Hoͤhe N F, B E, B C, aber mit dem Unterſchied, daß die Entfernung zur Vermehrung, die Hoͤhe aber zur Vermindrung derſelben beytraͤgt.
Dieſes genau und geometriſch zu beſtimmen, wuͤrde eine ziemlich ſchweere Rechnung erfodern: ohngefaͤhr aber erkennet man, wie die Schwaͤchung der Farbe, in ſo fern ſie in jeder horizontalen Entfer- nung von der Hoͤhe abhaͤngt, koͤnnte berechnet wer- den. Fuͤr die Hoͤhe E oder G wuͤrde man ohnge- ſehr die Linie L M nehmen muͤſſen, wenn L der Mit- telpunkt der Schweere der Figur A G H I waͤre; fuͤr die Hoͤhe C aber, Linie l m, wenn l der Mittel- punkt der Schweere der ganzen Figur A D K I waͤre. Dieſem zufolge muͤßte die Vermindrung der Lebhaf- tigkeit der Farbe fuͤr den Ort F durch A F x L M; fuͤr den Ort E, durch A E x L M und fuͤr den Ort C durch A C x l m ausgedrukt werden, das iſt, fuͤr jeden Ort muͤßte die Entfernung durch die fuͤr ſeine Hoͤhe ſich paſſende Linie L M multiplicirt werden. Doch koͤnnte dieſe Regel nicht auf die nahe am Scheitelpunkt ſtehenden Gegenſtaͤnde angewendet werden. Aber dergleichen kommen auch in Ge- maͤhlden nicht vor.
Es laͤßt ſich abſehen, daß nach einer genauen Berechnung der Sache, endlich fuͤr den Mahler leicht zufaſſende Regeln fuͤr dieſen Punkt der Luft- perſpektiv, aus der Theorie wuͤrden koͤnnen gezogen werden. Niemand wuͤrde dieſes beſſer thun koͤnnen, als Herr Lambert; daher zu wuͤnſchen iſt, daß er ſich dieſer Arbeit unterziehen moͤchte. Dieſe Negeln wuͤrden alſo dem Mahler anzeigen, wie viel graues er der natuͤrlichen Farbe jedes Gegenſtandes beymi- [Spaltenumbruch]
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ſchen muͤßte, um die Farbe ſo heraus zu bringen, wie ſie ſich in jedem Abſtand des Koͤrpers zeiget. Mit dem Gebrauch des Farbenregiſters verbunden, wuͤrden ſie dem Mahler auch zeigen, in was fuͤr einer Entfernung vom Auge, jeder Koͤrper ſeine Farbe verliehrt und die Luftfarbe, die blaulicht grau iſt, annihmt.
Von dieſer Schwaͤchung der Farben haͤngt auch die, in gleichem Maaße abnehmende, Schwaͤchung des Lichts und der Schatten ab, welches der zweyte Hauptpunkt der Luftperſpektiv iſt, der einen großen Einfluß auf die koͤrperliche Geſtalt der Dinge hat. Um dieſes deutlich zu begreifen, bedenke man nur, daß die koͤrperliche, oder ſtereometriſche Rundung einer Kugel in einer gewiſſen Entfernung ſich voͤllig verliehrt, und daß die Kugel dem Aug daſelbſt blos wie ein runder Teller vorkommt. Man ſeze in der vorhergehenden Figur ein Aug in a, dem die Kugel bey b in ihrer voͤlligen Rundung erſcheinet; ſo wuͤr- de dieſelbe Kugel bey c ſchon flacher, bey d noch flacher, bey e noch flacher und bey f ganz flach er- ſcheinen. Dieſes geſchieht, ſo bald die aus der Figur der Kugel entſtehenden Schattirungen ihrer Farbe unmerklich werden. Eben dieſes wiederfaͤhrt jedem Koͤrper, und jeder Gruppe, und die nahen Ge- genſtaͤnde eines Gemaͤhldes muͤſſen mehr herausſte- hende Hoͤhe (Relief) haben, als die entferntern. Die- ſes iſt ein ſehr wichtiger Punkt der Luftperſpektiv, den nicht blos der Landſchaftmahler, ſondern auch Hiſtorien- und der Portraitmahler genau ſtudiren muͤſſen. Vergeblich wuͤrde man die Regeln der Li- nienperſpektiv beobachten, wenn man dieſe ver- ſaͤumte: was die Zeichnung in die Ferne ſetzte, wuͤr- de die Erhabenheit der Figuren und die Lebhaftigkeit der Farben, wieder nahe bringen, und entfernte Menſchen wuͤrden in der Landſchaft, wie nahe Zwerge ausſehen.
Endlich iſt auch die Wuͤrkung der Entfernung auf die Mittelfarben und Wiederſcheine in Betrachtung zu ziehen. Da wo die Hauptfarben ſchon merk- lich geſchwaͤcht werden, muͤſſen die Tinten der Mittelfarben und die Wiederſcheine ſchon ganz wegfallen.
Dieſes kann hinlaͤnglich ſeyn, um jeden zu uͤber- zeugen, wie wichtig das Studium der Luftperſpek- tiv fuͤr jeden Mahler ſey, und wie viel zu bearbei- ten waͤre, um dieſen Theil der Kunſt ſo vollkom- men zu machen, als die Linienperſpektiv iſt. Man
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[724[706]/0141]
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die Dichtigkeit der Duͤnſte auf derſelben Hoͤhe
anzeige. Ferner ſey B der aͤuſſerſte Punkt des
Horizonts.
Nun ſtelle man ſich vor, daß ein wol erleuch-
teter Koͤrper, von welcher Farbe man will, in E,
ein anderer von eben der Farbe und Erleuchtung in
C geſehen werde, ein dritter aber in F, und man
wolle wiſſen, wie viel jeder dieſer Gegenſtaͤnde von
der Lebhaftigkeit ſeiner natuͤrlichen Farbe verlieren
werde. Weil blos die Menge der Duͤnfte, durch
welche die Lichtſtrahlen fallen, die Urſache dieſer ver-
minderten Lebhaftigkeit iſt, ſo daͤrf man nur fuͤr
jeden Stand F, E und C dieſe Menge beſtimmen.
Man ſieht aber ſogleich, daß ſie in jedem Stande
von zwey Groͤßen abhaͤngt, naͤmlich von der Ent-
fernung A F, A E, A C, und denn von der Hoͤhe
N F, B E, B C, aber mit dem Unterſchied, daß die
Entfernung zur Vermehrung, die Hoͤhe aber zur
Vermindrung derſelben beytraͤgt.
Dieſes genau und geometriſch zu beſtimmen,
wuͤrde eine ziemlich ſchweere Rechnung erfodern:
ohngefaͤhr aber erkennet man, wie die Schwaͤchung
der Farbe, in ſo fern ſie in jeder horizontalen Entfer-
nung von der Hoͤhe abhaͤngt, koͤnnte berechnet wer-
den. Fuͤr die Hoͤhe E oder G wuͤrde man ohnge-
ſehr die Linie L M nehmen muͤſſen, wenn L der Mit-
telpunkt der Schweere der Figur A G H I waͤre; fuͤr
die Hoͤhe C aber, Linie l m, wenn l der Mittel-
punkt der Schweere der ganzen Figur A D K I waͤre.
Dieſem zufolge muͤßte die Vermindrung der Lebhaf-
tigkeit der Farbe fuͤr den Ort F durch A F x L M;
fuͤr den Ort E, durch A E x L M und fuͤr den Ort
C durch A C x l m ausgedrukt werden, das iſt, fuͤr
jeden Ort muͤßte die Entfernung durch die fuͤr ſeine
Hoͤhe ſich paſſende Linie L M multiplicirt werden.
Doch koͤnnte dieſe Regel nicht auf die nahe am
Scheitelpunkt ſtehenden Gegenſtaͤnde angewendet
werden. Aber dergleichen kommen auch in Ge-
maͤhlden nicht vor.
Es laͤßt ſich abſehen, daß nach einer genauen
Berechnung der Sache, endlich fuͤr den Mahler
leicht zufaſſende Regeln fuͤr dieſen Punkt der Luft-
perſpektiv, aus der Theorie wuͤrden koͤnnen gezogen
werden. Niemand wuͤrde dieſes beſſer thun koͤnnen,
als Herr Lambert; daher zu wuͤnſchen iſt, daß er
ſich dieſer Arbeit unterziehen moͤchte. Dieſe Negeln
wuͤrden alſo dem Mahler anzeigen, wie viel graues
er der natuͤrlichen Farbe jedes Gegenſtandes beymi-
ſchen muͤßte, um die Farbe ſo heraus zu bringen,
wie ſie ſich in jedem Abſtand des Koͤrpers zeiget.
Mit dem Gebrauch des Farbenregiſters verbunden,
wuͤrden ſie dem Mahler auch zeigen, in was fuͤr
einer Entfernung vom Auge, jeder Koͤrper ſeine
Farbe verliehrt und die Luftfarbe, die blaulicht grau
iſt, annihmt.
Von dieſer Schwaͤchung der Farben haͤngt auch
die, in gleichem Maaße abnehmende, Schwaͤchung des
Lichts und der Schatten ab, welches der zweyte
Hauptpunkt der Luftperſpektiv iſt, der einen großen
Einfluß auf die koͤrperliche Geſtalt der Dinge hat.
Um dieſes deutlich zu begreifen, bedenke man nur,
daß die koͤrperliche, oder ſtereometriſche Rundung
einer Kugel in einer gewiſſen Entfernung ſich voͤllig
verliehrt, und daß die Kugel dem Aug daſelbſt blos
wie ein runder Teller vorkommt. Man ſeze in der
vorhergehenden Figur ein Aug in a, dem die Kugel
bey b in ihrer voͤlligen Rundung erſcheinet; ſo wuͤr-
de dieſelbe Kugel bey c ſchon flacher, bey d noch
flacher, bey e noch flacher und bey f ganz flach er-
ſcheinen. Dieſes geſchieht, ſo bald die aus der
Figur der Kugel entſtehenden Schattirungen ihrer
Farbe unmerklich werden. Eben dieſes wiederfaͤhrt
jedem Koͤrper, und jeder Gruppe, und die nahen Ge-
genſtaͤnde eines Gemaͤhldes muͤſſen mehr herausſte-
hende Hoͤhe (Relief) haben, als die entferntern. Die-
ſes iſt ein ſehr wichtiger Punkt der Luftperſpektiv,
den nicht blos der Landſchaftmahler, ſondern auch
Hiſtorien- und der Portraitmahler genau ſtudiren
muͤſſen. Vergeblich wuͤrde man die Regeln der Li-
nienperſpektiv beobachten, wenn man dieſe ver-
ſaͤumte: was die Zeichnung in die Ferne ſetzte, wuͤr-
de die Erhabenheit der Figuren und die Lebhaftigkeit
der Farben, wieder nahe bringen, und entfernte
Menſchen wuͤrden in der Landſchaft, wie nahe
Zwerge ausſehen.
Endlich iſt auch die Wuͤrkung der Entfernung auf
die Mittelfarben und Wiederſcheine in Betrachtung
zu ziehen. Da wo die Hauptfarben ſchon merk-
lich geſchwaͤcht werden, muͤſſen die Tinten der
Mittelfarben und die Wiederſcheine ſchon ganz
wegfallen.
Dieſes kann hinlaͤnglich ſeyn, um jeden zu uͤber-
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ten waͤre, um dieſen Theil der Kunſt ſo vollkom-
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muß
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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 724[706]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/141>, abgerufen am 28.11.2024.
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