Rede ist, die Ausführung, und die Ausarbeitung, von denen besonders wird gehandelt werden.
Jn der Anlage wird der Plan des Werks, mit den Haupttheilen desselben bestimmt, die Ausfüh- rung giebt jedem Haupttheil seine Gestalt, und die Ausarbeitung bearbeitet die kleinern Verbindungen, und füget die kleinesten Theile völlig, jeden in seinem rechten Verhältniß, und bester Form zusammen. Wenn die Anlage vollendet ist, so muß nichts we- sentliches mehr in das Werk hinein kommen können. Sie enthält schon alles wichtige der Gedanken, und er- fodert deswegen das meiste Genie. Darum bekommt ein Werk seinen größten Werth von der Anlage. Sie bildet die Seele desselben, und sezt alles feste, was zu seinem innerlichen Charakter, und zu der Würkung, die es thun soll, gehöret. Deßwegen können auch grobe oder schlecht bearbeitete Werke, der guten Anlage halber sehr schäzbar seyn. So waren nach dem Zeugniß des Pausanias die Werke des Dädalus; sie fielen etwas unförmlich in das Auge, doch entdekte man in allen etwas großes und (*) # #. Pau- san. Co- rinth.erhabenes. (*)
Es ist jedem Künstler zu rathen, nicht nur die größte Anstrengung des Geistes auf die Anlage, als den wichtigsten Theil zu wenden, sondern auch nicht eher an die andern Theile der Arbeit zu ge- hen, bis dieser glüklich und zu seiner eignen Befrie- digung zu Stande gebracht ist. Schweerlich wird ein Werk zu einer über das mittelmäßige steigenden Vollkommenheit kommen, wenn die Anlage nicht vor der Ausführung vollkommen gewesen. Die Unvollkommenheit der Anlage benimmt dem Künst- ler das Feuer und so gar den Muth zur Ausführung. Einzele Schönheiten sind nicht vermögend die Feh- ler der Anlage zu bedeken. Besser ist es allemal ein Werk von unvollkommener Anlage ganz zu ver- werfen, als durch mühsame Ausführung und Aus- arbeitung, etwas unvollkommenes zu machen. Es scheinet eine der wichtigsten Regeln der Kunst zu seyn, sich nicht eher an die Bearbeitung eines Werks zu machen, bis man mit der Anlage desselben vollkom- men zu frieden ist. Denn diese Zufriedenheit giebt Kräfte zur Ausführung. S. Anordnung.
Anlauf. (Baukunst.)
Die Einbeugung einer Linie oder Fläche von ihren untersten Ende herauf, wodurch eine Fläche oder [Spaltenumbruch]
Anl
ein Körper etwas dünner wird, als er am Fuß ist. S. Ablauf.
Anlegen. (Mahlerkunst.)
Die ersten Farben eines Gemähldes auftragen, welche hernach bey der Ausarbeitung wieder von an- dern Farben bedekt werden.
Das gute und insonderheit das kräftige Colorit kann nicht wol durch eine einzige Auftragung der Farben erreicht werden, ausgenommen in solchen Stüken, die weit aus dem Auge zu stehen kommen; in welchem Fall die Farben sehr dik neben einander aufgetragen werden, daß sie ihre volle Würkung behalten. Bey Gemählden aber die man in der Nähe sehen soll, müssen die Farben mehr in einan- der fließen, und können auf einmal nicht gar dik aufgetragen werden. Auch andre Umstände erfo- dern ofte, daß eine Farbe über eine andre gedekt werde, so daß die untere etwas durchscheine. (*)(*) S. Laßiren. Jn diesem Falle muß das ganze Stük mehr, als einmal übermahlt werden. Die erste Auftragung der Farben, wird das Anlegen genennt.
Das Anlegen ist ein wichtiger Theil des Mahlens; denn wenn dabey etwas wesentliches versehen wird, so kann das Colorit niemals vollkommen werden. Wie aber überhaupt keine schlechterdings festgesezte Regeln der Farbengebung vorhanden sind, sondern jeder Mahler durch Uebung und Versuche sich eine besondre Methode angewöhnt hat; so läßt sich auch nicht bestimmt sagen, wie der Mahler beym Anlegen verfahren soll.
Der sicherste Weg, ein Gemählde gut anzulegen, scheinet dieser zu seyn, daß man mit einem etwas breiten Pinsel zuerst die Lichter, denn die Schatten gleich stark neben einander seze, und hernach an den Gränzen zwischen beyden gelinde hin und her fahre, um sie etwas mit einander zu vereinigen. Diese erste Anlage muß den Grund einer guten Haltung und Verfließung der Lichter und Schatten geben. Und diese wird man schweerlich erhalten, wenn man es in der ersten Anlage verfehlt hat. Lairesse giebt den Rath, man soll diese angelegten Stellen durch eine dünne Hornscheibe ansehen, um desto sicherer von der guten Vereinigung des Lichts und Schattens zu urtheilen. Es hat ohngefehr dieselbe Würkung, wenn man etwas weit von dem angelegten Gemählde zurük trit, um diese Vereinigung desto besser zu be-
merken.
[Spaltenumbruch]
Anl
Rede iſt, die Ausfuͤhrung, und die Ausarbeitung, von denen beſonders wird gehandelt werden.
Jn der Anlage wird der Plan des Werks, mit den Haupttheilen deſſelben beſtimmt, die Ausfuͤh- rung giebt jedem Haupttheil ſeine Geſtalt, und die Ausarbeitung bearbeitet die kleinern Verbindungen, und fuͤget die kleineſten Theile voͤllig, jeden in ſeinem rechten Verhaͤltniß, und beſter Form zuſammen. Wenn die Anlage vollendet iſt, ſo muß nichts we- ſentliches mehr in das Werk hinein kommen koͤnnen. Sie enthaͤlt ſchon alles wichtige der Gedanken, und er- fodert deswegen das meiſte Genie. Darum bekommt ein Werk ſeinen groͤßten Werth von der Anlage. Sie bildet die Seele deſſelben, und ſezt alles feſte, was zu ſeinem innerlichen Charakter, und zu der Wuͤrkung, die es thun ſoll, gehoͤret. Deßwegen koͤnnen auch grobe oder ſchlecht bearbeitete Werke, der guten Anlage halber ſehr ſchaͤzbar ſeyn. So waren nach dem Zeugniß des Pauſanias die Werke des Daͤdalus; ſie fielen etwas unfoͤrmlich in das Auge, doch entdekte man in allen etwas großes und (*) # #. Pau- ſan. Co- rinth.erhabenes. (*)
Es iſt jedem Kuͤnſtler zu rathen, nicht nur die groͤßte Anſtrengung des Geiſtes auf die Anlage, als den wichtigſten Theil zu wenden, ſondern auch nicht eher an die andern Theile der Arbeit zu ge- hen, bis dieſer gluͤklich und zu ſeiner eignen Befrie- digung zu Stande gebracht iſt. Schweerlich wird ein Werk zu einer uͤber das mittelmaͤßige ſteigenden Vollkommenheit kommen, wenn die Anlage nicht vor der Ausfuͤhrung vollkommen geweſen. Die Unvollkommenheit der Anlage benimmt dem Kuͤnſt- ler das Feuer und ſo gar den Muth zur Ausfuͤhrung. Einzele Schoͤnheiten ſind nicht vermoͤgend die Feh- ler der Anlage zu bedeken. Beſſer iſt es allemal ein Werk von unvollkommener Anlage ganz zu ver- werfen, als durch muͤhſame Ausfuͤhrung und Aus- arbeitung, etwas unvollkommenes zu machen. Es ſcheinet eine der wichtigſten Regeln der Kunſt zu ſeyn, ſich nicht eher an die Bearbeitung eines Werks zu machen, bis man mit der Anlage deſſelben vollkom- men zu frieden iſt. Denn dieſe Zufriedenheit giebt Kraͤfte zur Ausfuͤhrung. S. Anordnung.
Anlauf. (Baukunſt.)
Die Einbeugung einer Linie oder Flaͤche von ihren unterſten Ende herauf, wodurch eine Flaͤche oder [Spaltenumbruch]
Anl
ein Koͤrper etwas duͤnner wird, als er am Fuß iſt. S. Ablauf.
Anlegen. (Mahlerkunſt.)
Die erſten Farben eines Gemaͤhldes auftragen, welche hernach bey der Ausarbeitung wieder von an- dern Farben bedekt werden.
Das gute und inſonderheit das kraͤftige Colorit kann nicht wol durch eine einzige Auftragung der Farben erreicht werden, ausgenommen in ſolchen Stuͤken, die weit aus dem Auge zu ſtehen kommen; in welchem Fall die Farben ſehr dik neben einander aufgetragen werden, daß ſie ihre volle Wuͤrkung behalten. Bey Gemaͤhlden aber die man in der Naͤhe ſehen ſoll, muͤſſen die Farben mehr in einan- der fließen, und koͤnnen auf einmal nicht gar dik aufgetragen werden. Auch andre Umſtaͤnde erfo- dern ofte, daß eine Farbe uͤber eine andre gedekt werde, ſo daß die untere etwas durchſcheine. (*)(*) S. Laßiren. Jn dieſem Falle muß das ganze Stuͤk mehr, als einmal uͤbermahlt werden. Die erſte Auftragung der Farben, wird das Anlegen genennt.
Das Anlegen iſt ein wichtiger Theil des Mahlens; denn wenn dabey etwas weſentliches verſehen wird, ſo kann das Colorit niemals vollkommen werden. Wie aber uͤberhaupt keine ſchlechterdings feſtgeſezte Regeln der Farbengebung vorhanden ſind, ſondern jeder Mahler durch Uebung und Verſuche ſich eine beſondre Methode angewoͤhnt hat; ſo laͤßt ſich auch nicht beſtimmt ſagen, wie der Mahler beym Anlegen verfahren ſoll.
Der ſicherſte Weg, ein Gemaͤhlde gut anzulegen, ſcheinet dieſer zu ſeyn, daß man mit einem etwas breiten Pinſel zuerſt die Lichter, denn die Schatten gleich ſtark neben einander ſeze, und hernach an den Graͤnzen zwiſchen beyden gelinde hin und her fahre, um ſie etwas mit einander zu vereinigen. Dieſe erſte Anlage muß den Grund einer guten Haltung und Verfließung der Lichter und Schatten geben. Und dieſe wird man ſchweerlich erhalten, wenn man es in der erſten Anlage verfehlt hat. Laireſſe giebt den Rath, man ſoll dieſe angelegten Stellen durch eine duͤnne Hornſcheibe anſehen, um deſto ſicherer von der guten Vereinigung des Lichts und Schattens zu urtheilen. Es hat ohngefehr dieſelbe Wuͤrkung, wenn man etwas weit von dem angelegten Gemaͤhlde zuruͤk trit, um dieſe Vereinigung deſto beſſer zu be-
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[56/0068]
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Rede iſt, die Ausfuͤhrung, und die Ausarbeitung,
von denen beſonders wird gehandelt werden.
Jn der Anlage wird der Plan des Werks, mit
den Haupttheilen deſſelben beſtimmt, die Ausfuͤh-
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Ausarbeitung bearbeitet die kleinern Verbindungen,
und fuͤget die kleineſten Theile voͤllig, jeden in ſeinem
rechten Verhaͤltniß, und beſter Form zuſammen.
Wenn die Anlage vollendet iſt, ſo muß nichts we-
ſentliches mehr in das Werk hinein kommen koͤnnen.
Sie enthaͤlt ſchon alles wichtige der Gedanken, und er-
fodert deswegen das meiſte Genie. Darum bekommt
ein Werk ſeinen groͤßten Werth von der Anlage.
Sie bildet die Seele deſſelben, und ſezt alles feſte,
was zu ſeinem innerlichen Charakter, und zu der
Wuͤrkung, die es thun ſoll, gehoͤret. Deßwegen
koͤnnen auch grobe oder ſchlecht bearbeitete Werke,
der guten Anlage halber ſehr ſchaͤzbar ſeyn. So
waren nach dem Zeugniß des Pauſanias die Werke
des Daͤdalus; ſie fielen etwas unfoͤrmlich in das
Auge, doch entdekte man in allen etwas großes und
erhabenes. (*)
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Es iſt jedem Kuͤnſtler zu rathen, nicht nur die
groͤßte Anſtrengung des Geiſtes auf die Anlage,
als den wichtigſten Theil zu wenden, ſondern auch
nicht eher an die andern Theile der Arbeit zu ge-
hen, bis dieſer gluͤklich und zu ſeiner eignen Befrie-
digung zu Stande gebracht iſt. Schweerlich wird
ein Werk zu einer uͤber das mittelmaͤßige ſteigenden
Vollkommenheit kommen, wenn die Anlage nicht
vor der Ausfuͤhrung vollkommen geweſen. Die
Unvollkommenheit der Anlage benimmt dem Kuͤnſt-
ler das Feuer und ſo gar den Muth zur Ausfuͤhrung.
Einzele Schoͤnheiten ſind nicht vermoͤgend die Feh-
ler der Anlage zu bedeken. Beſſer iſt es allemal
ein Werk von unvollkommener Anlage ganz zu ver-
werfen, als durch muͤhſame Ausfuͤhrung und Aus-
arbeitung, etwas unvollkommenes zu machen. Es
ſcheinet eine der wichtigſten Regeln der Kunſt zu ſeyn,
ſich nicht eher an die Bearbeitung eines Werks zu
machen, bis man mit der Anlage deſſelben vollkom-
men zu frieden iſt. Denn dieſe Zufriedenheit giebt
Kraͤfte zur Ausfuͤhrung. S. Anordnung.
Anlauf.
(Baukunſt.)
Die Einbeugung einer Linie oder Flaͤche von ihren
unterſten Ende herauf, wodurch eine Flaͤche oder
ein Koͤrper etwas duͤnner wird, als er am Fuß
iſt. S. Ablauf.
Anlegen.
(Mahlerkunſt.)
Die erſten Farben eines Gemaͤhldes auftragen,
welche hernach bey der Ausarbeitung wieder von an-
dern Farben bedekt werden.
Das gute und inſonderheit das kraͤftige Colorit
kann nicht wol durch eine einzige Auftragung der
Farben erreicht werden, ausgenommen in ſolchen
Stuͤken, die weit aus dem Auge zu ſtehen kommen;
in welchem Fall die Farben ſehr dik neben einander
aufgetragen werden, daß ſie ihre volle Wuͤrkung
behalten. Bey Gemaͤhlden aber die man in der
Naͤhe ſehen ſoll, muͤſſen die Farben mehr in einan-
der fließen, und koͤnnen auf einmal nicht gar dik
aufgetragen werden. Auch andre Umſtaͤnde erfo-
dern ofte, daß eine Farbe uͤber eine andre gedekt
werde, ſo daß die untere etwas durchſcheine. (*)
Jn dieſem Falle muß das ganze Stuͤk mehr, als
einmal uͤbermahlt werden. Die erſte Auftragung
der Farben, wird das Anlegen genennt.
(*) S.
Laßiren.
Das Anlegen iſt ein wichtiger Theil des Mahlens;
denn wenn dabey etwas weſentliches verſehen wird,
ſo kann das Colorit niemals vollkommen werden.
Wie aber uͤberhaupt keine ſchlechterdings feſtgeſezte
Regeln der Farbengebung vorhanden ſind, ſondern
jeder Mahler durch Uebung und Verſuche ſich eine
beſondre Methode angewoͤhnt hat; ſo laͤßt ſich auch
nicht beſtimmt ſagen, wie der Mahler beym Anlegen
verfahren ſoll.
Der ſicherſte Weg, ein Gemaͤhlde gut anzulegen,
ſcheinet dieſer zu ſeyn, daß man mit einem etwas
breiten Pinſel zuerſt die Lichter, denn die Schatten
gleich ſtark neben einander ſeze, und hernach an den
Graͤnzen zwiſchen beyden gelinde hin und her fahre,
um ſie etwas mit einander zu vereinigen. Dieſe
erſte Anlage muß den Grund einer guten Haltung
und Verfließung der Lichter und Schatten geben.
Und dieſe wird man ſchweerlich erhalten, wenn man
es in der erſten Anlage verfehlt hat. Laireſſe giebt
den Rath, man ſoll dieſe angelegten Stellen durch
eine duͤnne Hornſcheibe anſehen, um deſto ſicherer
von der guten Vereinigung des Lichts und Schattens
zu urtheilen. Es hat ohngefehr dieſelbe Wuͤrkung,
wenn man etwas weit von dem angelegten Gemaͤhlde
zuruͤk trit, um dieſe Vereinigung deſto beſſer zu be-
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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/68>, abgerufen am 16.02.2025.
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