Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.[Spaltenumbruch]
Hor Seinen Lehren danket er es, daß er sich nicht von -- Insuevit pater optimus hoc me, Er hatte verschiedene Lehrer und Aufseher; aber Ipse mihi custos incorruptissimus omnes Nachdem er in Rom eine so gute Erziehung genossen, I. 20. Me primis urbis, belli placuisse domique. (*) zeiget deutlich, daß er mit den größten Männern Romae nut iri mihi contigit, atque doceri(*) Epist. II. 2. Er äußert hier im Vorbeygang seine Gedanken Man würde sich sehr irren, wenn man aus den Seine ersten Versuche in der Dichtkunst waren -- Ego me illorum, dederim quibus esse poetas,(*) Serm. I. 4. Darum gab er sich auch keine Müh als Dichter ge- Non ego nobilium scriptorum auditor er ultor(*) Epist. I. 19. Er schrieb, weil es ihm nicht möglich war über die -- Seu Z z z 3
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Hor Seinen Lehren danket er es, daß er ſich nicht von — Inſuevit pater optimus hoc me, Er hatte verſchiedene Lehrer und Aufſeher; aber Ipſe mihi cuſtos incorruptiſſimus omnes Nachdem er in Rom eine ſo gute Erziehung genoſſen, I. 20. Me primis urbis, belli placuiſſe domique. (*) zeiget deutlich, daß er mit den groͤßten Maͤnnern Romae nut iri mihi contigit, atque doceri(*) Epiſt. II. 2. Er aͤußert hier im Vorbeygang ſeine Gedanken Man wuͤrde ſich ſehr irren, wenn man aus den Seine erſten Verſuche in der Dichtkunſt waren — Ego me illorum, dederim quibus eſſe poetas,(*) Serm. I. 4. Darum gab er ſich auch keine Muͤh als Dichter ge- Non ego nobilium ſcriptorum auditor er ultor(*) Epiſt. I. 19. Er ſchrieb, weil es ihm nicht moͤglich war uͤber die — Seu Z z z 3
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Hor
Hor
Seinen Lehren danket er es, daß er ſich nicht von
dem Strohm der Laſter hat hinreißen laſſen:
— Inſuevit pater optimus hoc me,
Ur ſugerem, exemplis vitiorum quaeque notando. (*)
Er hatte verſchiedene Lehrer und Aufſeher; aber
dieſer rechtſchaffene Vater verließ ſich nicht auf ſie,
er war ſelbſt der beſte Aufſeher:
Ipſe mihi cuſtos incorruptiſſimus omnes
Circum doctores aderat. (*)
Nachdem er in Rom eine ſo gute Erziehung genoſſen,
und, nach der damaligen Art, auch in den ſchoͤnen
Wiſſenſchaften unterrichtet worden, reiſte er nach
Athen, wo er in der Schule der Academiker das
Studium der Philoſophie trieb. Jndem er ſich da
aufhielt, brach der buͤrgerliche Krieg aus, durch den
Brutus die roͤmiſche Republik zu retten ſuchte. Ho-
raz nahm die Parthey der Freyheit, aus patrio-
tiſchen Geſinnungen und aus Hochachtung und
Freundfchaft gegen den Brutus, dem er in Grie-
chenland bekannt worden. Dieſer einzige Umſtand,
daß er vor dem Umſturz der Republik, mit dem
Haͤuptern des Staates bekannt geweſen, und von
ſo großen Maͤnnern zur Vertheidigung der Freyheit
mit gebraucht worden, (denn es wurd ihm eine Le-
gion anvertraut) muß uns einen vortheilhaften Be-
griff von ihm geben. Er hatte Urſach auch nach-
her ſich deſſen zu ruͤhmen. Die Art, wie er da-
von ſpricht,
Me primis urbis, belli placuiſſe domique. (*)
— Cum magnis vixiſſe invita ſatebitur usque
Invidia (*)
zeiget deutlich, daß er mit den groͤßten Maͤnnern
der ſterbenden Republik, ſo wol vor, als in dem
Krieg ſelbſt, in vertrautem Umgange gelebt habe.
Darum wurd er auch, als eines der Haͤupter der
Freyheit, nach der Schlacht bey Philippi in die Acht
erklaͤret, und verlohr ſeine Guͤter. Dieſes zwang
ihn zu einem ruhigen Leben, und weil er nun nichts
mehr fuͤr die Freyheit thun konnte, warf er ſich in
die Aerme der Muſen, ſo wie vor ihm Cicero in
aͤhnlichen Umſtaͤnden, ſich ganz dem Studio der Phi-
loſophie ergeben hatte. Alle dieſe Umſtaͤnde erzaͤhlt er
ſelbſt, mit der ihm ganz eigenen Kuͤrze:
Romae nut iri mihi contigit, atque doceri
Iratus Grajis quautum nocuiſſet Achilles:
Adjecere bonae paulo plus artis Athenae;
Scilicet ut. poſſem curvo dignoſcere rectum,
Atque inter ſylvas Academi quaerere verum.
Dura ſed emovere loco me tempora grato;
Civilisque rudem belli tulit aeſtus in arma,
Caeſaris Auguſti non reſponſura lacertis.
Unde ſimul primum me dimiſere Philippi
Deciſis humilem pennis, inopemque paterni
Et laris et ſundi, paupertas impulit audax
Ut verſus ſacerem. (*)
Er aͤußert hier im Vorbeygang ſeine Gedanken
uͤber den buͤrgerlichen Krieg, auf eine Weiſe, die
uns nicht erlaubet, es ihm uͤbel zu nehmen, daß er
ſich mit dem Caͤſar nusgeſoͤhnt hat. Er geſieht ihm
hier nur eine uͤberwiegende Macht zu, die er ſtill-
ſchweigend der gerechten Sache der andern Parthey
entgegen ſetzt. Man kann den beherzteſten Mann
nicht tadeln, daß er der entſchiedenen Uebermacht
nachgiebt, wenn er nur den Maͤchtigern nicht zu-
gleich fuͤr den rechtmaͤßigen Herrn haͤlt.
Man wuͤrde ſich ſehr irren, wenn man aus den
letzten Worten dieſer Stelle ſchließen wollte, daß
ihn der Hunger gezwungen habe ein Dichter zu wer-
den, um ſein Leben mit dem Gewinnſt von ſeinen
Gedichten zu erhalten. Er will blos ſagen, daß die
Beraubung ſeiner Guͤter und die Verbannung alle
Wuͤrkſamkeit fuͤr Geſchaͤfte bey ihm unmoͤglich ge-
macht und ihn gezwungen haben, einem andern
Hange zu folgen.
Seine erſten Verſuche in der Dichtkunſt waren
die Satyren, wozu er durch das Beyſpiel des Luci-
lius aufgemuntert worden. Es war ſehr natuͤrlich,
daß ein ſo groß denkender Mann ſeinen Unwillen
gegen die Thorheit und das Laſter ausließ. Dieſer
Unwillen war ſeine Muſe, nicht der Kuͤtzel, als ein
Pyet ſich einen Namen zu machen. Darum machte
er anfaͤnglich gar keinen Anſpruch auf den Namen
eines Dichters;
— Ego me illorum, dederim quibus eſſe poetas,
Excerpam numero. (*)
Darum gab er ſich auch keine Muͤh als Dichter ge-
lobt zu werden. Damals hatten die ſchoͤnen Geiſter,
wie noch itzt, ihre eigenen Methoden, ſich Beyfall zu
erwerben und ſich ruͤhmen zu laſſen. Aber dieſe
Schliche ſtuhnden ihm nicht an.
Non ego nobilium ſcriptorum auditor er ultor
Grammaticas ambire tribus et pulpita dignor. (*)
Er ſchrieb, weil es ihm nicht moͤglich war uͤber die
Thorheiten und Laſter zu ſchweigen.
— Seu
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